Im Mutterleib sind Kinder nie allein und auch in den ersten Lebensmonaten fühlen sich Babys am wohlsten, wenn sie nahe bei Vater oder Mutter sind. Mit steigendem Lebensalter kommt es jedoch zu einer Ablösung. Irgendwann stellt sich die Frage: Wie viel Privatsphäre braucht ein Kind in welchem Alter?
Wie viel Privatsphäre braucht mein Kind?
Wie immer lautet die generelle Antwort: Das kommt darauf an. Jedes Kind ist anders und während das eine mit drei Jahren schon sehr gerne alleine im Kinderzimmer spielt, hält sich das andere immer noch am liebsten ganz dicht bei Mama auf. Der beste Rat ist: Folgen Sie den Bedürfnissen Ihres Kindes und benutzen Sie gleichzeitig den gesunden Menschenverstand.
Was heißt eigentlich Privatsphäre?
Wir alle haben unsere Geheimnisse, einen Bereich, bei dem wir selbst entscheiden wollen, wen wir daran teilhaben lassen. Auch Kinder haben dieses Recht und zwar von klein auf. Sie müssen sich abgrenzen und auch mal die Tür hinter sich zumachen können. Und dann müssen auch die Eltern draußen bleiben. Allerdings hört die Privatsphäre an der Zimmertür noch längst nicht auch. Sie umfasst auch die körperliche Intimität bei größeren Kindern, die Auswahl der Kleidung und der Freunde. Sie brauchen Freizeit und Freiraum – Zeiträume also, in denen sie ganz ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen können, ohne dass die Eltern irgendwelche Anforderungen stellen, wie etwa: Mach Deine Hausaufgaben, räum den Tisch ab, bring den Müll raus. Für Eltern ist es oft nicht leicht, hier das richtige Maß zu finden. Denn wenn ein Kind zu viel Privatsphäre hat, droht es zu entgleiten und den Kontakt zu den Eltern und zur Familie zu verlieren.
Wie viel Privatsphäre ist angemessen?
Solange die Kinder klein sind, teilen sie meist gern alle Geheimnisse mit den Eltern. Meist beginnt mit der Schulzeit der Ablösungsprozess: Die Kinder machen nun viele Dinge ohne die Eltern, haben neue Freunde und sind auch einmal allein in der Stadt oder auf dem Spielplatz unterwegs. Sie mögen nun nicht mehr alles teilen. Je älter die Kinder werden, desto mehr behalten sie für sich und als Elternteil kann man sich schon mal ganz schön ausgeschlossen fühlen. Trotz allem müssen Sie die Privatsphäre Ihres Kindes jetzt respektieren, denn damit respektieren Sie auch Ihr Kind.
Allerdings gibt es hier Grenzen: Wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas nicht in Ordnung ist, Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind etwas ungesetzliches tut oder etwas, was ihm schadet, dann müssen Sie eingreifen – allerdings nicht mit der Holzhammermethode. Bevor Sie das Kinderzimmer oder die Taschen Ihres Kindes durchforsten, sollten Sie das Gespräch suchen. Teilen Sie Ihrem Kind Ihre Besorgnis mit und begründen Sie diese mit realen Beobachtungen. Erst wenn Sie hier auf Ablehnung stoßen und die Verdachtsmomente sich erhärten, dürfen Sie handeln.
Kinderrechte
Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre in allen Lebensbereichen. Das ist vielen Eltern nicht klar. Diese Rechte sind sogar schriftlich in der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten. Die Aufsichts- und Sorgfaltspflicht müssen Sie als Eltern natürlich trotzdem wahren.
Kinder haben das Recht, sich zurückzuziehen. Allerdings ist das Kinderzimmer für Eltern nicht tabu. Gibt es echte Gründe für die Vermutung, dass Ihr Kind Unsinn treibt oder etwas passiert ist, haben Sie das Recht nachzuschauen.
Auch für Kinder gilt das Briefgeheimnis. Sie sollten das respektieren und die Post Ihres Kindes ungeöffnet übergeben. Dies gilt natürlich auch für den Email-Verkehr.
Taschen, Schulranzen und Schubladen gehören ebenfalls zur Privatsphäre des Kindes. Allerdings dürfen Eltern nachsehen, wenn der Verdacht besteht, dass Kinder etwas gestohlen haben oder Drogen nehmen.
Je älter ein Kind wird, desto wichtiger wird die freie Meinungsäußerung. Eltern müssen die Meinung des Kindes akzeptieren, aber nicht unbedingt damit einverstanden sein. Dies gilt vor allem dann, wenn das Kind schlecht oder beleidigend über jemanden redet.
Grenzen der Privatsphäre
Irgendwann wollen Kinder ihre Eltern „draußen“ haben. Schilder mit der Aufschrift „Elternfreie Zone“ oder „Eltern müssen draußen bleiben“ hängen zeitweise an fast jeder Kinderzimmertür und das ist auch in Ordnung so. Allerdings können und sollten Eltern die Wahrung der Intimsphäre des Kindes, bzw. Teenagers an bestimmte Bedingungen knüpfen. Dazu gehört zum Beispiel, dass das Zimmer wenigstens einigermaßen aufgeräumt sein muss, keine Teller, Tassen und Essensreste liegenbleiben und schmutzige Kleidung zur Waschmaschine gebracht wird. Solange das Kind sich an die aufgestellten Regeln hält, haben Eltern keinen Grund, die Privatsphäre des Kindes zu stören.
Ein leidiges Thema sind oft abgeschlossene Türen. Wenn ein Kind seine Zimmertür abschließt und das über Stunden und auch Gespräche nichts nützen, können Eltern nicht viel tun, außer den Zimmerschlüssel einzuziehen. Auch das sollte allerdings nur stattfinden, wenn es echte Anzeichen dafür gibt, dass das Kind im Zimmer Unsinn macht und wenn aufgestellte Regeln nicht eingehalten werden. Dabei kann es auch um die Lautstärke von Musik und um die Schlafenszeiten gehen. Kindern oder Jugendlichen, die sich verantwortungsbewusst verhalten und aufgestellte Regeln und Grenzen akzeptieren, können durchaus auch erweiterte Privilegien zugestanden werden, so zum Beispiel eben das Recht, die Zimmertür zu verschließen. Allerdings gibt es hier eine Altersuntergrenze, schon einmal aus Sicherheitsgründen. Bei Kindern unter zehn sollte der Kinderzimmerschlüssel einfach nicht verfügbar sein. Denn zum einen besteht die Gefahr, dass die Kinder die Tür nicht mehr öffnen können, zum anderen brauchen Kinder in diesem Alter manchmal noch schnelle Hilfe, zum Beispiel bei einem Sturz vom Hochbett oder bei einem starken Hustenanfall. Darüber hinaus hat die Privatsphäre auch ihre Grenzen. Für jüngere Kinder ist es ausreichend – und sollte immer gestattet sein – die Zimmertüre zuzumachen und den Eltern auch einmal zu signalisieren: Ich will meine Ruhe haben.
Grundsätzlich sollten sich Eltern darüber im Klaren sein, dass ihr Kind eine eigenständige Persönlichkeit mit allen Rechten und Pflichten ist. Altersgerecht angepasst sollte also ein Maß an Privatsphäre gewährt werden. Respekt vor der Privatsphäre signalisiert dem Kind immer auch Respekt vor seiner Person und führt dazu, dass der Kontakt zwischen Eltern und Kind aufrechterhalten wird.