Stromausfall

Wir waren mal wieder in totaler Hektik, niemand hatte mir gesagt, dass es so stressig ist ein Vaterjahr zu machen. Nun gut, wir hatten uns dazu entschieden und nun musste ich irgendwie da durch. Noch 216 Tage. Wisst ihr, wie lang Tage sein können?

Frühstückstisch decken, Kind anziehen, Brote schmieren, zum Kindergarten hetzten, einkaufen, Post erledigen, Kind zum spielen bringen, Kind wieder abholen und dabei bitteschön immer recht freundlich lächeln. 

 

Ich bin mir absolut sicher, meine Frau hatte bei der Erziehung nie so viel Stress.

 

Manchmal gab es jedoch Tage an denen blieb mir das Lächeln im Halse stecken. Heute war so ein Tag. Er fing schon prima an. Der Wecker hatte dank Stromausfall ebenfalls nicht geklingelt. 

 

Hoch geschreckt, Kaffee im Stehen geschlürft, während ich mit einem Bein versuchte in mein Hosenbein zu schlüpfen und mich mit dem anderen hüpfend Richtung Kinderzimmer bewegte. >> Daniel, schnell mein  Hase, wir müssen direkt los << rief ich, während ich seinen Lichtschalter anknipste und ihm seinen Pulli zuwarf. Schnell war da jedoch relativ. Daniel setzte sich erstmal schlaftrunken im Bett auf und fand viel mehr Gefallen an seinem kleinen, roten Feuerwehrauto das so nette Geräusche machte. Boa nicht jetzt >> Komm Hase, anziehen. << 

 

Kind aus dem Bett geangelt, seinen Pullover übergestülpt, die Arme eingefädelt, irgendwie die Strumpfhose angezogen, Kind über die Schulter geworfen… Schuhe brauchten wir nicht. Im Kindergarten wurden ja eh Pantoffeln angezogen. Im letzten Moment ein Notfall Butterbrot in Daniels Hand gestopft und ab durch die Tür zum Kindergarten. 

 

Das war nämlich ein ganz besonderer Kindergarten. Zwei Minuten zu spät und die Klingel schien nicht mehr zu funktionieren. Dann hatte man Pech und musste alle Erledigungen inklusiv Kind erledigen. Ich gab ein bisschen mehr Gas als erlaubt. Das musste noch zu schaffen sein. 

 

Daniel ohne Schuhe aus dem Kindersitz gebastelt, wieder über die Schulter geworfen und zur Kindergartentür gerannt. Klingel… Klingel … Kiliiiingelllll.

 

Ja gut, ich hatte es verstanden, die Klingel war defekt. Langsam, mit Daniel auf der Schulter, schlich ich zum Auto zurück. Vielleicht sah mich ja doch noch eine Kindergärtnerin und hatte Mitleid. Ganz ….. langsam….. nutze aber nix. Ich war ehrlich erfreut, wirklich! War doch toll, einkaufen mit kleinem Kind ohne Schuhe… wünscht sich das nicht JEDER?!?

 

Gut, nachdem ich innerlich bis Zwanzig gezählt hatte war mir klar, dass ich wohl oder übel wieder nachhause musste um Daniels Schuhe zu holen.

 

Ich versuchte an irgendetwas Positives zu denken. Nun, zumindest war ich nicht geblitzt worden… das war eindeutig positiv. Das hieß, der Tag wurde ab jetzt besser, da war ich mir sicher. 

 

Das nächste positive war, dass ich so auch noch denEinkaufszettel holen konnte. Ha, ein guuuter Tag! Zuhause angekommen, wieder das Kind aus dem  Kindersitz gebastelt, über die Schulter gelegt – ich muss aber doch mal zwischendurch erwähnen wie gelassen Daniel das ganze nahm, kein Mux, kein Klagen kein Quengeln -  ich sagte ja, ein guter Tag. 

 

An der Haustür angekommen angelte ich in der rechten Hosentasche nach meinem Haustürschlüssel, ähm doch wohl in der linken. Ich spürte wie mir der Schweiß auf die Stirn trat. Gesäßtaschen, ich war ja ein Mann, also musste er in der Gesäßtasche sein, wie mein Portemonai. Kein Portemonai, kein Schlüssel. Konnte nicht sein! Noch mal… rechte Hosentasche, linke Hosentasche, Gesäßtaschen, alle leer.

