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Kinder brauchen klare Grenzen

Ohne Grenzen geht es nicht, das ist uns allen klar. Die Schwierigkeit liegt darin, die richtige Mischung zu finden, bei der ein Kind einerseits genug Freiheit hat, um sich zu entwickeln und andererseits genug Grenzen, um Halt und Orientierung zu finden.

Wenn ein Kind geboren wird, dann ist es in erster Linie mit – scheinbar – egoistischen Bedürfnissen ausgestattet, die es am Leben halten. Mit steigender geistiger Entwicklung und Mobilität macht es sich auf, die Welt zu erkunden. Was es nicht mitbringt, sind moralische Vorstellungen, ein Weltbild oder eine fertige Sozialisation. Dies ist die Aufgabe der Eltern. Sie müssen dem Kind zum einen Grenzen für ein „zivilisiertes“ Miteinander aufzeigen, zum anderen dienen Grenzen und Regeln auch dazu, die Bedürfnisse anderer neben den eigenen wahrzunehmen. Liebe, Geduld und Konsequenz sind die Zutaten, mit denen Eltern ihrem Kind eine Orientierung in der Welt geben können. Ein ganz entscheidender Faktor dabei ist, dass Grenzen und Regeln von den Eltern auch vorgelebt werden müssen. Nur so können sie dem Kind glaubhaft vermittelt werden.

 

So viele Regeln wie nötig – so wenig Grenzen wie möglich

Einem Kind Grenzen zu vermitteln, heißt keineswegs, es der elterlichen Willkür auszuliefern. Ganz im Gegenteil, Eltern sollten die Grenzen, die sie setzen möchten, wohlüberlegen und sorgfältig darauf prüfen, ob die Einschränkungen auch für sie selbst gelten. Nichts verwirrt ein Kind mehr, als wenn mit zweierlei Maß gemessen wird. Darf Ihr Kind zum Beispiel niemals das Messer ablecken, Sie als Vater dagegen tun es, wird Ihr Kind diese Grenze schwerlich anerkennen können. Eltern sollten sich immer darüber im Klaren sein, ob sie eine einmal gesetzte Grenze auch verteidigen können. Im Zweifelsfall gilt, lieber etwas weniger Regeln und Grenzen und diese dann aber konsequent beibehalten. Nur so lernt das Kind wirklich, an seine Grenzen zu stoßen und sich daran weiter zu entwickeln. Wird eine Grenze durch Trotzanfälle oder Betteln immer wieder im Sinne des Kindes verschoben, ist es besser, sie ganz und gar zu streichen. Sonst geht der Lerneffekt nach hinten los.

Stößt ein Kind an zu viele Grenzen, wird es in seiner Entwicklung gehemmt. Die kindliche Entdeckerfreude, das Sich-Ausprobieren sind ganz entscheidende Schritte im Fortschritt des Kindes. Diese wichtigen Eigenschaften können durch zu strenge Regeln verkümmern.

Stolperfallen bei der Grenzabsteckung

Selbst wenn man sich ganz klar ist, wo die Grenzen liegen, gibt es einige Verhaltensweisen, die genau das Gegenteil von dem bewirken, was eigentlich bezweckt werden soll.

Fragen und Drängeln

Wenn Ihr Kind etwas tun soll, beziehungsweise gerade nicht tun soll, dann verpacken Sie die Aufforderung nicht in eine Frage oder in eine Bitte: „Findest du nicht auch, dass du jetzt ins Bett gehörst?“ wird wenig Effekt haben. „Ich möchte, dass Du jetzt ins Bett gehst, es ist schon spät!“ muss nicht unfreundlicher formuliert werden, ist aber viel klarer in der Aussage, da es dem Kind keinen Spielraum lässt.

Die Frageform wird oft verwendet, um Konflikte zu vermeiden, das Kind wird die Frage aber entweder nicht ernst nehmen oder sie mit einem klaren „Nein“ beantworten, was dann wiederum die Eltern vor ein Problem stellt.

Beiläufige Aufforderungen

Sind Kinder gerade mit irgendetwas beschäftigt, dann versinken sie ganz in der Gegenwart. Eine aus dem Nebenraum gerufene Aufforderung wird also meist gar nicht wahrgenommen, vor allem auch deshalb, weil der Blickkontakt fehlt. Wenn Ihr Kind etwas tun soll, stellen Sie Blickkontakt her und formulieren Sie dann Ihre Aufforderung.

Frühzeitiger Kontaktabbruch

Kinder brauchen nachhaltige Aufforderungen: „Räum bitte Deinen Teller ab!“ ist zwar eindeutig. Die Aufforderung wird allerdings verpuffen, wenn die Eltern sich gleich wieder abwenden. Der Teller wird später immer noch dort stehen. Die Botschaft kam beim Kind nicht wirklich an. Warten Sie, bis das Kind der Aufforderung nachkommt. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, auf Ihrer Forderung zu beharren. Vergessen Sie am Ende nicht, zu loben oder sich zu bedanken.

Schlichte Verbote statt klarer Handlungsanweisungen

Wenn man einem Kind sagt, was es nicht darf, dann hat man ihm damit noch keine Alternative angeboten. „Iss anständig!“ kann für ein Kind alles Mögliche bedeuten. Es weiß, dass es etwas falsch macht, hat aber keinen Hinweis, welche Handlung denn richtig wäre. „Iss mit dem Löffel statt mit den Händen!“ sagt dem Kind ganz deutlich, was von ihm erwartet wird. Dies ist eine klare Grenze mit eindeutiger Botschaft.

Das gleiche gilt für Warum-Fragen der Eltern. Statt das Kind zu fragen, ist es effektiver, ihm die richtige Verhaltensweise anzubieten: Statt „Warum hast du das gemacht?“ also lieber „Bring das wieder in Ordnung!“.

Aufforderungen ohne Vorwarnung

Kinder sind in ihren Reaktionen oft zeitverzögert, da sie meist sehr vertieft in das sind, was sie gerade tun. „Komm jetzt zum Essen!“ ist eine Aufforderung, die Kinder oft nicht befolgen, einfach deshalb, weil sie noch mit etwas wichtigem beschäftigt sind. Besser ist: „Wenn du das zu Ende gespielt hast, dann essen wir“. Bei älteren Kindern kann auch eine Zeitangabe eingebaut werden.

Auch unrealistische Strafen, bei denen sowohl Eltern als auchKinder von vornherein wissen, dass sie niemals eingefordert werden, sind eher kontraproduktiv. Prinzipiell sollten Eltern das Gute verstärken, nicht so sehr auf Fehlern der Kinder herumhacken, aber einmal gesetzte Grenzen konsequent einfordern. Klare Regeln und Vereinbarungen und ehrliches Lob sind die Grundlagen dafür, dass Kinder Grenzen lernen und gut vorbereitet in den Kontakt mit anderen Menschen treten.