© goodluz - Fotolia.com
© goodluz - Fotolia.com

Als Vater mit der Tochter baden oder kuscheln – ist das okay?

Es gibt zur Zeit eine heftige Diskussion, was von Eltern gegenüber ihren Kindern in Bezug auf Nacktheit und Nähe angemessen ist. Ist es für Eltern akzeptabel, sich den Kindern nackt zu zeigen? Ist es für einen Vater okay, nackt mit seiner Tochter zu baden? Ist es für Eltern okay, mit ihren Kindern zu kuscheln – auch, wenn sie nicht mehr ganz klein sind? Immer mehr Menschen scheinen der Meinung zu sein, dass das nicht der Fall ist. Unser Autor – ein Vater von zwei Töchtern - sieht das anders und ruft zu mehr Lockerheit im Umgang mit Nacktheit und körperlicher Nähe zwischen Eltern und Kind auf. Zum Wohle der Kinder …

Eigentlich ein ganz normales Bild: Ein Vater sitzt mit seiner zweijährigen Tochter in der Badewanne. Trotzdem für viele ein Skandal – denn der Mann trägt sichtlich keine Badehose, sondern ist nackt. Ein Aufschrei ging durchs Netz. Einige Kommentare rückten den Vater in die Nähe von Pädophilen, andere fragten nur, wie er denn auf die Idee komme, ohne Badehose mit seiner Tochter zu baden.

Meine Reaktion zu dieser Diskussion war und ist: wann ist unsere Gesellschaft so verklemmt geworden? Oder denken wir heutzutage automatisch immer an das Schlimmste? Es gibt inzwischen gerade unter Vätern eine große Unsicherheit, was im Verhalten gegenüber der eigenen Tochter okay ist und was nicht. Angeheizt von Außenstehenden, die vieles, was früher normal war, schell als „krank“ betiteln. Wie verhält man sich als Vater angemessen seiner Tochter gegenüber? Ist es okay, sich der eigenen Tochter nackt zu zeigen, miteinander zu baden, zu kuscheln und zu schmusen? Hierzu habe ich mir ein paar tiefere Gedanken gemacht – und ich möchte vorausschicken, dass ich weder ein Wissenschaftler oder ein Kinderpsychologe bin, sondern einfach nur ein besorgter Vater von zwei Töchtern im Alter von gut 4 und fast 2 Jahren, der keine Lust hat, Außenstehenden die Diskussion zu überlassen und irgendwann als Perverser beschimpft zu werden.

Welches Ziel verfolgen wir mit unserer Erziehung? Kinder und die Körperlichkeit

Im Zentrum aller Überlegungen zu Nacktheit und Nähe sollte das Kind stehen. Was empfindet es bei dem, wie wir uns verhalten? Was ist das Ziel unserer Erziehung und Sozialisation?

Kinder haben anfangs ein ganz unverkrampftes Verhältnis zu Nacktheit und zum eigenen Körper. Scham lernen sie erst nach und nach durch die Interaktion mit anderen Menschen. Insofern empfindet ein kleines Kind Nacktheit erst einmal als völlig normal. Die Frage ist nun, was wir unserem Kind mit unserer Erziehung vermitteln wollen. Für meine Frau und mich sind dies in diesem Themenkomplex vier Punkte:

  • Eine gesunde Einstellung zum eigenen Körper („ich bin okay“)
  • Eine gesunde Einstellung zum Körper des anderen Geschlechts („Papa ist auch okay“)
  • Eine gesunde Einstellung zur Sexualität (das kommt später, aber eine Akzeptanz des eigenen Körpers ist dafür Voraussetzung)
  • Das Bewusstsein, dass es „private“ Dinge gibt und dass das Kind selbst entscheiden darf, was es will und – noch wichtiger - was nicht

Unsere Kinder sehen ihre Eltern auch nackt

Meine Frau und ich gehen relativ entspannt mit Nacktheit um. Es soll ja Menschen geben, die sich etwas überziehen, um zu Hause auf die Toilette zu gehen. Dazu gehören wir nicht. Als Folge sehen unsere Kinder uns nackt, wenn wir uns anziehen oder wenn wir duschen. Seit wir Eltern sind schließen wir auch das Bad nicht ab, wenn wir auf die Toilette gehen (hier gibt es „größere“ Ausnahmen). Unsere Töchter hatten beide eine Phase, in der sie fasziniert beobachtet haben, dass ein Mann im Stehen Pipi machen kann. Ich finde es ein wenig peinlich, beim Pinkeln angestarrt zu werden, aber wenn es dem Erziehungsauftrag dienlich ist, dann kann ich damit leben. Im Sommer waren wir mit den Kindern auch schon häufiger am FKK-Teil des Badesees, so dass sie wissen, dass andere Menschen ähnlich aussehen wie wir. Dies zum Thema „mein Körper und dein Körper sind okay“.

