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Die online Scheidung – was dafür und was dagegen spricht

Immer mehr Ehepaare, die sich trennen, überlegen, ihre Scheidung über das Internet durchzuführen. Was sind jedoch die Vorteile, was die Nachteile einer Online-Scheidung? Für welche Fälle ist eine Scheidung über das Internet denkbar, für welche Paare ist sie nicht geeignet? Welche Kosten können gespart werden?

Mehrfach, von potentiellen Mandanten und von Suchportalbetreibern, wurde ich gebeten, mich zu dem Thema der Scheidung via Internet zu äußern.

Was für den Einen gut und richtig sein mag, muss nicht für den Anderen passen. So auch im Hinblick auf den Sinn oder den Unsinn, einen so wichtigen Vorgang wie eine Scheidung nur mit einem Mausklick erledigen zu können oder zu wollen. Das Wichtigste Argument gegen eine online Scheidung also vorweg: Sie eignet sich nicht für eine streitige Scheidung und die Lösung schwelender Konflikte.

Zunächst habe ich ganz instinktiv angenommen, die online Scheidung sei ziemlich unsinnig, schließlich wolle der Mandant ja seinen Anwalt kennen. So gab es mir zumindest meine in über 30 Jahren gewonnene Berufserfahrung vor, denn früher ist ja auch niemand auf die Idee gekommen, nur auf dem Postwege seine Scheidung einzufädeln…

Selbstverständlich bot ich und bieten wir auf unserer Homepage die online Scheidung an, ein Formular ist auszufüllen, eine Vollmacht zu unterschreiben, versenden und das wär’s dann schon – fast! Aber ist dies wirklich das Richtige für eine Scheidung? Ich war nicht überzeugt.

 

Ein Kind der Zeit, aber nicht für jeden geeignet

Aber ich habe überlegt: Sie sind der Mandant, der Kunde, Sie sind daher derjenige, der entscheidet, welches Produkt er “kaufen“ will. Unsere Verbrauchsgewohnheiten haben sich drastisch geändert, mit ihnen die Kommunikation und damit halt auch das Mandatsverhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten. Warum also nicht online agieren? In vielen Fällen ist die Interessenlage unkompliziert, eine junge Ehe, vielleicht sogar aus einer Laune heraus, beide Eheleute sind bestrebt, diesen Fehler, wie sie es jetzt sehen, ohne viel Aufhebens zu korrigieren. Oder das ältere Ehepaar hat sich auseinander gelebt, die Kinder sind aus dem Haus, ein Streit über das Vermögen muss nicht geführt werden, warum also nicht geräuschlos und ohne Aufhebens den Status des Verheiratetseins beenden, vielleicht auch um sich so neuen Partnern zuwenden zu können. Aus der Sicht dieser Gruppe von Scheidungswilligen bleibt es relativ egal, welchen der vielen Anwälte, die sich im Internet anbieten, sie wählen. Die Scheidung wird zum Produkt, welches scheinbar jeder Rechtsanwalt anbietet.

 

Trotz online-Scheidung - zum Gerichtstermin müssen Sie erscheinen

Täuschen Sie sich übrigens nicht, so ganz online geht die Sache nicht! Sie können zwar per E-Mail Ihre Daten übermitteln und Ihre Heiratsurkunde scannen, zusammen mit der Vollmacht übermitteln und die ganze weitere Kommunikation auf die gleiche Weise führen – zum Scheidungstermin müssen Sie (mit wenigen, engen Ausnahmen) stets persönlich erscheinen, also doch “analog“!

Ohnehin haben Sie anfangs immer das Problem, einen guten Rechtsanwalt zu finden, eigentlich kommt nur ein Fachanwalt für Familienrecht in Frage. Vielleicht können Sie einer Empfehlung aus dem Freundeskreis folgen, dann ist der Rest unproblematisch. Wenn Sie keinen Tipp haben, werden Sie sowieso am besten zunächst im Internet recherchieren: Suchen Sie in der Nähe Ihrer Wohnung, Ihrer Arbeitsstelle und schauen Sie sich die Homepages mal an. Wer zu marktschreierisch auftritt, sollte nicht in die nähere Auswahl kommen, aber das kennen Sie ja bereits aus den anderen Produktsuchen im Internet. Im Idealfall finden Sie den Anwalt Ihres Vertrauens, entscheiden Sie selbst, ob dies so ganz ohne persönliches Gespräch geht.

 

Eine Online-Scheidung ist eine Scheidung ohne Beratung!

