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Wie man Kinder vor sexuellem Missbrauch schützt

Laut den statistischen Angaben des Bundeskriminalamtes werden pro Jahr etwa 15.000 Kinder im Alter von 1 bis 14 Jahren sexuell missbraucht – über die Dunkelziffer mag man gar nicht nachdenken. Auch wenn es keinen 100%igen Schutz gibt, können Eltern einiges tun, um ihre Kinder vor sexuellen Übergriffen durch Erwachsene zu schützen.

Wussten Sie, dass in etwa 80% der bekannten Missbrauchsfälle der Täter aus dem sozialen Umfeld des Kindes stammt? Dies ist doppelt dramatisch, da bei einem Missbrauch nicht nur Körper und Seele des Kindes schwer verletzt werden. Darüber hinaus verliert es jegliches Vertrauen – sogar in die Menschen, die es kennt und liebt und denen es bisher blind vertraute.

 

Täterprofile und Tatorte

Anhand der Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik sind 95 Prozent der Täter Männer. Zu 68 Prozent sind sie älter als 21 Jahre, die Opfer sind Kinder unter 14 Jahren. Alle diese Zahlen sind allerdings nicht repräsentativ, denn laut Schätzungen liegt die tatsächliche Zahl von sexuell missbrauchten Kindern ungefähr zehnmal so hoch. Sexueller Missbrauch kann überall stattfinden: In der Schule, im Sportverein, ja sogar in kirchlichen Institutionen. Sexuelle Gewalt gegen Kinder zieht sich durch alle Schichten und beginnt meist ganz allmählich durch kaum merkliche sexuelle Übergriffe. Oft wird das Vertrauen des Kindes durch Geschenke und Aufmerksamkeiten erschlichen, die Übergriffe werden immer massiver und dauern Monate, manchmal sogar jahrelang an. Tatorte sind Kinderzimmer genauso wie Umkleideräume, Gemeinschaftstoiletten oder Büros. Eines haben viele Täter gemeinsam: Sie tragen eine Missbrauchswelle weiter, das heißt, sie sind als Kind sexuell selbst missbraucht worden.

Wann beginnt sexueller Missbrauch?

Sexueller Missbrauch beginnt nicht erst bei eindeutigen sexuellen Handlungen, sondern fängt bereits bei Übergriffen an, durch die die Intimsphäre des Kindes verletzt wird. Dies kann zum Beispiel eine bestimmte anzügliche Art sein, ein Kleinkind zu halten, bei der der Erwachsene seine Hand auf das Geschlechtsteil des Kindes schiebt und es streichelt. Auch das oft scherzhafte Zwicken von Onkels in die Brustwarzen ihrer 6 oder 7 Jahre alten Nichten ist als sexueller Übergriff einzuordnen. Das Strafgesetzbuch (StGB §176) definiert im Absatz 1 und 2 des Gesetzes sexuellen Missbrauch folgendermaßen:

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt.

Prinzipiell werden folgende Tatbestände als sexueller Missbrauch eingestuft:

  • Belästigung durch obszöne Reden (persönlich, per Telefon oder per Email)
  • Berührungen am Kind, nicht nur an den Geschlechtsteilen, die zur Erregung des Täters dienen
  • Zwang oder Überredung, den Täter nackt anzusehen oder ihn sexuell zu berühren oder zu manipulieren
  • Benutzung für pornografische Zwecke oder Zwang zur Betrachtung von pornografischem Material
  • Berührungen im Intimbereich und Vergewaltigung

Schon die blanke sexuelle Belästigung kann Schäden in der Kinderseele anrichten. Kommt es zur Vergewaltigung, dann erleiden die Kinder ein Trauma, dass sie ihr ganzes Leben begleitet und ihre Beziehungen zu anderen Menschen dauerhaft beeinflussen wird.

So schützen Sie Ihr Kind

Sie können Ihr Kind nicht mit Sicherheit vor sexuellem Missbrauch schützen, allerdings können Sie einige Vorsichtsmaßnahmen treffen und dem Kind Stärken mit auf seinen Weg gehen, die ihm helfen, sich gegen sexuelle Übergriffe zu wehren.
Ganz am Anfang stehen die offensichtlichen Regeln, die das Kind davor bewahren, Opfer eines fremden Sexualstraftäters zu werden:

