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Internet-Mobbing unter Kindern

Früher stand an der Klotür der Schule vielleicht „Sabine ist doof“. Für Sabine war das schon ziemlich schlimm. Im Zeitalter des Internets wurde die Toilettentür durch so genannte Gossip-Portale ersetzt. Cyber- oder Internet-Mobbing nennt sich das systematische Niedermachen von Kindern durch Kinder.

Dass Kinder und Jugendliche nicht immer zimperlich miteinander umgehen ist nichts Neues, Doch eine Pöbelei auf dem Schulhof kann morgen schon vergessen sein. Durch das Internet und die entsprechenden öffentlichen Anfeindungs-Sites hat das systematische Erniedrigen und Beschimpfen eine neue und brutalere Qualität bekommen. Und diese Beschimpfungen sind am nächsten Tag eben nicht vergessen, sondern für zig Mitschüler noch Wochen später nachzulesen.

 

Mobbing unter Schülern gab es schon immer, aber das Internet bringt neue Möglichkeiten

 

Erpressung, Demütigung, Erniedrigung, Beschimpfungen unter Schülern – ein Phänomen unserer Zeit? Natürlich nicht. Beschreibt ja schon Robert Musil 1906 in „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ über hinterhältige Hetz- und Hasstiraden zwischen Heranwachsenden an Schuleinrichtungen. Und trotzdem hat sich die Situation dramatisch geändert, seitdem das Internet Einzug in die Kinderzimmer gehalten hat. Plötzlich ist es ein Leichtes andere zu beschimpfen ohne sich ihnen zu stellen. Auf einmal kann man jegliche Respektsgrenzen überschreiten und den verhassten Mitschüler öffentlich denunzieren. Und selbst wenn man sich zum Himmel schreiende Lügen über einen Mitschüler ausdenkt: Das Internet schützt mit seiner Anonymität alle Arten von Lästereien, Bloßstellungen, übler Nachrede und Rufmord. Der Raum für feige Sprachflatulenzen ist frei für jedermann und zerstört bisweilen Existenzen.

Der Fall der 13-jährigen Lara aus München kann dabei als exemplarisch angesehen werden: Sie musste schikanöses Internet-Mobbing am eigenen Leibe erfahren. Lara kam neu an die Schule. Ein hübsches, ein aufgeschlossenes, ein kluges Mädchen. Kein Wunder also, dass einige Jungs aus der Jahrgangsstufe sich für das Mädchen mit den langen braunen Haaren interessierten. Sie luden sie zum Eis ein oder ins Kino. Einige Mädchen hingegen beobachten den beliebten Neuzugang mit Argwohn. Ihre Art der Reviermarkierung lief nicht über eine Aussprache oder ein zickiges Haareziehen auf dem Schulhof. Via Internet wurde Lara systematisch „gedisst“. Über einschlägige Mobbing-Websites wie isharegossip.com wurden falsche Behauptungen aufgestellt, über ihr Aussehen gelästert, ja, sogar Fotos eingestellt. Beleidigende Worte wie „Schlampe“ gehörten noch zu den harmlosen. Die Gruppendynamik tat ihr übriges: Waren es am Anfang nur ein paar neidische Teenie-Mädchen zogen nach kürzester Zeit Dutzende mit - aus Langeweile, aus Zwang, als Machtdemonstration. Alle gegen Lara. Das wurde zum Schulsport. Per Handy, via Chat oder Facebook –  Lara dissen war für einige Wochen einfach in. Und wer nicht mitmachte, wurde gleich mit gemobbt. So einfach war das.

Lara ging in dieser Zeit durch die Hölle. Am Anfang irritiert, dann verletzt, aber irgendwann sprachlos ob der rhetorischen Brutalität der Mitschüler mied sie bald jeglichen Kontakt mit den anderen und blieb schließlich komplett der Schule fern. Erst der Wechsel auf ein anderes Gymnasium in einem anderen Stadtteil brachte den erhofften Frieden wieder. Die Täter haben inzwischen bestimmt schon ein neues Opfer. Oder sind bereits selbst zu einem geworden.

 

Die Verfolgung der Täter ist schwierig

Sowohl für die Jugendlichen als aber auch für die Eltern, Lehrer und die Vertreter der Justiz ist es schwierig zu reagieren. Da – wie beim Beispiel isharegossip – die Mobber anonym bleiben, ist eine Verfolgung der Täter oft unmöglich. Die Hemmschwelle bei einigermaßen seriösen Netzwerken wie Facebook oder SchülerVZ ist höher, da dort die Identität zumindest hinterlegt ist und man nachvollziehen kann, wer für die Bösartigkeiten verantwortlich ist. Für isharegossip kündigte Jugendministerin Kristina Schröder (CDU) nun eine Index-Setzung an. Ob die Tabuisierung diese Mobbing-Maschine allerdings nicht noch interessanter macht, bleibt abzuwarten.

 

Was kann man tun als Elternteil, wenn dem eigenen Kind so etwas widerfährt?

Ratschläge für Eltern:

 

  • Damit man überhaupt bemerkt, dass es dem eigenen Kind passiert, muss man ein waches Auge haben. Zieht das Kind sich zurück? Meidet es den Kontakt mit anderen Mitschülern? Bekommt man mit, dass hinter vorgehaltener Hand über das Kind gelacht wird? Klärende und offene Gespräche mit den Kindern sind hier wichtig. Die Scham bei den Teenies ist groß, denn wer ist schon gern der oder die Unbeliebte, auf deren Kosten üble Scherze gemacht werden.
  • Gesundes Einschätzen der Situation von Seiten der Eltern. Handelt es sich um verbale Streiche á la Klotürgeschmiere oder um massive Angriffe auf die Persönlichkeit?
  • Bilden Sie eine Lobby mit Freunden ihres Kindes, mit Lehrern und mit anderen Eltern. In einigen Schulen gibt es beispielsweise bereits Gruppen, die sich gemeinschaftlich gegen die Bösartigkeiten im Internet stark machen und sich dagegen wehren. So wurden einige Kommentar-Sites zu Schulen auf isharegossip inzwischen von solchen Unmengen an Nichts sagenden Beiträgen überflutet, dass beleidigenden Sprüchen einfach kein Raum mehr gegeben wurde.
  • Natürlich sind auch die Polizeibehörden sensibler geworden, da sie um die Ernsthaftigkeit dieser Problematik wissen. Auch wenn die Suche nach den Tätern im anonymen Netz sich als extrem schwierig erweist, ist eine Anzeige durchaus sinnvoll. Da sich Cybermobbing-Täter ja durch Feigheit auszeichnen, ist die Tatsache der Strafverfolgung oftmals schon ein Schuss vor den Bug.
  • Experten sagen: Ein Rückzug aus sozialen Netzwerken oder Chatrooms sei eher kontraproduktiv. Schüler und Jugendliche müssten dort gegen Mobbing kämpfen, wo es passiert. Einige Plattformen haben Hinweis-Funktionen eingerichtet, durch die man die Betreiber auf beleidigende Äußerungen oder bösartige Kommentare aufmerksam machen kann.

 

Aufmerksamkeit und Wachsamkeit – das sollten sowohl Eltern als auch die Jugendlichen selbst immer walten lassen, wenn sie sich in die so genannten „sozialen“ Netzwelten begeben.

Wenn Sie Ihre Kinder dafür sensibilisieren, dass im Internet die gleichen Werte wie im realen Leben zu gelten haben, ebnen Sie den Weg für ein respektvolles Miteinander auch im virtuellen Bereich.