Vielleicht kennen Sie noch folgende Gleichung aus Ihrer Schulzeit: Brille ist gleich Streber und bedeutet Außenseiter. Die Coolen hatten nie eine Brille - weder im Fernsehen, noch im realen Leben. Umso erstaunlicher und erfreulicher, dass es bei diesem Thema so eine sympathische Trendwende gibt. Während vor wenigen Jahren das Hänseln von Brillenträgern noch ein beliebter Kindersport war, hört man Begriffe wie Brillenschlange oder Vierauge heute kaum noch in Klassenzimmern oder auf Spielplätzen. Ja, es sieht so aus, als sei Brilletragen populär geworden, selbst bei Kindern.
Kinder und die Brille - Harry Potters Erben
Trauma Brille?
Gerade Erwachsene mit Sehschwäche, die oft noch negative Erfahrungen in ihrer bebrillten Kindheit machen mussten, scheinen gehemmt bei diesem Thema und wollen eine mögliche Sehschwäche bei ihrem Kind nicht sehen. Dabei ist es – gerade für Eltern mit Brillen – enorm wichtig, die Sehfähigkeit ihrer Kinder genau zu beobachten. Wenn beide Elternteile eine Brille tragen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Kinder auf Augengläser angewiesen sind, denn Sehschwäche ist vererbbar.
Beobachten Sie Ihre Kinder beim „Sehen“
Inzwischen schätzt man die Zahl der Kinder, die eine Brille tragen, auf circa 15 Prozent. Das hört sich erstmal nicht so viel an, doch gerade frühzeitige Belastungen der Augen durch Fernsehen und Computer führen dazu, dass immer mehr Kinder und Jugendliche schlecht sehen. Umso entscheidender sind Vorsicht und Vorsorge: Spätestens nach dem zweiten Lebensjahr sollten Eltern mit ihrem Kind zum Augenarzt gehen. Bei den U-Vorsorgeuntersuchungen werden zwar regelmäßig die Augen untersucht, aber bei Auffälligkeiten bleibt der Augenarzt die einzige Instanz. Der Facharzt stellt den Grad der Sehbehinderung mit Hilfe spezieller Augentropfen fest. Nur so kann er die exakte Stärke für das Brillenglas bestimmen.
Augen im Lernprozess
Sie sollten sich immer vor Augen halten: Im Säuglings- und im Kleinkindalter lassen sich Sehschwächen noch korrigieren. Das Auge befindet sich in jungen Jahren erst im Lernprozess und wenn nun ein unscharfes Bild auf der Netzhaut des Kindes entsteht, gleichen Brillengläser das aus. Im Gegenzug bedeutet das: Bei Kindern, die trotz Sehschwäche keine Brille tragen, bleibt die Sehkraft niedrig und eine Brille kann nur noch regulierend, nicht aber korrigierend wirken. Bis zu einem Alter von zehn Jahren sind solche Korrekturen möglich, danach hat das Auge ausgelernt. Drastisches Beispiel: Während durch eine Korrektur bei schielenden Kleinkindern im Alter von zwei Jahren acht von zehn Kindern später die volle Sehschärfe entwickeln, liegt die Quote durch Korrektur bei sechsjährigen Kindern lediglich noch bei 20 Prozent.
Augen auf beim Brillenkauf!
Mit dem Rezept in der Hand stürzen sich Eltern dann in das Abenteuer Brillenkauf. Welche Brille soll es sein? Wie soll das Ding aussehen, das mein Kind nun tagtäglich im Gesicht tragen wird? Gerade als Vater sollten Sie darauf achten, dass nicht nur Muttis Geschmack entscheidet. Lassen Sie Ihren Sohn oder Ihre Tochter unbedingt bei der Auswahl des Gestells mitbestimmen. Der Wohlfühlfaktor ist nämlich entscheidend, ob der neue Brillenträger seinen neuen Begleiter mögen oder als lästig empfinden wird. Oder im schlimmsten Fall gar nicht tragen will.
Klarerweise sind auch andere Faktoren wichtig: Der gute Sitz und die geeignete Fassung einer Brille sind gerade bei Kindern ein Muss. Komponenten wie Passform, Stabilität, Gewicht, Elastizität (gerade bei den Bügeln), Glaseigenschaften und Stegmerkmale entscheiden über den späteren Tragekomfort für Ihr Kind. Und geben den Ausschlag, ob Ihr Kind die Brille tragen will oder nicht.
Wichtig ist es, dass sich die Kids besonders am Anfang schnell an ihre neue Brille gewöhnen. Wenn die Brille nicht als lästiger Krückstock im Gesicht gesehen wird, sondern als schmückendes Accessoire hat man es da wesentlich leichter. Vor allem Väter können in solchen Situationen wichtige Impulsgeber für das ästhetische Bewusstsein der Kids beitragen.
Auch der Promi-Bonus wirkt bei Kindern enorm: Sind Harry Potter, Johnny Depp, Anastacia oder Xavier Naidoo nicht wirklich cool? Gerade, weil sie eine Brille tragen? Diesen Fashion-Faktor mit einzubringen gelingt bei Mädchen erfahrungsgemäß („Mein Gott, wie hübsch du aussiehst!“) einfacher als bei Jungs, die eine Brille oftmals als störender empfinden („Pass auf deine Brille auf!“, „Nicht so wild, sonst geht deine Brille kaputt“). Als Alternative kommen für Jungs so genannte Sportbrillen mit langen Bügelenden in Frage.
Positiv sehen
Und dann hat man sie daheim, die neue Brille. Und muss sich auch erst mal an das neue Gesicht seines Kindes gewöhnen, ebenso ergeht es den Kindergartenfreunden oder Schulkameraden. Ein kurzes Gespräch im Vorfeld mit Erzieherin oder Lehrerin ist ratsam. Positive Erfahrungen gerade am Anfang ihrer Brillenzeit prägen Kinder für den späteren Umgang mit der Brille.
Dauerthema Kontaktlinsen
Vielleicht erledigen sich durch einen positiven Umgang mit der Brille auch solche Unsäglichkeiten wie Kontaktlinsen für Dreijährige, die nicht aus medizinischen, sondern aus rein ästhetischen Gründen verwendet werden. Ab einem Alter von zwölf Jahren kann man natürlich über Kontaktlinsen nachdenken – Reife und Koordinationsfähigkeit sind zu diesem Zeitpunkt so weit entwickelt, dass die Teenager mit der Pflege von Kontaktlinsen umgehen können.
Zum Weiterlesen:
http://www.urbia.de/magazin/gesundheit/kinder/mein-kind-braucht-eine-brille