  • Das Kind darf von fremden Menschen (weder Mann noch Frau) keine Geschenke oder Süßigkeiten annehmen, nicht mit ihnen mitgehen und keinesfalls zu einem Fremden ins Auto steigen und das auch dann nicht, wenn der Fremde behauptet, den Eltern wäre etwas zugestoßen oder die Eltern wüssten schon Bescheid.
  • Wenn ein fremder Mensch versucht, das Kind mit Gewalt mitzuzerren, soll es anfangen, laut zu schreien. Hilfreich kann hier eine Trillerpfeife sein, die das Kind bei sich führt.
  • Definieren Sie genau, wer ein „Fremder“ ist: Dazu gehören alle Menschen, die das Kind nicht kennt und die ihm auch nicht über Sie bekannt gemacht worden sind. Definieren Sie auch, an wen sich Ihr Kind in Notfällen wenden darf: Menschen in Uniformen wie Polizisten, Postboten, Verkäufer oder Kellner. Ist keine derartige Person in Sicht, kann es sich an eine Frau wenden.
  • Die wichtigste Regel ist: Ihr Kind muss Sie immer wissen lassen, wo es ist. Für ältere Kinder kann hier durchaus ein Handy angemessen sein, mit dem es sie informieren kann, wo es gerade ist und was es macht.

Einem Kind schützendes Verhalten gegen Missbrauch im sozialen Umfeld zu vermitteln, ist erheblich schwieriger. Denn keinesfalls darf das Kind in Panik geraten oder allen Erwachsenen misstrauisch gegenüber stehen. Der nachhaltigste Schutz vor sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie ist ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Eltern und ein gut ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Kinder, deren Bedürfnisse von Geburt an respektiert und gewürdigt wurden, haben es erheblich leichter, nein zu sagen und sich anschließend bei den Eltern über das unmögliche Verhalten eines anderen Erwachsenen zu beschweren als Kinder, die gelernt haben, dass ihre Bedürfnisse nicht wichtig sind und dass sie nur dann geliebt werden, wenn sie sich angemessen und angepasst verhalten, also wenn sie „lieb“ sind. Eine derartige Prägung öffnet den Tätern alle Türen. Dazu können zum Beispiel auch verschiedene Höflichkeitsgebärden gehören, die manchen Kindern von klein auf beigebracht werden:

  • Sie müssen Fremden die Hand geben, auch wenn sie die Berührung nicht wollen. Vom unfreiwilligen Händedruck bis hin zu weiteren unerwünschten, aber geduldeten Berührungen ist es nur ein kleiner Schritt.
  • Kinder müssen Tante oder Onkel auf die Wange küssen, die sie vielleicht noch nicht einmal leiden mögen, ob sie das nun wollen oder nicht. Auch hier wird das Bedürfnis des Kindes nach körperlicher Distanz ignoriert.

Dies bedeutet nun nicht, dass Kinder alle Regeln der Höflichkeit außer Acht lassen sollen. Aber sie haben Befindlichkeiten wie wir Erwachsenen auch und sie haben klare körperliche Grenzen, die Erwachsene akzeptieren müssen. Und bei Kindern, deren Bedürfnisse ohnehin oft übergangen werden, die selten gehört werden und funktionieren sollen, kann dieser Zwang, andere Menschen gegen ihren Willen zu berühren, die letzten Schutzfunktionen einbrechen zu lassen.

Signale erkennen und Verdachtsmomenten nachgehen

Ein weiteres Mittel, das eigene Kind vor sexuellem Missbrauch zu schützen ist Wachsamkeit auf eventuelle nonverbale Hilferufe des Kindes. Denn auch bei einem guten Eltern-Kind-Verhältnis kann es passieren, dass das Kind durch den Täter so eingeschüchtert wurde, dass es sich nicht traut, mit seinen Eltern über die schrecklichen Erlebnisse zu sprechen.

Aufmerksam werden sollten Sie dann, wenn Ihr Kind:

  • Plötzlich auffallend ängstlich ist
  • Sich immer mehr zurückzieht
  • Auffällige Verhaltensänderungen wie Aggression oder übermäßige Unterwürfigkeit zeigt
  • An Ess- oder Schlafstörungen leidet
  • Einen bestimmten Menschen plötzlich meidet
  • Sexualisiertes Verhalten im Spiel oder Ihnen gegenüber zeigt
  • Unerklärliche Verletzungen und blaue Flecken hat
  • Plötzlich häufig krank ist.

Nicht immer weisen diese Verhaltensänderungen auf sexuellen Missbrauch hin und Sie sollten offen für andere Erklärungsmöglichkeiten bleiben. Denn allzu leicht interpretiert man mit einer vorgefassten Meinung Situationen sehr subjektiv. Versuchen Sie, mit Ihrem Kind ins Gespräch zu kommen und ziehen Sie im Zweifel einen Kinderpsychologen hinzu.

Zum Weiterlesen:

http://dejure.org/gesetze/StGB/176.html

https://www.polizei-beratung.de/opferinformationen/sexueller-missbrauch-von-kindern/