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Kritikpunkte zum neuen gemeinsamen Sorgerecht

Gut gedacht ist bekanntlich nicht immer gut gemacht. Im Falle des neuen gemeinsamen Sorgerechts trifft das wohl in besonderer Weise zu. Sollte es ursprünglich darum gehen, Vätern mehr Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, hagelt es zeitgleich von allen möglichen Seiten Kritik. Wie ist das neue Sorgerecht aufgebaut und was bedeutet es für Väter, Mütter und Kinder?

Geschützt werden sollen durch das neue gemeinsame Sorgerecht in erster Linie unverheiratete Väter. Sie waren bisher in einer denkbar ungünstigen Ausgangsposition, wenn es um den Umgang mit dem Kind ging. Wenn die Ex-Partnerin nicht mitspielte, zogen die Väter den Kürzeren und mussten sich im schlimmsten Fall damit abfinden, ihr Kind kaum oder gar nicht mehr zu sehen. Die Bundesregierung hat auf diese Problematik reagiert und die elterliche Mitsorge neu geregelt. Doch die Tinte unter dem Gesetz war noch nicht einmal trocken, als erste kritische Stimmen sich äußerten. Und die sind inzwischen ziemlich laut geworden.

 

Das ist neu

Bisher war es so, dass das Sorgerecht bei unehelichen Kindern automatisch zunächst bei der Mutter lag. Daran hat sich nichts geändert, aber Väter erhalten von nun an die Möglichkeit, die sogenannte Mitsorge zu erwirken. Dies kann in einem Verfahren geschehen, das sehr schnell erfolgt. Und zwar auch dann, wenn die Mutter damit nicht einverstanden ist. Wendet der Vater des Kindes das Verfahren an, muss die Mutter seiner Argumentation innerhalb von 6 Wochen widersprechen. Äußert sie sich innerhalb dieser Zeit nicht oder bringt Argumente vor, die nicht dem Wohl des Kindes entsprechen, bekommt der Vater Recht. Die Regierung begründet das neue Gesetz mit der Tatsache, dass immer mehr uneheliche Kinder zur Welt kommen und deren Väter mehr Rechte brauchen. So weit, so gut. Doch das Ganze hat zwei Seiten, wie zwei Beispiele deutlich machen.

 

Der ausgeschlossene Vater

Thomas L. führt ein Notizbuch. In diesem kleinen Buch hat er aufgeschrieben, was er mit seiner Tochter bereits erlebt hat. Viel steht nicht in seinem Büchlein, denn die Mutter der ehelichen Tochter tut alles dafür, dass Thomas L. seine Kleine so gut wie nie zu Gesicht bekommt. Im Laufe der Zeit wurde es immer weniger. Nach der Geburt seiner Tochter war es zur Trennung zwischen ihm und seiner Partnerin gekommen, Absprachen mit dem Jugendamt haben die Beiden aber damals nicht getroffen. Sie wollten es ohne fremde Hilfe regeln. Doch genau das funktionierte nicht. Und so fand seine Ex-Partnerin immer wieder neue Gründe, warum Thomas L. seine Tochter nicht sehen konnte. Es kam zu kurzfristigen Terminverschiebungen und Verweigerungen, dann ganz plötzlich zog die Mutter mit der Tochter unangekündigt um. Thomas L. kämpfte lange um seine Tochter, er versuchte es mit Engelszungen, mit Streit und der Androhung, einen Anwalt einzuschalten. Geholfen hat all das nichts. Hätte es damals bereits das neue Gesetz gegeben, wäre die Position von Thomas L. sicherlich eine bessere gewesen. So wie die von einem anderen Vater.

 

Die hilflose Mutter

Lena M. sieht nicht gut aus. Augenringe und eine blasse Gesichtsfarbe lassen darauf schließen, dass sie zu wenig Schlaf bekommt. Oder aber andere Probleme hat. Eines dieser Probleme ist der Vater ihres unehelichen Sohnes. Er neigt zu Geschrei, spricht schnell Drohungen aus und drangsaliert seine Ex-Partnerin mit Gewaltausbrüchen. Das war schon immer so. Daher wollte Lena M. nicht, dass der Vater ihres Kindes Kontakt zum gemeinsamen Sohn hat. Allerdings tat sie sich schwer damit, das in differenzierter Art und Weise vor Gericht deutlich zu machen. Sie leidet stark unter dem psychischen Druck und ist verfolgt von Ängsten, die sich aus der gestörten Beziehung zum Vater ihres Kindes immer stärker ausgebreitet haben. Das Jugendamt äußerte sich im Falle von Lena M. ähnlich zurückhaltend wie die Richter dies taten. Den beiden Eltern empfahlen die Sachbearbeiter „konstruktive elterliche Kommunikation“. Für Lena M. ein Schlag ins Gesicht. Einer von vielen anderen, so empfindet die junge Frau es.

 

Ist Streit durch das neue Gesetz vorprogrammiert?

Die Frage liegt nahe. Doch das neue Gesetz greift nur, wenn sich zwei Menschen nicht einig werden können. Wenn trotz Trennung eine gemeinsame Entscheidung getroffen werden kann, bleibt alles unverändert. Väter sollten sich jedoch zur Sicherheit eine Vaterschaftsanerkennung ausstellen lassen. Die Beurkundung gibt es beim Jugendamt. Wenn es allerdings weniger harmonisch abläuft, drohen massive Auseinandersetzungen. Klar ist schon jetzt, dass auch das neue Gesetz nicht dazu führen wird, in jeder Situation Klarheit zu schaffen. Sicherlich sind Väter unehelicher Kinder jetzt in einer besseren Position, und viele Fürsprecher verteidigen es als längst überfällig. Weil Väter unehelicher Kinder bislang keinerlei Lobby hatten. Andererseits könnte das Gesetz auch dazu beitragen, dass sich der Stärkere durchsetzt. Doch wer stärker ist, muss nicht zwingend am besten für das Kindeswohl sein. Darüber findet sich jedoch im neuen Gesetz kein Paragraph.

 

 

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