© Roland Dahl - Fotolia.com

Wenn unterschiedliche Erziehungsmethoden Freundschaften belasten – was tun?

Auch wenn wir uns mit Freunden gut verstehen, heißt das nicht, dass wir mit ihren Erziehungsmethoden einverstanden sind. Dies kann unter anderem dann zum Problem werden, wenn man gelegentlich die Kindern der anderen betreut. Wie soll man damit umgehen, wenn der Erziehungsstil der Freunde zur Belastung für die Freundschaft wird?

Alle Kinder sind unterschiedlich. Das ist eine Binsenweisheit. Aber auch wir Eltern sind unterschiedlich und so ist es nicht verwunderlich, dass auch unsere Erziehungsmethoden nicht dieselben sind. In den meisten Fällen erwachsen hieraus keine Probleme. Das eine Kind darf länger aufbleiben, das andere häufiger Süßigkeiten essen, ein Kind wird früh zu mehr Selbstständigkeit erzogen, ein anderes darf öfter fernsehen. Manche Eltern „bemuttern“ mehr, andere wiederum lassen die Kinder eher „mitlaufen“. Solange es für Eltern und Kinder passt und es ihrem jeweiligen Naturell entspricht, entstehen daraus keine Probleme.


Wo liegt die Grenze?

Doch wie sollte man damit umgehen, wenn die Erziehungsmethoden der Freunde zu Belastungsproben werden? Wenn die beste Freundin ihr Kind beständig lautstark zurechtweist, auch für Nichtigkeiten. Wenn der beste Freund unsinnige oder sogar fatale Drohungen ausspricht („Wenn du das machst, hat Papa dich nicht mehr lieb“) oder sein Kind sogar ohrfeigt? Ab wann kann man nicht mehr von einfachen Unterschieden in der Erziehung sprechen, sondern sollte einschreiten? Eine schwere Frage, besonders weil sie die Freundschaft auf jeden Fall belasten wird.


Süßigkeiten und schlechte Behandlung

Ein praktisches Beispiel: Zwei Elternpaare, die in einer Kleinstadt leben, unterstützen sich gegenseitig. Die einen haben eine Tochter, die anderen einen Sohn. Da die Eltern des Sohnes beide voll berufstätig sind, hat sich die Mutter der Tochter angeboten, den Jungen zweimal pro Woche am Nachmittag als „Tagesmutter“ zu betreuen. Eine schöne Lösung, da Sohn und Tochter gleich alt und beste Freunde sind. Doch mit der Zeit stellen die Eltern des Sohnes einige Dinge fest, die ihnen nicht gefallen. So hat ihr Sohn am Abend oft klebrige Hände und einen Schokoladenmund und auf Nachfrage erfahren sie, dass er dort viele Gummibärchen, Schokolade und andere Süßigkeiten zu essen bekommt. Dies erwartet er nun natürlich auch zu Hause. Als der Vater seinen Sohn an einem Abend bei den Freunden abholt, bekommt er mit, wie die Tagesmutter seinen Sohn nachäfft, als dieser nach seinem Schnuller weint. Obwohl der Sohn sehr gern zu seiner Tagesmutter geht, sind sich die Eltern des Sohnes einig, dass es so nicht weitergehen kann. Doch wie spricht man das am besten an? Schließlich ist man ja auch befreundet und eine solche Aussprache kann natürlich auch zu Kränkungen führen.


Probleme am besten offen ansprechen

Einige Tage lang überlegen die Eltern, wie sie ihre Sorgen der Tagesmutter mitteilen sollten.  Dabei kommen sie zu folgenden Erkenntnissen: Sie möchten nicht, dass es so weitergeht wie bisher, aber ihnen liegt viel an der Freundschaft. Dennoch entscheiden sie, dass das Kindeswohl vorgeht. Also nutzen sie die nächste Gelegenheit und sprechen ihre Bedenken an. Zunächst reagiert die Tagesmutter wie befürchtet und schlägt vor, die Betreuung sofort zu beenden. Sie fühlt sich angegriffen und versteht die Sorgen der Eltern als Kritik an sich als Person. Im weiteren Gespräch stellt sich zudem heraus, dass die Tagesmutter ebenso ein Problem damit hat, dass der Junge noch so sehr an seinem Schnuller hängt, den sie ihrer Tochter gerade abgewöhnen konnte. Diese Tatsache bringt das Gespräch in eine Balance, in der nun nicht mehr eine Partei ein Problem mit der anderen hat, sondern beide Parteien sich gegenseitig eingestehen, mit der momentanen Situation nicht glücklich zu sein. Dadurch bekommt das Gespräch eine Ebene, die für die Lösungsfindung wichtig ist.


Wie kann die Lösung aussehen?

Wie können sich die Erziehung der Tagesmutter und die Wünsche der Eltern des Jungen zusammenbringen lassen? In anderen Worten: wie kann eine Person zwei Kinder unterschiedlich erziehen? Die Antwort: gar nicht. Deshalb muss es viel mehr darum gehen, dass man für die Zeit in der die beiden Kinder zusammen sind, eine Lösung findet, mit der beide Seiten leben können. So beschließt man, dass es in dieser Zeit nur noch eine Süßigkeit pro Kind geben soll. Zudem machen sich nun auch die Eltern des Jungen daran, ihm den Schnuller langsam abzugewöhnen – zumindest am Nachmittag. Im Rückblick sind beide Parteien froh, dass sie die Möglichkeit gefunden haben, schnell über ihre gegenseitigen Probleme mit der Erziehung des jeweils anderen zu sprechen und dass es ihnen gelungen ist, die Freundschaft nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. Wesentlich war dabei sicherlich die Tatsache, dass es gelungen ist, eine Balance zwischen beiden Seiten herzustellen. So war nicht eine Seite „Ankläger“ und die andere Seite „Beschuldigter“, sondern beide haben sich ihre Sorgen von der Seele geredet und sich daran gemacht, eine praktikable Lösung zu finden, die den Kindern und den Eltern zu gute gekommen ist.