© Dan Race - Fotolia.com

Logopädische Behandlungen – Grund zur Sorge?

Die Sprache ist ein wichtiger Teil der kindlichen Entwicklung. Umso aufgeregter reagieren Eltern, wenn sie das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt. Die Sorge sollte nicht übertrieben werden, Grund zum Bagatellisieren gibt es aber auch nicht, wie Studien belegen.

Die Krankenkasse BARMER GEK Niedersachsen hat in ihrem Heil- und Hilfsmittelreport unter anderem die logopädischen Behandlungen bei Kindern untersucht. Und kommt zu bemerkenswerten Ergebnissen. Knapp 43 Prozent aller logopädischen Behandlungen sind laut der Untersuchung der Kasse auf Störungen der Sprache vor Abschluss der Sprachentwicklung zurückzuführen. Die genauen Gründe sind unterschiedlich und reichen von Entwicklungsstörungen, Hörstörungen, Hirnschädigungen und Mehrfachbehinderungen bis hin zu familiären Problemen. Reine Sprachentwicklungsstörungen konnte die Untersuchung jedoch lediglich in 6 Prozent der untersuchten Fälle erkennen. Die Ursachen für Sprachstörungen sind also vielfältig, eine genaue Analyse umso bedeutender.

Falscher Alarm oder nachvollziehbare Ängste?

Wenn es um die Entwicklung des eigenen Kindes geht, sind Eltern sehr aufmerksam, das ist nur natürlich. Dementsprechend reagieren sie auch, wenn sie das Gefühl haben, dass die Entwicklung nicht so läuft, wie sie eigentlich laufen sollte. Bei der Sprache jedoch sollte man nicht gleich das Schlimmste befürchten und sich in Gelassenheit üben. Es gibt Kinder, die schon mit einem Jahr eindrucksvolle Fähigkeiten im Bereich der Sprache haben. Andere zeigen noch viel später mit dem Finger auf Gegenstände, weil es mit der Sprache noch nicht so funktioniert. Jedes Kind hat sein ganz eigenes Tempo, der so „quasselige“ Einjährige muss also nicht unbedingt „besser“ oder „normaler“ sein als der Zweijährige, der eben etwas später mit der gesprochenen Kommunikation beginnt.

Trotzdem gibt es Signale, auf die Eltern achten sollten, wenn sie den Eindruck haben, dass die Sprachentwicklung zu sehr hinterherhinkt.

Wann Handlungsbedarf besteht

Wenngleich Sprachstörungen sehr unterschiedliche Ursachen haben - Einschränkungen beim Hören zählen zu den maßgeblichen Gründen, die zu Schwierigkeiten führen. Doch es gibt zahlreiche weitere Gründe, die auch unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes betrachtet werden müssen.

  • Wenn Ihr Kind kaum Geräusche macht und so gut wie gar nicht auf solche reagiert, ist es sinnvoll, das Hörvermögen testen zu lassen. Schlechtes Hören führt zwangsläufig zu Isolation und Einschränkungen beim Entwickeln der Sprache.
  • Auch wenn das Tempo bei allen Kindern unterschiedlich ist, zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat sollte irgendetwas kommen. Beschränkt sich Ihr Kind ausschließlich auf Gestik und Mimik, ist der Gang zum Kinderarzt sinnvoll, der dann über das weitere Vorgehen berät.
  • Es kann auch zu einem anderen Phänomen kommen. Scheinbar urplötzlich hört der Nachwuchs wieder auf zu sprechen oder die Fähigkeit, sich auszudrücken, sackt auf ein Niveau ab, das längst hinter sich gelassen schien. Auch in diesem Fall sollte der Kinderarzt befragt werden, denn Entwicklungen stoppen in aller Regel nicht einfach und wechseln die Richtung.

Ratlose Blicke

Zwischen dem 18. und 36. Monat sollte eine gute Kommunikation mit dem Kind möglich sein. Ist der Wortschatz in diesem Alter noch immer sehr gering, die Satzbildung kaum vorhanden und die Aussprache des Kindes unverständlich, kann das eine Sprachstörung bedeuten. Oft geht sie einher mit fehlendem Verständnis für das gesprochene Wort. Wenn Ihr Kind Sie selbst bei einfachen Sätzen nur ratlos ansieht, besteht wahrscheinlich Handlungsbedarf. In jedem Fall sollten Sie Ihr Kind untersuchen lassen.

Familienprobleme sind Sprachprobleme

Nicht jedes kleine Problem in der Familie führt zu Sprachstörungen. Aber andauernde Stress-Situationen, häufiger Streit, Lärm oder gar Schläge wirken sich auf jedes Kind negativ aus. Die Reaktionen auf diese Probleme sind bei jedem Kind anders. Eine Möglichkeit ist aber tatsächlich eine verzögerte oder komplett gestörte Sprachentwicklung. Natürlich wirkt sich auch die familiäre Kommunikation auf die Fähigkeiten des Kindes aus. Familien, in denen kaum gesprochen oder gelesen und vorgelesen wird, brauchen sich nicht zu wundern, wenn der Sprössling sich mit dem Sprechen schwertut.

Logopädische Behandlungen und Sie

Logopädische Behandlungen mögen nötig werden, sie sind aber kein Grund zum Verzweifeln. Nicht selten sind die Ursachen für Probleme bei der Sprachentwicklung leichter zu beheben, als man zunächst vermutet. Und neben der logopädischen Behandlung können Sie auch als Eltern aktiv werden und die Sprachentwicklung fördern.

  • Zunächst einmal gilt (obwohl es eine Selbstverständlichkeit ist): Nicht schimpfen! Wenn Ihr Kind Worte nicht richtig ausspricht, wiederholen Sie es lieber, ohne dabei zu lachen oder belehrend zu wirken. So kommt die korrekte Aussprache beim Kind an, ohne es zu verletzen.
  • Sprachprobleme und Motorik liegen oft nah beieinander. Gehen Sie mit Ihrem Kind raus, animieren Sie es zum Spielen, Toben, Klettern! Mit der Motorik verbessert sich oft auch die Fähigkeit zum Sprechen.
  • Kinder mit Sprachproblemen mögen Sprache nicht, das liegt auch durchaus nahe. Wer kann schon etwas mögen, das ihm dauerhaft und wiederholt solche Schwierigkeiten bereitet? Spaß am Sprechen kann man aber lernen. Witzige oder spannende Geschichten, Gedichte oder kleine Abzählreime helfen ebenso wie Lieder oder Fingerspiele. Es muss darum gehen, dem Kind das Grauen vor der Sprache zu nehmen. Ist das geglückt, sind Sie schon wieder einen Schritt weiter.

Alles nicht so schlimm?

Jede Sprachstörung ist so individuell wie das Kind, das mit ihr zu kämpfen hat. Daher gilt es, sich genau anzusehen, woran es liegt und gegebenenfalls einen Spezialisten aufzusuchen. Schon in den ersten Monaten Fehlentwicklungen zu vermuten, hilft der Sache aber nicht. Und wenn Sie sich tatsächlich nicht von Ihrer Sorge lösen können, gehen Sie ruhig ein wenig früher zum Arzt. Das ist immer noch besser, als ein Problem hochzustilisieren, das es womöglich gar nicht gibt. Gibt es Bedarf, können Sie rechtzeitig handeln. Gibt es keinen, können Sie Ihrem Kind die Ruhe gönnen, sich so entwickeln, wie es zu ihm passt. Und zwar in seinem ganz eigenen Tempo.