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Zwei Männer und ein Baby – die Geschichte eines schwulen Väterpaares

Es ist noch immer ungewöhnlich: zwei Männer mit Kind. Aber viele schwule Paare haben den Wunsch nach eigenen Kindern und machen ihn auch wahr. Wie die Umwelt darauf reagiert und welche Schwierigkeiten sie überwinden mussten, berichten Michael und Roland* im Gespräch mit Vaterfreuden.de.  

Michael war 25, als er Sandra* kennenlernte. Sie war zwei Jahre jünger, blond und der Typ Frau, den er sich immer an seiner Seite vorgestellt hatte. Sie trafen sich auf einem Gartenfest bei Freunden, die gerade ein Haus gekauft hatten. Man kam ins Gespräch, mochte sich und schnell war klar, dass auch die Träume und Wünsche für das eigene Leben weitgehend übereinstimmten. Darin ging es um ein eigenes Häuschen im Grünen und Kinder. Kaum ein viertel Jahr später zog Michael bei Sandra ein.

 

Irgendetwas stimmt nicht

Alles schien perfekt. Sandra und Michael waren ein Traumpaar – zumindest nach außen. Doch während die Freunde schon nach Hochzeitsterminen fragten oder überlegten, welches Zimmer denn das Kinderzimmer werden sollte, merkte Michael, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Er mochte Sandra, keine Frage. Wahrscheinlich liebte er sie auch als Mensch, aber er begehrte sie nicht als Frau - zumindest nicht mehr. Und wenn er es sich recht überlegte, konnte er auch nicht sagen, ob er es jemals getan hatte.  Es dauerte eine Weile, bis er sich eingestehen konnte, dass er nicht in Sandra verliebt war, aber in ein Bild, in einen Traum den sie, den ihr gemeinsames Leben verkörperte. „Ich habe mich wohl immer nach einer „normalen“ Ehe, nach einem „normalen“ Familienleben gesehnt“, sagt Michael. „Deshalb konnte ich mir nicht eingestehen, dass ich im Grunde gar nichts für Frauen empfand. Ich war schwul - ohne es zu wissen.“ Die Gefühle, die er gegenüber Frauen hatte, empfand er lange als normal. „Woher soll man wissen, dass das, was man für Frauen empfindet, nicht so ist, wie das, was heterosexuelle Männer für Frauen empfinden, wenn einem der Vergleich fehlt?“ Seine Freunde sprachen schließlich häufig auch beiläufig und belanglos von ihren Freundinnen und Frauen, ganz so, wie auch Michael für Sandra fühlte.

 

Die Illusion zerbricht

Es war in einem Kroatienurlaub 2005 als Michael Roland begegnete. „Es erwischte mich völlig unerwartet, aber ich wusste, ich war verliebt. Und ich wusste, dass Roland auch schwul war, denn er war dort mit seinem Freund.“ Noch bevor Michael sich gegenüber Roland erklärte, gestand er Sandra seine Gefühle. „Es war hart. Sie stand tränenüberströmt im Hotelzimmer, packte ihren Koffer, beschimpfte mich und ging noch am selben Abend. Es hat drei Jahre gedauert, bis wir wieder einmal miteinander gesprochen haben. Es tat mir unendlich leid und ich habe mich schuldig gefühlt. Immerhin habe ich ihr fast drei Jahre lang den Eindruck vermittelt, dass ich mit ihr alt werden wollte.“ Doch dem Schock folgte das Glück, denn auch Roland hatte ein Auge auf Michael geworfen. So folgte die Trennung von Roland und seinem Freund und den Rest des Urlaubs verbrachten die beiden Männer zusammen. „Es schien alles perfekt“, erklärt Michael. „Natürlich waren manche Freunde irritiert und Sandras Freunde rückten von mir ab, aber die Freude darüber, endlich meine Sexualität wirklich entdeckt zu haben, hat in der Zeit vieles überdeckt.“

 

Der Traum vom Kind blieb

„Aber der Traum von Familie, der blieb“, sagt Michael. „Das war natürlich jetzt nicht mehr so einfach.“ Auch traute er sich nicht, gleich mit Roland darüber zu sprechen. „Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis ich einmal mit ihm darüber sprechen konnte.“ Aber zu Michaels Erstaunen war Roland der Idee eines gemeinsamen Kindes gegenüber durchaus aufgeschlossen. „Ich war mir dessen wahrscheinlich vorher nicht so bewusst wie Michael, aber auch ich hatte den Wunsch, einmal ein Kind zu haben.“ So informierten sich die beiden, wie sie ihren Kinderwunsch umsetzen konnten. Adoption oder ein Pflegekind kam nicht in Frage. „Es war schon unser Wunsch, dass einer von uns der leibliche Vater ist“, sagt Michael. Nach reiflichen Überlegungen wandten sie sich an ein lesbisches Paar aus ihrem Bekanntenkreis, Susanne und Birgit* und tatsächlich war Susanne bereit, als „Leihmutter“ zu fungieren. Auch sie wünschte sich ein Kind mit Birgit und so kam man überein, das Kind zu viert aufzuziehen. Allerdings sollte es, nachdem die Phase des Stillens vorbei war, hauptsächlich bei Michael und Roland leben, da beide Männer beruflich mehr Freiraum für die Erziehung hatten. Susanne und Birgit würden regelmäßig kommen und auch in den Urlaub wolle man gemeinsam fahren. 

 

Eine vielköpfige Familie

Am 09. September 2008 wurde Josephine geboren. Sie ist biologisch das Kind von Michael und Susanne, „aber alle vier fühlen sich heute irgendwie als Eltern, wie Roland sagt. Ob sie sich Sorgen machen, wie Josephine mit der Situation umgehen wird? „Irgendwo schon, klar“, sagt Michael. „Sie hat immerhin acht Großeltern“. Roland lacht. „Natürlich fragt man sich, wie das jetzt ab Herbst im Kindergarten aufgenommen wird und wie es für sie in der Schule wird. Aber ich denke, das Wichtigste ist, dass wir ihr viel Liebe mitgeben und sie unterstützen, wo wir können. „Und Roland ergänzt: „Es gibt so viele Kinder aus heterosexuellen Familien, die unter schwersten Bedingungen aufwachsen, weil die Eltern trinken oder drogenabhängig sind oder was auch immer. Josephine wächst hier in einem sehr gesunden und liebevollen Umfeld auf und ich denke, dass wir ihr das beizeiten schon vermitteln können, dass sie eben zwei Väter und zwei Mütter hat.“

 

Der Plan, sich zu viert um das Kind zu kümmern, funktioniert bislang ohne Probleme. Susanne und Birgit kommen so oft es geht, aber mindestens drei Tage die Woche und auch die ersten beiden Urlaube hat man gemeinsam verbracht. „In diesem Jahr haben wir gemeinsam ein Haus in der Provence gemietet. Extra mit Kinderschwimmbecken für Josephine“, sagt Michael. „Und obwohl man viel gemeinsam unternehmen möchte, haben alle ihren eigenen Bereich. An einem Tag nehmen Susanne und Birgit Josephine mit, am anderen gehen dann wir mit ihr an den Strand“, sagt Roland. Und so wie er es sagt, glaubt man ihm, dass es immer so weitergehen könnte.  

 

*Namen von der Redaktion geändert