Sind Sie jetzt noch immer entschlossen, meist einvernehmlich mit Ihrer Partnerin, die Scheidung nur online durchführen zu wollen, dann machen sie natürlich ganz einfach im Internet weiter. Aufgepasst: Sie erteilen damit dem Rechtsanwalt ganz exakt die Weisung, nur die Scheidung durchzuführen, nicht Sie etwa auch zu beraten. Der Anwalt Ihrer Wahl wird also nur beim Familiengericht den Antrag stellen, dass die Ehe geschieden wird, damit wird Ihr Personenstatus geändert, sonst passiert nichts. Wie eingangs ausgeführt, kann dies ganz in Ihrem Interesse liegen.

Bei jeder Scheidung wird von Amts wegen, der Richter wird also von sich aus tätig, der Versorgungsausgleich durchgeführt, das heißt die in der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche werden berechnet und aufgeteilt. Dies gilt nicht bei sehr kurzen Ehen (bis drei Jahre).

 

Es können Kosten gespart werden

Der Kosten sparende Effekt tritt schon allein dadurch ein, dass Sie Ihrem Anwalt exakt diesen, auf die eigentliche Scheidung beschränkten Auftrag erteilt haben. In der Regel wird der Rechtsanwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abrechnen, er entnimmt den Tabellenwert dem gemeinsamen 3-Monats-Einkommen, einem Prozentsatz der auszugleichenden Renten und, so vorhanden, einem geringen Prozentsatz des Vermögens oberhalb eines relativ großzügigen Freibetrags. Dieser Verfahrenswert wird vom Gericht verbindlich festgesetzt. Erhöhungen des Anwaltshonorars, etwa weil Sie mit ihm auch über eine Vermögensauseinandersetzung gesprochen haben, können “online-bedingt“ nicht anfallen. Sprechen Sie das Thema Kosten ruhig an!

Kommt nun hinzu, weil Sie sich ja mit Ihrer Partnerin schon vorher einig waren, dass nur Eine/r von Ihnen, wie auch sonst bei einer einvernehmlichen Scheidung auch, einen Anwalt nimmt, der diesen Antrag auf Scheidung stellt und der/die nicht anwaltlich vertretene Antragsgegner/in der Scheidung einfach zustimmt, halbieren sich die Scheidungskosten einfach dadurch, dass statt zweier Rechtsanwälte nur einer tätig wurde. Ansonsten ist die online Scheidung nicht "billiger" als diejenige, die mit dem Besuch beim Scheidungsanwalt beginnt und sich auf das reine Scheidungsthema beschränkt.

Bei dieser Gelegenheit sehe ich mich veranlasst, mit einem Missverständnis aufzuräumen: Die Zustellung des Scheidungsantrags durch das Familiengericht erfolgt meist mit dem Hinweis, dass im Verfahren Anwaltszwang herrscht, dies heißt dennoch nicht, dass nun auch der Antragsgegner, obwohl einverstanden, ebenfalls einen Anwalt nehmen muss. Der Zwang, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen, besteht nur für den Fall, dass der Antragsgegner selbst Anträge stellen will, also den Scheidungsantrag abzuweisen, einen eigenen Unterhaltsantrag zu stellen et cetera. Für die hier geschilderten Interessenlagen, die alleine für eine online Scheidung geeignet sind, besteht folglich kein Bedürfnis, einem zweiten Anwalt ein Mandat zu erteilen.

 

Der Kompromiss – zuvor eine Erstberatung wahrnehmen

Trotz alledem, wie modern sich unser Leben auch gestaltet, die wirklich reine online Scheidung bleibt selten. Viel eher erlebe ich in meiner täglichen Praxis eine gemischte Vorgehensweise und empfehle diese auch Ihnen: die Mandanten finden unsere Kanzlei über das Internet, wählen uns aus, weil sie sich mit unserem Auftritt wohl fühlen und vereinbaren einen Termin zur Erstberatung in der Kanzlei. In diesem Termin lernen wir uns zunächst kennen und es muss noch keine Entscheidung getroffen werden, ob tatsächlich ich das Mandat erhalte. Wohl aber können meine Mandanten und kann auch ich mir einen Eindruck darüber verschaffen, ob im konkreten Fall nicht doch ein erhöhter Beratungsbedarf besteht. Selbst dann kann das ganze weitere Prozedere bis zum Scheidungstermin vor dem Familienrichter ohne weiteres online ablaufen. Die Kosten der reinen Erstberatung sind gesetzlich der Höhe nach auf 190 € zuzüglich Umsatzsteuer beschränkt und werden auf die Scheidungskosten selbstverständlich angerechnet.

©RA Reinald Harnisch, www.anwaltskontor.com

 

Reinald Harnisch ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht. Gemeinsam mit Sibylle Cavar-Weigl, ebenfalls Fachanwältin für Familienrecht, betreibt er das "anwaltskontor" in München, eine auf Familienrecht spezialisierte Kanzlei. Mehr Informationen finden Sie unter www.anwaltskontor.com