Nicht Fisch, nicht Fleisch – so bezeichnet man im Sprachgebrauch oft uneindeutige Zustände. Unsere Kinder machen diesen ebenfalls durch, wenn sie an der Schwelle vom Kind zum Jugendlichen stehen. Für Kinder wie Eltern eine schwierige Zeit, in der viel Verständnis auf Seiten der Erwachsenen erforderlich ist.
Nicht mehr Kind und noch nicht erwachsen – auf der Schwelle zum Jugendlichen
In der Jugendforschung wird diese Zeit auch als „mittlere Adoleszenz“ bezeichnet. Dieser Zeitraum umfasst das Alter zwischen 11 und 14 Jahren. Der Aggregatszustand unserer Kinder kann in dieser Zeit minütlich wechseln. Der toughe Teen wird urplötzlich wieder zum Kind, das mit Puppen oder Playmobil spielt und kommt zwei Stunden später als aufgetakelte Zicke wieder aus dem Kinderzimmer.
Vom Kind zum Erwachsenen – ein langer und steiniger Weg
Bis aus einem Grundschulkind ein halbwegs erwachsener Mensch wird, vergeht ein Zeitraum von mindestens zehn Jahren. Noch vor der sichtbaren Pubertät beginnen die hormonellen Veränderungen im Körper, die meist auch die Psyche komplett durcheinander bringen. Bis die einzelnen Entwicklungsschritte jeweils abgeschritten sind, vergeht ein längerer Zeitraum. Innerhalb der Entwicklung kommt es dann zum von vielen Eltern so gefürchteten unberechenbaren Verhalten. Gerade im Alter zwischen 10 und etwa 14 Jahren wechseln Kinder häufig von kindlichen zu jugendlichen Verhaltensweisen. Das kann so schnell gehen, dass wir Erwachsenen kaum mitkommen. So kann ein Gespräch zwischen Vater und Sohn, das anscheinend auf einem nahezu gleichen intellektuellen Niveau begann, damit enden, dass Sohnemann wie ein Dreijähriger, dem man sein Lieblingsspielzeug genommen hat, trotzt und tobt. Eltern sollten in dieser Zeit viel Verständnis aufbringen und ihrem Kind den Freiraum lassen, beides zu sein – Jugendlicher und Kind. Dabei sollten Sie im Hintergrund behalten, dass das erst der Anfang ist, denn nach dieser Phase folgt die richtige Pubertät, die Eltern so einiges an Kraft kosten kann.
Kinder im Dazwischen
Am physisch deutlichsten lässt sich dieser Zustand unserer Kinder, in dem sie halb Kind, halb erwachsen sind, bei Jungs im Stimmbruch nachvollziehen. Dort wird auch deutlich, dass es anfangs wenig Kontrolle gibt, ob die Stimme tief oder hoch ist – je mehr Testosteron produziert wird, umso tiefer klingt die Stimme. Im Stimmbruch ist diese Produktion noch unregelmäßig und unkontrolliert, ebenso wie die Stimmungslagen in der Vorpubertät. Für die Kinder selbst ist dieser Zustand meist mit Anspannung verbunden. Kein Wunder – kann es doch durchaus bedrohlich wirken, wenn man für sich selbst undurchschaubar und unberechenbar wird. Deshalb brauchen Kinder Geduld und entsprechende Freiräume.
Angenommen in allen Gefühlslagen
Auch wenn es schwerfällt: Lassen Sie Ihr Kind so sein, wie es eben gerade ist und lieben Sie es in jedem „Zustand“. Am einfachsten ist es, die Veränderungen im Verhalten anzunehmen und den Wechsel möglichst unkommentiert zu lassen. Es reicht schon völlig, wenn man mit sich selbst kämpft, spöttische Bemerkungen der Eltern über den jeweiligen Gefühlsstatus sind wenig hilfreich und können ganz im Gegenteil dazu führen, dass das Kind sich abgrenzt. Produktiver ist es, wenn das Kind sich angenommen fühlt, egal, ob es jetzt besonders erwachsen oder plötzlich wieder ausgesprochen kindlich ist. Reagieren Sie auf das, was es Ihnen entgegenbringt: Verhält es sich erwachsen, behandeln Sie es auch so, verhält es sich kindlich, dann spiegeln Sie ihm auch diesen Zustand entsprechend. Wertungen verunsichern Ihr Kind und geben ihm das Gefühl, etwas wäre falsch an ihm. Das ist nicht besonders gut fürs ohnehin gerade nicht besonders stabile Selbstbewusstsein.
Orte fürs Kindsein
Ganz wichtig ist in dieser Zeit, dass Ihr Kind eine Rückzugsmöglichkeit hat, indem es ungestört auch wieder mit den schon längst verräumten Barbiepuppen spielen oder sich die alten Bilderbücher aus Kinderzeiten ansehen kann. Auch ältere Geschwister mit ihrem Gespür für Empfindlichkeiten sollten jetzt die Zimmergrenze besonders konsequent respektieren müssen. Es gibt nichts Schlimmeres als wenn in der Schule oder bei Freunden herausposaunt wird, dass man noch mit Puppen spielt – auch wenn alle anderen Freunde das wahrscheinlich ebenso tun. Auch für die Eltern gilt: Sparen Sie sich jegliche Kommentare. Sie werden nichts „helfen“ (wobei auch?), sondern nur dazu führen, dass Ihr Kind sich unangenehm berührt fühlt.
Insgesamt sollten Sie sich einfach entspannen. Die Zeit im Dazwischen, wenn Ihr Kind zwischen kindlichem und erwachsenen Gehabe wechselt, schadet ihm nicht und sonst ebenso niemandem. Die Zeit wird vorbei gehen und das können Sie getrost abwarten.