Freunde sind wichtig. Das wissen wir alle nicht nur aus unserer eigenen Teenagerzeit, sondern auch, wenn wir die Gegenwart betrachten. Im Laufe der Zeit lernt man, zwischen aufrichtigen und weniger aufrichtigen Menschen zu unterscheiden. Oft reduziert sich der Freundeskreis auch in den Jahren, übrig bleiben nur die, die einem lieb und teuer sind. Doch bei Kindern, und ganz besonders bei Jugendlichen, ist das anders. Der Freundeskreis ist groß und wechselt häufiger. Problematisch wird es immer dann, wenn Ihnen die Freunde Ihres Kindes suspekt sind. Konflikte sind dann fast vorprogrammiert.
Der falsche Umgang: wenn mir die Freunde meines Kindes suspekt sind.
Wie schön ist das, wenn das Kind nachhause kommt, einen Freund oder eine Freundin mitbringt und die Eltern so begeistert sind, dass sie leuchtende Augen bekommen und über eine Adoption nachdenken. Das ist natürlich überspitzt, aber im Kern ist doch etwas dran. Eltern freuen sich darüber, wenn die Freunde des Kindes nett und höflich sind, sich offenkundig wohlfühlen und – auch wenn es abgedroschen klingen mag: positiven Einfluss auf unsere Kinder haben. Da kocht man auch gern schon einmal für ein Kind mehr oder lädt den Kumpel oder die Freundin gleich mit in den Wagen ein, wenn es zum Ausflug geht. Heile Welt, alles in bester Ordnung. Doch wenn der Nachwuchs mit Freunden nachhause kommt, die so gar nicht in das elterliche Bild des guten Freundes passen, wird die Sache schwieriger
Was ist das denn für einer?
Da kommt er rein, gemeinsam mit meinem Sohn. Der neue Kumpel. Noch tiefer als die Mütze, die er tief ins Gesicht gezogen hat, sitzt seine Jeanshose, die scheinbar auf dem Boden zu schleifen scheint. Mir gefällt der Kerl nicht. Er sieht mich nicht an, grüßt knapp und nuschelnd und wirkt, als hätte er etwas eingeworfen. Das soll also der neue Kumpel meines Sohnes sein? Bitte nicht! Ich erinnere mich an Ben, an Hendrik, an Marlet und an Paul, alles wunderbare Jungs. Aber der hier? Ich habe mir immer etwas drauf eingebildet, ohne Vorurteile durch das Leben zu gehen und zunächst einmal allen Menschen gegenüber offen zu sein. All das bricht gerade wie ein Kartenhaus zusammen und ich denke: Was ist denn das für einer?
Was tun oder besser: was nicht tun?
Der erste Eindruck ist meistens entscheidend bei der Frage, ob wir einen Menschen sympathisch finden oder nicht. In meinem Fall war der erste Eindruck geradezu niederschmetternd. Aber was sollte ich tun? Ich konnte ja schlecht zu meinem Sohn sagen, dass er die Finger von diesem komischen Typen lassen soll, dass er ein schlechter Umgang für ihn ist und ganz sicher nur negativ auf die weitere Entwicklung meines Sohnes wirken kann. Andererseits: einfach die Klappe halten erschien mir auch nicht die beste Lösung. Ich entschied mich für einen Mittelweg:
- Erst einmal wollte ich den neuen Kumpel nicht nach seinen Äußerlichkeiten bewerten. Das sollte sich nicht nur auf die Kleidung beziehen, mit der ich wenig anfangen konnte. Sondern auch auf das Auftreten. Vielleicht war er im Prinzip ein netter Kerl, konnte seinen Charme aber einfach nicht zeigen.
- Außerdem wollte ich aufhören zu interpretieren. Mein Gedanke, der Junge könnte etwas eingenommen haben, war alles andere als fair. Also weg mit den Vorverurteilungen!
- Es ging um meinen Sohn. Also lag es nahe, erst zu schauen, ob und wie sich der neue Kumpel auf meinen Sohn auswirkt. Solange ich nichts Negatives feststellen konnte, war es womöglich alles ganz anders und gar nicht so schlimm, wie ich als Vater annahm.
Getäuscht oder nicht getäuscht
Es zeigte sich, dass ich leider nicht falsch gelegen hatte. Der neue Freund meines Sohnes war tatsächlich kein guter Einfluss. Mein Sohn begann, die Schule zu vernachlässigen, hielt sich nicht mehr an Absprachen und veränderte seinen Umgangston in einer Art und Weise, die mir überhaupt nicht gefiel. Es kam, wie es kommen musste. Irgendwann gab es wegen einer Kleinigkeit einen großen Streit, die zunächst laut, dann immer leise wurde und zum Schluss in einem Gespräch über die Entwicklung der letzten Wochen mündete. Nun äußerte ich meine Bedenken über den neuen Kumpel und sagte, was ich von ihm hielt. Ich sagte meinem Sohn auch, dass ich trotzdem nicht vorhabe, ihm den Umgang mit seinem Freund zu verbieten. Es sei seine Entscheidung, mit wem er verkehre. Allerdings sei es nicht seine Entscheidung, einen geringschätzigen Umgangston zu pflegen. Und wenn wir Absprachen getroffen haben, dann hatten diese auch weiterhin zu gelten. Sollte das nicht funktionieren, würden wir demnächst ein weiteres Mal über seinen neuen Kumpel sprechen müssen.
Beim nächsten Mal ist alles anders
Das Problem erübrigte sich von selbst. Es dauerte nicht lange und mein Sohn stellte fest, dass sein neuer Kumpel einen Hang zur Unpünktlichkeit hatte. Er kam nicht etwa 10 oder 20 Minuten zu spät. Er kam gleich 3 Stunden zu spät. Außerdem mochte er keine Musik, das Lebenselixier meines Sohnes. Ein paar Wochen später war der neue Freund von der Bildfläche verschwunden, das Thema war erledigt. Und dann stand ein ähnliches Exemplar vor der Tür. Wieder so einer, der mich kaum ansah, scheinbar abwesend wirkte und mich stark an seinen Vorgänger erinnerte. Mit einem Unterschied: Die beiden sind inzwischen seit 2 Jahren die besten Freunde. Und ich denke endlich einmal wieder über Adoption nach.