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Nachtschicht – die Vorteile nächtlicher Autofahrten mit Kindern

Kinder hätten am liebsten alle Reiseziele dicht bei einander – in einer Nacht um die ganze Welt. Leider funktioniert das im richtigen Leben nicht. Das nächste Urlaubsziel ist Autostunden entfernt. Was macht Mann da?

Seit unserem letzten Campingurlaub in Italien hat meine Tochter (7 Jahre) eine neue Art des Reisens für sich entdeckt. Da sie ursprünglich eine Berliner Göre ist, hatte sie mit Autofahren nie sonderlich viel zu tun und es dementsprechend auch nicht sehr geschätzt. Stattdessen liebte sie es, mit der U-Bahn zu fahren, im ICE zu sitzen oder zu fliegen. Inzwischen leben wir in einer kleineren Stadt, in der nicht alles vor Ort zu finden ist, sondern dezentral über einen größeren Radius verteilt liegt und daher nur mit dem Auto zu erreichen ist.

 

Nimmerland ist eben nur ein Traum

Autos begeistern Kinder nur mäßig. Wenn sie länger in der Sonne stehen, riechen sie nach abgestandener Luft und die Kleinen weigern sich, einzusteigen. Der Sitz ist heiß, der Gurt zwickt und die Eltern fahren nicht schnell genug los, damit man den kühlenden Fahrtwind durch das Fenster hinein lassen kann. Es ist zu eng, zu langweilig und vor allem: Es dauert zu lang. Nicht umsonst ist das Nimmerland Peter Pans eine Insel, wo alle klimatischen Zonen und damit verbundenen Abenteuer so dicht beieinanderliegen, dass man es an einem Abend mehrfach umrunden kann. Eine Art komprimiertes Neuseeland für Kinder also.
Da die Wirklichkeit anders aussieht, müssen sich Eltern, die Wert auf ihr Nervenkostüm und ihre geistige Gesundheit legen, etwas einfallen lassen. Meine Lösung klingt sehr einfach, bedarf aber einiges an Training und Vorbereitungen: Nachtfahrten.

 

Erfahrungen eines Nachtfahrers

Bei besagtem Campingurlaub sahen wir keine andere Möglichkeit. An einem strahlenden Sommertag 10 Stunden durch die glühende Hitze Italiens - deswegen wollten wir ja unter anderem hin - zu fahren, erschien uns nicht sonderlich verlockend. Also sind wir erst nach dem Abendessen aufgebrochen und über Nacht gefahren. Leider war unsere Planung nicht lückenlos und so haben wir einiges lernen müssen, nachdem wir diese Fahrt glücklicherweise unbeschadet und erfolgreich hinter uns gebracht haben.

 

  1. Polstern Sie die Rückbank unbedingt so aus, dass sich die Kinder bequem zur Seite legen können. Andernfalls können sie gar nicht oder nur so schlecht schlafen, dass sie währenddessen jammern und schreien – das macht einen wahnsinnig.
  2. Teilen Sie sich (falls Sie zu zweit sind) die Fahrzeiten unbedingt nach Kräften und nicht numerisch nach dem Gleichheitsprinzip ein. Hälfte-Hälfte ist hier nicht zwingend die beste Wahl. Wer nicht gern nachts fährt, sollte den Anfang machen und so lange fahren, wie er sich wohl fühlt.
  3. Irgendwann gibt es immer einen toten Punkt. Kommen Sie nicht auf die Idee, den Familientransporter im fortgeschrittenen Märtyrerstadium zu spielen. Niemand will das, niemand braucht das, niemand wird es Ihnen danken. Also machen Sie gefälligst Pausen.
  4. Halten Sie sich mit Hilfe des anderen wach. Es ist sicher nett gemeint, wenn Sie dem anderen unterwegs ermöglichen wollen, zu schlafen (siehe Punkt 3), aber Sie werden ihn brauchen: Zur Unterhaltung, zum Getränkereichen, zum nach den Kindern sehen.

 

Autofahren ist meist noch immer Männersache

Sollte bei Ihnen jetzt der Eindruck entstanden sein, diese vier Punkte seien insbesondere an Männer gerichtet, liegen Sie ganz richtig. Ich meine genau Sie, denn erfahrungsgemäß fühlen sich Männer dafür zuständig, die Familie in den Urlaub zu fahren. Das liegt nicht unbedingt daran, dass ihre Frauen es von ihnen einfordern. Stattdessen fahren sie
a)    gerne Auto
und beziehen einen Teil ihres Selbstbewusstseins daraus, dass sie
b)    hinterher, wenn es zu Streitigkeiten wegen mangelndem Zuständigkeitsgefühl und übermäßiger Faulheit seitens des Mannes kommt, sagen können, dass sie ja immer die wahnsinnigen Strapazen des stundenlangen Autofahrens auf sich nehmen.

Seit diesem Urlaub will meine Tochter übrigens nur noch über Nacht fahren, selbst wenn es sich dabei nur um eine zweistündige Fahrt zu den Großeltern handelt. Das ist natürlich übertrieben. Trotzdem haben wir festgestellt, dass sich auch Fahrten, die deutlich weniger als 10 Stunden dauern, eignen, um eine Nachtschicht einzulegen. Nehmen wir an, Sie wollen mit den Kindern von Stuttgart nach Berlin. Das sind knapp 6 Stunden. Wenn Sie die am Tag fahren, brauchen Sie entweder Mittagsschläfer oder Nerven wie Drahtseile plus einen ausgeklügelten Unterhaltungsplan. Oder Sie fahren nach dem Abendessen, kommen circa gegen 2 Uhr nachts an, legen die Kinder gleich ins Bett und nehmen selbst noch eine Mütze Schlaf. Der nächste Tag mag dann etwas zäh verlaufen, aber das bekommen Sie hin.

 

Nils Pickert, Jahrgang 1979, gebürtiger (Ost-)Berliner, lebt und arbeitet als freier Autor und Texter in Norddeutschland. Er ist passionierter Koch und Vater zweier Kinder.