Baby Fötus

Verliebt in einen Alien – Vorfreude auf das neue Baby

Wenn sich ein Baby ankündigt, bringt das die gesamte Familie in Aufregung. Große Geschwister begreifen häufig erst dann, was passiert, wenn sie einen echten Zugang zum Baby erhalten. Zum Beispiel, indem sie das Baby beim Frauenarzt im Ultraschall sehen dürfen. Aber dann ist es oft Liebe auf den ersten Blick …

Zu Beginn möchte ich mich einmal kurz vorstellen. Ich bin verheiratet, Vater zweier Kinder und meine Frau und ich erwarten unser drittes. Wir leben in einem kleinen Städtchen am Rande des Ruhrgebiets, in einem Reihenhaus mit Garten und direktem Zugang zu den Feldern, die hinter dem Garten liegen. Man könnte es idyllisch nennen und meistens ist es das auch – wenn nicht gerade wieder einmal ein welttragendes Ereignis zu einer Krise globalen Ausmaßes führen würde. Zum Beispiel die Lieblingsmurmel unseres Sohnes (5 Jahre) die wieder einmal in den Untiefen seines Zimmers verschwunden ist. Oder der Schwarm unserer Tochter (8 Jahre) der ihr in der Schule nicht die Aufmerksamkeit schenkt, die sie sich wünschen würde (sehr zu meiner Freude als Vater).

 

Babyfernsehen mit Anlaufschwierigkeiten

Letzten Dienstag war einer dieser Tage. Ich hatte mir auf der Arbeit früher freigenommen, um gemeinsam mit den Kindern meine Frau zur Frauenärztin begleiten zu können. Heute sollten die Kinder zum ersten Mal einen Blick auf ihr baldiges Geschwisterchen werfen können. Meine Tochter war ganz aufgeregt, mein Sohn wusste offenbar noch nicht so recht, ob er aufgeregt oder gelangweilt sein sollte. Auf jeden Fall war es ärgerlich, dass er seine Lieblingsfolge im Fernsehen erst nach dem Besuch beim Frauenarzt sehen durfte. Das allein reichte schon aus, um die Laune meines Sohnes um ein paar Prozentpunkte weiter abzusenken. Dass er außerdem das Kinderbuch, welches er sich im Wartezimmer ansehen wollte, nicht sofort gefunden hat, brachte die Stimmung nahe an den Tiefpunkt. Aber dieses Problem lies sich zum Glück relativ einfach lösen – das Buch war schnell gefunden und die Aufnahmefunktion des Receivers rettete mich vor längeren Diskussionen bzgl. der heißgeliebten Fernsehserie, in der eine kleine Biene mit ihrem Freund Willi allerlei Abenteuer auf der grünen Wiese erlebt. Was allerdings nicht ganz so einfach war, war die Beantwortung der Frage, was meine Tochter, die ja eigentlich ganz aufgeregt war, die ganze Zeit beschäftigte. Die Fahrt zur Frauenärztin dauerte rund zehn Minuten – Zeit in der meine Tochter nur schweigend aus dem Fenster starrte und den üblichen Redeschwall ihres Bruders über sich ergehen ließ. Natürlich nicht ohne zwischendurch mal mit „mmmhhh“ oder „aha“ zu antworten, um ihm zumindest das Gefühl zu geben, sie würde zuhören. 

 

Ein Wartezimmer-Dialog der besonderen Art

Nachdem wir angekommen waren, einen Parkplatz gefunden hatten und von der netten Damen in der Eingangszone der Praxis ins Wartezimmer komplimentiert worden waren, hatte ich einen Moment Zeit, mich etwas näher mit der Gemütsverfassung meiner Tochter zu befassen. Sie hatte sich in die hinterste Ecke des Wartezimmers verkrochen und das Starren aus dem Fenster gegen das Starren auf ihr Handy eingetauscht. Wobei mir nicht ganz klar war, worauf sie da starte, denn die Nutzung der mobilen Daten am Handy sind deaktiviert (entweder hat sie wirklich noch nicht heraus, wie man diese wieder einschaltet, oder sie ist rücksichtsvoll genug ihren alten Herrn das Gegenteil nicht wissen zu lassen). Also zog ich mein Handy heraus, schaltete den mobilen Hot Spot ein, mit dem ihr Handy sich dann automatisch verband, und schrieb ihr eine WhatsApp Nachricht:

