Mit der Geburt des Kindes bekommen die Eltern ein neues Familienmitglied. Eines, das sich weder selbst versorgen noch Entscheidungen treffen kann. Dennoch zeigt sich bald, daß auch dieser kleine Erdenmensch Bedürfnisse und seinen eigenen Willen hat, den er auch durchzusetzen versucht.
Erziehung? Was ist das eigentlich?
Das Kind weiß jedoch noch nicht, was gut oder schlecht für es ist. Ebenso wenig weiß es, was für Gefahren auf es lauern und wie man mit der Umgebung interagiert. Mit dem Sorgerecht für das Kind erhalten die Eltern auch die Pflicht, sich um das Kind zu kümmern und es auf das Leben in dieser neuen Welt vorzubereiten (Grundgesetz, Artikel 6, Absatz 2). Diesen Prozess nennt man Erziehung.
Erziehung geschieht per Definition bewusst
Unter Erziehung versteht man allgemein die bewussten sozialen Handlungen eines Erziehers (dies können die Eltern oder zum Beispiel auch Lehrer sein), die darauf abzielen, bei dem zu Erziehenden (hier dem Kind) Lernprozesse herbeizuführen und dauerhafte Veränderungen zu erreichen. Diese Veränderungen zielen darauf ab, Geist und Charakter zu bilden und die Entwicklung des Kindes zu fördern, um letztlich die Ausbildung einer individuellen Persönlichkeit zu ermöglichen. Ziel unserer westlichen Erziehung ist, daß das Kind zu einem mündigen und selbstbestimmten Individuum heranwächst, um so darauf vorbereitet zu sein, sein eigenes Leben erfolgreich zu führen.
Die wichtigsten Erziehungsmaßnahmen sind positive oder negative Verstärkung, also Lob und Belohnung oder Tadel und Strafe. Die konsequente Anwendung dieser Maßnahmen soll dazu führen, daß gewünschtes Verhalten wiederholt, unerwünschtes Verhalten unterlassen wird. Darin, wie dies geschieht, darin unterscheiden sich die verschiedenen Erziehungsstile maßgeblich. Aber selbst Babies können zwischen ernsten und freundlichen Gesichtern unterscheiden und ziehen ein Lächeln vor. Kleinkinder verstehen ein deutliches "nein" und werden grundsätzlich versuchen, bei den Eltern zufriedene Gesichter und Lob zu erreichen (positive Verstärkung). Erziehung nur auf Basis von Strafe, wie sie über viele Jahrhunderte vorgeherrscht hat, ist aus diesem Grund fehl am Platze.
Wichtig bei jeder Art von Erziehung ist Verlässlichkeit und Konsequenz in der Umsetzung. Die Regeln müssen eindeutig sein und sollten sich auch nicht ändern, je nachdem, wer gerade die Aufsichtperson ist (Vater oder Mutter sollten sich hier nicht widersprechen). Kleinere Abweichungen (zum Beispiel in Bezug auf die Bettzeit) sind selbstverständlich okay (Ausnahmen können älteren Kindern auch erklärt werden). Trotzdem sollte eine Linie eingehalten werden, an der sich das Kind orientieren kann und die ihm Sicherheit gibt.
Erziehung hat verschiedene Aspekte
Die Erziehungswissenschaft unterscheidet übrigens zwischen intentionaler und funktionaler Erziehung. Unter die intentionale Erziehung fallen alle bewussten und beabsichtigten Handlungen, wie sie oben beschrieben wurden.
Unter funktionaler Erziehung versteht man die unbeabsichtigten Nebenwirkungen der Erziehung, auch Prägung genannt. Kurz - das, was das Kind bei den Eltern und in seiner Umgebung erlebt und es sich so "abschaut", also letztlich dadurch lernt. Das Kind wird durch das Elternhaus, die Menschen, mit denen es in Kontakt kommt, seine physische Umgebung (Stadt / Land) und Erlebnisse in seiner persönlichen Entwicklung beeinflusst.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Rolle der Eltern als Vorbilder zu betonen, über deren Verhalten das Kind unter anderem lernt, wie Menschen miteinander umgehen (auch Umgangsformen werden so vermittelt) und was "man" so tut oder lässt (Einstellungen zu Arbeit, Bildung, Bewegung und Ernährung). Die Erfahrungen, die ein Kind im Elternhaus macht, sind im Guten wie im Schlechten prägend und es dauert im Allgemeinen lange Zeit, bis diese Erfahrungen durch neue Eindrücke revidiert werden können, wenn überhaupt. Insofern ist die Vorbildfunktion der Eltern in ihrer Bedeutung für die Entwicklung einer Persönlichkeit kaum hoch genug einzuschätzen.
Wie stark ein Kind durch intentionale und funktionale Erziehung geformt wird, darüber diskutiert die Wissenschaft noch immer. Früher ging man davon aus, dass die intentionale Erziehung den bei weitem größten Anteil zur Entwicklung eines Menschen beiträgt.
Heutzutage besteht nun weitgehende Einigkeit darüber, dass der Einfluss von Genetik (im Erbgut begründete Anlagen also) und die Prägung durch physische und soziale Umgebung für die Persönlichkeitsentwicklung eines Individuums extrem stark ist. Eventuell noch größer als die Bedeutung dessen, was man landläufig unter "Erziehung" versteht...