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Vom Martin, dem Heiligen, und den unheiligen Auswirkungen

Die Bedeutung von St. Martin kann im Rheinland kaum überschätzt werden, wie Andreas Clevert gelernt hat. Und dessen Botschaft ist aktueller denn je. Kinder verstehen sie gut, aber die Umsetzung klappt nicht immer …

Ich bin, glaube ich, im Rheinland endlich angekommen. Habe gelernt, dass eigentlich Sankt Martin der Stellvertreter Gottes auf Erden (bzw. im Rheinland) ist, dessen Wichtigkeit gar nicht übertrieben werden kann. Dass ein rheinländisches ‚Martinsfeuer‘ in Kindergarten oder Schule andernorts als Großbrand eingestuft werden würde mit dem Anforderungsprofil: Bitte mit nicht weniger als drei Löschzügen vorfahren. Habe mich terminologisch eingefunden und nicke routiniert, wenn wieder einmal das immens wichtige Vorhandensein von Fackelstöcken in der Kita abgefragt wird. Beteilige mich mit Expertenwissen daran, welche Art von Kerzen, Ummantelung etc. am ehesten geeignet ist, das Lichtlein trotz der nachweislich bei unserem Martinsumzug immer geöffneten Schleusen des Himmels wohlfeil weiterbrennen zu lassen. Unter uns Nicht-Rheinländern: Verlorene Liebesmüh. Aber das darf man hier nicht laut sagen.

Andere Länder, andere Sitten. Take it easy.

Bei meinen häuslichen Zähmungsversuchen der wilden Tiere (vulgo: Erziehung der drei Kinder) versuche ich, meine Martinskenntnisse gewinnbringend einzusetzen. Wir schießen aber oft noch über das Ziel hinaus.


Die Botschaft von St. Martin – und die Urinstinkte dreier Jungs

Letzthin, abendliche Vorlesungsrunde aus dem neuen St.Martin-Buch. Liebevoll gestaltet, in schönen Worten gesetzt, wie egoistisch die anderen Menschen ihren Besitz zusammenhalten, nur dieser römische Soldat beim Bettler hält. Und seinen Mantel teilt. Sharing is caring. Eifriges Nicken der Kinderschar. Wohlige Wärme steigt in mir auf ob dieser glänzenden Kinderaugen. An dieser Stelle wäre es nun angebracht, den Beitrag mit einem schönen Stimmungsbild ausklingen zu lassen, etwa: Und sanft strich ich den müden Jungs über das Haar, löschte das Licht und sagte noch: Gute Nacht, liebe Kinder, auf dass der Heilige Martin Euch durch die Dunkelheit begleite.

Die Wirklichkeit war leider anders. Weil das Buch so schön gestaltet war, weckte es den Urinstinkt des Habenwollens über Gebühr. Die Gruppendynamik dreier Jungs tat das Übrige: „Meins…! Aber ich will…! Du hast doch schon, jetzt bin aber ich dran…!!“ Tja, was soll ich sagen, am Ende des Martinsliedes war nicht nur der Mantel ge-, sondern auch das Buch zerteilt.

St. Martin, hilf uns doch in unserer Not!

 

zum Autor:
Andreas Clevert, Jahrgang 1970, ursprünglich aus Esslingen stammend, lebt mit seiner spanischen Frau und seinen drei Jungs/Söhnen  (*2008, *2010 und *2013) in Bonn. Mehr von seinen Erlebnissen lesen Sie unter www.vaterdasein.wordpress.com