„Na Kleines? Was schaust Du Dir da auf Deinem Handy an?“

Verwirrt blickte Sie auf und schaute zu mir rüber. Auf mein lächelndes Augenzwinkern hin huschte auch über ihr Gesicht ein kurzes Lächeln. Dann schrieb Sie zurück:

„Ein Foto von Lars.“
„Lars wer?“, kam meine Antwort mit einem entsetzten Smiley, dass ihr ein noch breiteres Lächeln entlockte.
„Lars aus meiner Klasse. Der ist voll doof.“
„Und warum schaust Du Dir dann sein Fotos an?“
„Er hat überall rumerzählt, dass er in mich verliebt ist. Und wenn ich jetzt mit ihm spielen will, dann lässt er mich einfach links liegen. Was will der denn nun?“
„Hmm … das ist ein typisches Männerproblem. Wir wissen alle nicht so recht, was wir wollen. Das Gute daran: Du hast noch ein paar Jahre Zeit herauszufinden, wie man damit am besten umgeht, bevor Du Dich ernsthaft darum kümmern musst, einen anderen Kerl als deinen Papa und deinen Bruder zu ertragen.“
„Vielleicht hast Du Recht, Papa.“, tippte sie in ihr Handy und seufzte dabei.
„Eine meiner besseren Eigenschaften.“, antwortete ich mich einem zwinkernden Smiley.
„So wie Deine Bescheidenheit?“, kam die schlagfertige Antwort mit einem lachenden Smiley zurück. In solchen Momenten bin ich mir nie sicher, ob ich jetzt stolz auf sie sein soll, oder mich fragen muss ob wir irgendetwas falsch gemacht haben. Egal, ich fands witzig und schickte ihr einen Kussmund zurück. Gefolgt von einem:
„Lass uns jetzt gleich erstmal in Ruhe Dein neues Geschwisterchen betrachten und heute Abend sprechen wir bei einem großen Eis nochmal über Lars.“
Sie schaute wieder hoch, grinste und nickte mir zu. Kurz danach wurden wir auch schon aufgerufen.

 

Wie ein kleines Alien

Meine Frau und ich waren uns nicht ganz sicher, wie die beiden reagieren würden, wenn sie das erste Mal ihr Geschwisterchen zu Gesicht bekämen. Als unser Sohn auf dem Weg war, war seine große Schwester noch keine drei Jahre – zwar hatte sie uns damals auch gelegentlich zur Ärztin begleitet, ihr Interesse hielt sich aber in Grenzen. Jetzt starrten beide im Dunklen des Behandlungszimmers angestrengt auf den Fernseher, an dem das Ultraschallbild zu sehen war. Gebannt verfolgten sie, wie die Ärztin den Kopfumfang und die Länge der Knochen ausmaß. Ganz leise murmelte mein Sohn: „Das sieht aus, wie ein kleines Alien.“ Als die Frauenärztin dann auf 4D-Bilder umschaltete, und man auch so etwas wie Haut und eine kleine Stupsnase auf den Bildern erkennen konnte, war es endgültig um unsere beiden geschehen und wir hatten den ganzen Abend eigentlich kein anderes Thema mehr, als das Baby und was wir noch alles erledigen wollten und mussten, bis es endlich soweit sein würde. Selbst beim versprochenen Eis essen blieben wir bei diesem Thema. Mein Sohn war sogar so fasziniert, dass er den Fernseher vergaß – was leider nur sehr selten vorkommt.

Endlich war es Zeit, die beiden ins Bett zu bringen. Wie immer wurden Geschichten vorgelesen, Nachtlichter eingeschaltet und Abendrituale, die schon seit kleinster Kindheit durchgezogen wurden, abgehalten. Dann saß ich einfach nur noch bei meiner Tochter am Bett und strich ihr leicht über das lange blonde Haar. Leise fragte ich sie, die schon langsam dabei war, wegzudösen:

„Und, möchtest Du jetzt noch über Lars sprechen?“
„Lars ist mir egal“, murmelte sie verschlafen. „Ich habe mich in unser kleines Alien verliebt.“