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Hilfe, mein Sohn spielt mit Puppen! – wie wichtig sind heutzutage noch festgelegte Rollenbilder?

Früher war vieles klar aufgeteilt – Jungen spielten mit Autos, Mädchen mit Puppen. Männer gingen später zur Arbeit, die Frauen kümmerten sich um die Kinder. Diese Rollenbilder verschieben sich gerade ärker und schneller als jemals zuvor. Inwiefern sollte man dies bei der Kindererziehung berücksichtigen? Sollte man Jungen noch „männlich“ erziehen? Und was hätte eine geschlechtsneutrale Erziehung für Auswirkungen?

Wie soll er sein, der Mann von morgen?

Ich weiß nicht ob es schon bis zu Ihnen durchgedrungen ist, aber im Augenblick kocht die gesellschaftliche Diskussion um den „Mann von morgen“ ja ungeheuer hoch. Nachdem die Damenwelt sich – mehr oder weniger erfolgreich – emanzipiert hat, haben die Herren nun angeblich Probleme, da mitzuhalten. Ganze Generationen von Männern fühlen sich hilflos und haben endgültig keine Ahnung mehr davon, was Frauen denn nun eigentlich wollen. Der Macho ist out, der Softie ist leider nie so richtig „in“ gewesen. Die Wahrheit? Liegt vermutlich wie immer irgendwo dazwischen.


Was früher war, gilt heute oft nicht mehr

Aber wie vermittelt man so etwas seinen Kindern? Früher war alles viel einfacher: man ging mit dem „Stammhalter“ zum Fußball, baute Baumhäuser und übte Kirschkernweitspucken. Dinge, die Kerle eben tun. Das Schleifchenbinden und die Ballettstunden mit der Tochter überließ man lieber der Mutter. Die kannte sich ja eh viel besser aus damit. Für den Sohn kaufte man zu Weihnachten ein Go-Kart, ein Holzschwert oder eine Eisenbahn, das Mädchen bekam einen Puppenwagen, eine Barbie, ein paar Lacksandalettchen.

Und heute? Heute ist das alles irgendwie nicht mehr so. So schwarz-weiß. Die Tochter klaut sich den Werkzeugkasten aus der Garage und der Sohn spielt derweil mit dem Puppenhaus oder will kochen lernen. Ist so etwas zu vertreten?


Kinder dürfen sich selbst aussuchen, was sie mögen

Selbstverständlich. Denn in erster Linie dient die Kinderzeit, die Spielzeit, dazu, sich auszuprobieren, verschiedene Dinge zu versuchen, seine Talente zu entdecken und seine Vorlieben zu finden. Dies sollte ein Kind – und das ist eine recht moderne Sicht der Dinge – möglichst frei von vorgegebenen Rollenklischees tun. Wenn ein Mädchen nun mal gern tobt, sich im Matsch wälzt und sich ordentlich dreckig macht - wieso nicht? Wenn sie lieber Latzhosen als Kleidchen trägt, auch gut. Wenn ein Junge nicht so gern lärmt und Sport macht  und dafür lieber liest oder kocht oder bastelt, prima! Ihr Kind wird, egal ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, später in ein Leben entlassen, in dem es die verschiedensten Aufgaben wird bewältigen müssen. Frauen wie Männer werden arbeiten und es wird auch immer verbreiteter sein, dass Männer sich eine Weile um die Kindererziehung kümmern. So sehr einige das auch bedauern mögen, die Geschlechtergrenzen verwischen zunehmend. Anders ist der moderne Alltag mit in der Regel zwei berufstätigen Elternteilen überhaupt nicht mehr zu bewältigen. Jeder muss alle können. Und das wiederum kann man am besten, wenn man zu einem starken, selbstbewussten Menschen erzogen wurde, der seine Talente gut kennt und richtig einzusetzen weiß. Und der darüber hinaus keine Berührungsängste hat.


Wichtig ist, dass Sie da sind

Das bedeutet jetzt allerdings nicht, dass Sie als Vater mit Ihrem Sohn keinen Drachen mehr steigen lassen dürfen. Oder sich nicht mehr in den Keller zurückziehen dürfen mit der Modelleisenbahn. Natürlich ist so etwas prima und Ihr Sohn wird sich über die Zeit zu zweit mit „Männerangelegenheiten“ sicher freuen. Ein Kind, ob Sohn oder Tochter, sucht sich im Allgemeinen von allein seine besondere Bezugsperson. Mal ist das ein wenig mehr der Papa, mal die Mama. Wichtig ist allein, dass Sie dann für Ihr Kind da sind und Dinge teilen, an denen Sie beide Freude haben. Und wenn Ihr Sohn lieber mit Ihnen basteln oder Holzdosen mit Glitzerstickern bekleben möchte als ein Baumhaus im Garten zu  bauen, was soll’s! Es erscheint Ihnen vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber lassen Sie sich ruhig darauf ein. Vor allem: kritteln Sie nicht an den Vorlieben Ihres Kindes herum und werten Sie diese nicht herab. Dann fühlt Ihr Kind sich nicht so angenommen, wie es ist - und das sollte es in jedem Fall.