Das hätte ich mir nie träumen lassen. Denn eins war klar in Beziehungsfragen:
Alles – nur kein Kind!
Doch wo die Liebe hinfällt - fällt sie hin..
Also stand ich da: Ich, meine neue Freundin, UND ihr sechsjähriges Kind.
Eine Liebeserklärung
Und plötzlich heisst es: Keine Nächte mehr durch machen, nicht bis in die Puppen wegbleiben, abends Hausaufgaben statt Splatterfilme oder „Ritter Rost und Hexe Verstexe“ statt AC DC bis zum Anschlag.
Und wenn dem Balg schreit, tobt oder ihm was passiert, wo ist dann der „Ton aus- Knopf“, geschweige denn der „reset -Knopf “?
Als ich das erste Mal mit Luna allein war, Ihre Mutter war nur kurz um die Ecke einkaufen gegangen (und von wegen Burgers und Chips: „Bio“ heisst das neue Zauberwort), schwitzte ich Blut und Wasser (o.k. nur Wasser).
Nun, es ist nix passiert, die Katzen übernahmen die Unterhaltung und ich zählte die Sekunden.
Warum erzähl ich das hier?
Ich versuche mich zu erinnern, wie ich schlussendlich dahin kam, mit Luna ganze Tage zu verbringen. Ohne Angst! Mit Freude und Neugierde. Wie sich eine Freundschaft entwickelte. Wohlgemerkt- ich bin immer noch der Meinung, dass Eltern (Oh-Hab ich mich damit gemeint?) nicht die Freunde, sondern die Erzieher dieser kleinen Punks sein sollten.
Es entwickelte sich eine Gemeinschaft, die meinen alten anarchischen Humor wieder hervorlockte. Ich ertappte mich, wie ich wieder Schneebälle formte, wieder Wörter wie Algengrütze oder pupsen benutze und dabei kicherte. Wie ich mich „mit Karacho“ aufs Sofa werfe und den Spass in derlei Aktionen wieder finde. Hatte nicht Erich Kästner schon gesagt “Vergesst Eure Kindheit nicht!“.
Worauf will ich hinaus? Darauf, dass das Wort Verantwortung in diesem Artikel fällt. (So, jetzt ist es da!). Mein Schlüsselwort. In dem Moment, als ich mutig genug war, mich der Situation zu stellen, dass Luna sich bei mir oder auf dem Spielplatz oder sonst wo verletzen könnte und mir trotzdem nicht der Himmel auf den Kopf fallen würde, begann ich Verantwortung zu übernehmen.
Das brauchte natürlich Zeit. Zeit sich kennen zu lernen, Situationen gemeinsam durchleben.
Sich aufeinander ein zu lassen. Über den Umweg, für einen sechsjährigen Rocker Verantwortung zu übernehmen ("Nimm deinen Arm aus dem Hund!") übernahm ich schlussendlich Verantwortung für mich. (Tschüss , all ihr Alkoholexzesse,Ihr „in den Tag hinein Träumereien“ , Ihr Junkfoodköstlichkeiten). Und so wurde ich Stück für Stück (endlich) selbst erwachsen.
Dazu brauchte es also ein Kind. Vielen Dank .
Das habe ich übrigens beziehungstechnisch auch gelernt; Bei einer alleinerziehenden Mutter ist der „Kinderplatz“ schon besetzt, da ist nur ein „Erwachsenenplatz“ frei.
Und heute?
Ich habe natürlich Orte verloren, aber es sind viele neue dazu gekommen.
Einer davon: Die Küche. Traraa!
Ein Beispiel: Die Mutter auf Arbeit, ich bringe Luna aus dem Hort zu ihr nach Hause und finde anstelle eines gedeckten Tisches in der Küche einen Zettel, auf dem steht:
So mache ich griechische Pizza:
1. Ärmel hoch krempeln
2. Lächeln
3. Ofen auf 200 Grad vorheizen
4. Blätterteig samt integriertem Backpapier aufs Blech
5. 3 Tomaten waschen und schneiden
6. Tomaten auf Blätterteig verteilen
7. lächeln
8. Feta schneiden
9. Feta auf Blätterteig verteilen
10. Hände waschen
11. evtl. eine kleine Knoblauchzehe
12. natürlich auch verteilen
13. natürlich nochmal Hände waschen ( ächz)
14. Pfeffer drübber
15. schieb,schieb in den Ofen rein
16. ca.20 min backen
17. mit Topflappen bewaffnen
18. raus holen
19. ganz breit lächeln
20. ein mal bitte noch ins Kühlfach greifen und Petersilie rausnehmen
21. Petersilie drübber
22. schneiden
23. rauf auf Teller
24. piep.piep.piep. Wir ham uns alle lieb.
25. verschmatzen..
26. ein Stück für die Mutter zum Kosten aufheben
Lecker wars! Einfach wars! Ein Erfolgserlebnis für einen Verfechter der Tiefkühlpizza! Ich, der ich normalerweise einen großen Bogen um jede Küche gemacht habe.
Probierts aus. Wer sich auf das Abenteuer Kind (und bei Gott: es ist eins!) einlässt, findet unverfälschte Liebe und Belohnungen an Orten, an denen man es nie vermutet hätte.