„Ist doch egal, wer mehr verdient. Wir lieben uns, das ist die Hauptsache!“
Tatsächlich? Ist das wirklich so? Man sollte es meinen, schließlich leben wir in einer fortschrittlichen und aufgeklärten Gesellschaft. Da sind doch die typischen Klischees nicht mehr zeitgemäß. Auch dann nicht, wenn die Frau mehr verdient als der Mann. Doch neben diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten schlummern eben doch alte Vorstellungen. Und die kommen häufig zum Vorschein, wenn das Portemonnaie der Frau dicker ist als das des Mannes.
Wenn die Partnerin mehr verdient
Liebe ist die Hauptsache, keine Frage. Aber Liebe geht zuweilen auch durch den Magen. Und wenn man sich gemeinsam einmal ein schönes Essen in einem Restaurant gönnen will, kommt nach einem ausgezeichneten Essen eine entsprechende Rechnung. Wenn die Frau zahlt, ist das für den Mann oft unangenehm. Es sind alte Mechanismen, die dazu beitragen, sich als männlicher Versorger zu sehen. Da passt es kaum, wenn die Frau die Rechnung zahlt.
„Ich brauche keinen reichen Mann!“
Viele Frauen sind so selbstständig und auf eine erfolgreiche Karriere bedacht, dass sie es nicht nötig haben, von einem Mann mit Geld eingeladen zu werden. Sie verdienen selbst genug und legen den Schwerpunkt in der Beziehung eher auf Gefühle wie Treue, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Trotzdem geben auch karrierebewusste Frauen schon manchmal zu, dass sie nichts dagegen hätten, einmal schick ausgeführt oder mit einem schönen Kleidungsstück überrascht zu werden. Ein reicher, oder aber zumindest wohlhabender Mann ist also nicht nötig, nein, ganz sicher nicht. Das Schlimmste, was einer Frau passieren kann, wäre er aber auch nicht. Dieser innere Konflikt erzeugt nicht selten Spannungen, die zu ernsthaften Problemen bei Paaren werden können.
Wer ist eigentlich schuld?
Die wenigsten Männer suchen sich ihre finanzielle Situation aus. Scheidungen und Unterhaltszahlungen können zu Geldsorgen führen, aber auch berufliche Nöte bedeuten Einschnitte beim Budget. Ein erfolgreiches Studium allein ist noch kein Garant für einen gut bezahlten Arbeitsplatz danach. Und Ungerechtigkeiten beim Scheidungsverfahren ändern nichts an den Zahlungsverpflichtungen. Es sind diese und ähnliche Gründe, die dazu beitragen, dass für Urlaub, Ausgehen oder Anschaffungen oft die Geldbörse der Partnerin herhalten muss. Über kurz oder lang leidet jedoch auch sie darunter. Irgendwann setzt das Gefühl ein, „draufzuzahlen“, hart zu arbeiten, ohne dass es ausreichend honoriert wird. Die Tatsache, dass der Mann nichts kann für die Rahmenbedingungen, ändert ab einem gewissen Punkt nur wenig daran. Wenn die Frau immer mehr mit ihren Bedürfnissen in den Hintergrund tritt, wenn das Geld hauptsächlich von ihrem statt von seinem Konto kommt, nützt aller Pragmatismus nicht – Schuld hat dann eben der Mann. Weil er zu wenig Geld nachhause bringt.
Akademiker spielen alte Rollen
Es wäre zwar zu einfach, wenn man es auf alle Akademiker anwenden wollte, doch Untersuchungen haben tatsächlich ergeben, dass unter ihnen die alte Rollenverteilung am häufigsten vertreten ist. Der Mann geht arbeiten, die Frau kümmert sich um das traute Heim. Das mag erzkonservativ klingen, aber es trägt zu einer gewissen Sicherheit und sogar Zufriedenheit bei. Meistens jedenfalls. Denn wenn eine Akademiker-Ehe auseinanderbricht, mag die Frau Unterhaltsansprüche haben und nicht am Hungertuch leiden müssen. Einen Einstieg ins Berufsleben ermöglicht ihr das aber nicht automatisch. Und so bleibt oft das Gefühl nach, etwas verpasst zu haben.
Das Ego überwinden
Der Eingangssatz zu Beginn unseres Artikels klingt wunderschön, romantisch und zeugt von wahrer Liebe. Trotzdem muss er mit Inhalten gefüllt werden, um die Stolpersteine Ego, Vernachlässigung und das Gefühl ungleicher Verteilung zu umgehen. Paare, die sich kennengelernt haben, als Geld sowieso noch keine Rolle spielte, haben es leichter. Sie wachsen nach und nach miteinander in die Verteilung hinein. Wenn dagegen die Beziehung gleich mit unterschiedlichen Vorzeichen beginnt, ist es schwieriger. Unmöglich aber nicht. Ein Patentrezept gibt es natürlich nicht, aber ein paar Dinge erleichtern den Umgang miteinander:
- Schweigen Sie das Thema nicht tot. Die Tatsache, dass zwei Menschen sich lieben, bedeutet nicht, dass es unproblematisch ist, wenn die Frau mehr verdient als der Mann. Das gilt im Übrigen für beide Seiten, denn jeder schleppt seine eigene Sichtweise mit sich herum. Wenn Sie nicht darüber sprechen, fällt Ihnen all das über kurz oder lang auf die Füße.
- Seien Sie ein Team! Das ist jetzt natürlich auch leichter gesagt als getan, besonders wenn die Verdienstunterschiede gravierend sind. Trotzdem greift hier und heute eigentlich immer noch das Argument, das auch für Hausfrauen gilt: Meine Arbeit ist wertvoll, auch wenn sie nicht bezahlt wird. Wenn sich beide Partner gut aufteilen und das Leben als gemeinsames Projekt betrachten, werden auch Dinge geschätzt, die vielleicht keinen finanziellen Vorteil bringen, dafür aber die gemeinsame Lebensqualität verbessern.
- Und schließlich: Lassen Sie sich Zeit. Es gibt viele Herausforderungen im Leben, die man erst nach und nach meistert. Wahrscheinlich haben Sie schon einige Krisen zusammen durchlebt. Und sie gemeistert. Auch die Organisation der finanziellen Seite erfordert die Bereitschaft, einen Lernprozess zu durchlaufen. Erst recht, wenn die Frau mehr verdient als der Mann. Wenn Sie es schaffen, ein Gefühl auf beiden Seiten zu entwickeln, das jedem die Sicherheit gibt, nicht zu kurz zu kommen, dann haben Sie einen großen Schritt geschafft. Und in den haben Sie beide investiert. Fifty-Fifty.