Als Vater mit der Tochter zu baden ist kein Problem

Schon im ersten Lebensjahr habe ich häufig mit meinen Töchtern gebadet. Damals saß ich mit dem Baby in der Wanne, damit es plantschen konnte, ohne dass die Gefahr bestand, dass es umkippt. Auch später habe ich immer mal wieder mit meinen Mädchen gebadet – nackt. Irgendwann – meist nach einem Lebensjahr – passiert es zwangsläufig, dass die Tochter nach dem Geschlechtsteil des Papas greift. Das ist ganz normal, denn sie ist ja neugierig. Darauf habe ich damals folgendermaßen reagiert: Ich habe meine Tochter kurz gewähren lassen – obwohl das Ganze nicht angenehm ist – und ihr dann gesagt, dass das Papas Penis ist und „meines“. Dann haben wir das Mädchen mit einem Spielzeug abgelenkt und das Ganze war okay. Beim nächsten gemeinsamen Bad war das Ganze nicht mehr spannend – und das war bei beiden Töchtern so. Eine Anmerkung: meine Frau und ich sagen vor den Kindern absichtlich „Penis“, um das Ganze wissenschaftlich-neutral zu halten und nicht durch einen lustigen Begriff (Pipimann, Schwanz etc.) spannend zu machen. Bei uns hat das funktioniert.

Auch hier ist uns wichtig, dass unsere Töchter verstehen, dass Männer und Frauen verschieden sind, aber beides okay ist. Der eigene Körper muss nicht peinlich sein, aber die Geschlechtsteile sind privat – bei Kindern wie Erwachsenen.

Kuscheln und Schmusen zwischen Vater und Tochter – körperliche Nähe ohne Hintergedanken

Körperliche Nähe ist für jedes Kind wichtig. Bei angenehmem Körperkontakt schüttet der Körper das Glückshormon Oxytocin aus, das ganz nebenher auch das Gehirn stimuliert und das Immunsystem stärkt. Lauter positive Aspekte des Kuschelns also. Bei wem sollten sich Kinder ihre Streicheleinheiten abholen dürfen, wenn nicht bei den Eltern? Das Schmusen mit den Eltern hat keinen sexuellen Aspekt und gibt Kindern die Chance, körperliche Nähe ganz ohne Hintergedanken beim Gegenüber zu erfahren. Dies ist gerade für Mädchen beim Kuscheln mit dem Vater als erstem Mann in ihrem Leben eine wichtige Erfahrung. Körperliche Nähe wird hier positiv besetzt. Das macht dieses Kuscheln zu einer wichtigen Basis für künftige Beziehungen zum anderen Geschlecht.

Ein wichtiger Punkt, der beim Kuscheln zwischen Eltern und Kind beachtet werden sollte: das KIND bestimmt, was es wann will und braucht. Und für Töchter wie für Söhne gilt: gemeinsam kuscheln ist schön, miteinander balgen macht aber auch Spaß!

Küsschen vom Kind – ein Privileg und kein Anspruch

Abends frage ich meine große Tochter: „bekomme ich noch einen Gutenachtkuss?“ Wenn ja, dann ist das schön und ich freue mich, wenn einmal nicht, dann ist das auch okay. Das Kind muss entscheiden, bei wem es wann Nähe zulässt. Auch gegenüber Verwandten sollte man Kinder nicht zu Zärtlichkeiten drängen oder gar zwingen. Ein Kind muss wissen, dass es immer das Recht hat, „nein“ zu sagen, wenn ihm nicht nach Nähe ist.

In der Pubertät ändert sich Vieles

Kinder werden in der Pubertät häufig deutlich verschämter. Diesen Wunsch nach Intimsphäre sollten Eltern respektieren, indem sie ihrem Kind seinen Raum lassen und sich auch selbst dem Kind nicht nackt zeigen, wenn es damit ein Problem hat. Auf keinen Fall sollten sich Eltern über die plötzliche „Verklemmtheit“ ihrer Tochter oder ihres Sohnes lustig machen.

Trotzdem haben auch Teenager noch das Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Insbesondere, wenn sie selbst noch keinen Freund oder eine Freundin haben. Weisen Sie ihr Kind daher nicht mit dem Verweis zurück, dass es ja nun dafür zu groß sei, wenn es in den Arm genommen werden möchte oder ihnen einen Schmatzer geben will. Auch in diesem Alter sollten Kinder mit ihren Eltern körperliche Nähe ganz ohne Hintergedanken genießen dürfen.

 

Das, was wir hier geschrieben haben, gilt natürlich auch für Söhne. Diese sollten ebenfalls das Recht haben, mit ihrem Vater oder ihrer Mutter zu kuscheln. Denn auch kleine und größere Männer haben das Bedürfnis nach körperlicher Nähe.

Welche Einstellung habt Ihr? Seht Ihr das ähnlich oder liegen wir mit unserer Einstellung völlig daneben? Wir freuen uns auf Eure Rückmeldungen.