 

Mir wurde klar, dass ich ganz schön in der Tinte saß. Das Zeitalter der Handys war noch nicht angebrochen, aber ehrlich gesagt hätte ich ganz sicher nicht meine Frau auf der Arbeit angerufen und sie nachhause gebeten weil ich mit Kind ohne Schuhe vor der Haustür stand und keinen Schlüssel hatte. Ja wenn Sieeeee das bei mir gemacht hätte, das wäre natürlich etwas gaaanz anderes gewesen. Aber ich doch nicht. Eine Lösung musste her. Und zwar eine Männerlösung. 

 

Mit Kind auf den Schultern ums Haus. Alle Fenster zu. Balkontür zu, nur das immer offene Kellerfenster zum Heizungskeller, durch den aber nur ein Kleinwüchsiger passte, war offen. 

 

Ich schaute an mir runter, zog meinen Bauchansatz doll ein… reichte nicht, und kleiner wurde ich dadurch auch nicht.

 

>> Papa, ich kann das<< kam eine Stimme von meiner Schulter. DANIEL… das war die Lösung. Wir Männer mussten zusammenhalten! 

 

>> Gut Daniel, hör mir gut zu. Ich lasse dich durch das Fenster runter und du läufst nach oben und machst Papa die Haustür auf. << 

 

Vorsichtig packe ich Daniel unter den Achseln und ließ ihn zum Kellerfenster hinunter, packte dann um, nahm seine fast  4 Jahre alten Händchen und ließ ihn dann die letzten 10 Zentimeter vorsichtig hinunterplumpsen. 

 

>> So, nun läufst du schnell nach oben und machst Papa die Tür auf. << sagte ich und wollte mich schon auf den Weg zur Haustür machen.

 

>> PAPAAAAA<< Ich eilte zurück und steckte meinen Kopf in den dunklen Keller.

 

>> Hase, geh zur Tür und mach sie auf, dann läufst du die Treppe hoch und machst Papa die  Haustür auf << versuchte ich ganz geduldig und ruhig zu wiederholen.

 

>> Papa, kann ich nicht<< kam es aus dem dunklen Keller. >> Doooch, du schaffst das, du bist doch ein großer Junge, du musst nur zur Tür gehen >> sagte ich gaaaanz ruhig.

 

>> Papa, da ist keine Tür<< sagte Daniel mit sehr weinerlicher Stimme. 

 

Ich steckte meinen Kopf so weit ich konnte durch das Kellerfenster. Mir stockte der Atem.

 

Ich hatte die kleine Mauer vergessen. Die kleine Mauer, die die Heizöltanks vom Rest des Kellerraumes abtrennten. Die Mauer war zwar für meine Verhältnisse niedrig aber gemessen an Daniel, war sie wohl ehr so groß wie ein 4 Jähriger. Mist, mist, mist. 

 

Mir wurde nicht nur heiß und kalt, sondern mir wurde in diesem Moment bewusst was ich meinem Kind da zugemutet hatte. 

 

So Achim, sagte ich mir, nun reißt du dich ganz fix zusammen, bist ein echter Mann und findest sofort eine Lösung, und zwar eine anständige.

 

>> Hab keine Angst mein Hase, rief ich durch das Kellerfenster, Papa kommt sofort dich da rausholen. <<

 

Ich rannte zur Garage, stolperte unterwegs über meine eigenen Füße, schaffte es noch mich wieder zu fangen, und fing an, wie wild einen Draht, einen Bügel, irgendwas, womit man diese versch… Haustür aufbekommen konnte, zu holen. 

 

Gott sei Dank fand ich einen Draht. 

 

Hätte ich ja auch vielleicht mal vor dem Kellerfenster drauf kommen können. Bog mir den Draht mit zitternden Fingern zurecht und schob ihn durch den Briefkastenschlitz Richtung Türklinke. 

 

Erster Versuch, gescheitert. Ganz ruhig Achim… sagte ich mir immer… du schaffst das. Zweiter Versuch war schon besser, der Draht berührte zumindest schon mal die Türklinke. Dritter Versuch… PLOP… da ging die Haustür auf, ohne das der Draht auch nur annähernd die Türklinke berührte.

 

Ich schob die Haustür auf und wollte meinen Augen nicht trauen. Da fiel mir Daniel um den Hals. Vollkommen verwirrt nahm ich meinen Sohn in die Arme.

 

>> Wie bist du denn jetzt aus dem Keller gekommen<< fragte ich. Daniel nahm mich an die Hand und zog mich hinter sich her in den Keller, machte die Heizungskellertür auf und ich hätte fast angefangen zu lachen. Die Mauer im Heizungskeller war gar nicht komplett durchgezogen sondern hatte am hinteren Ende eine ca. 1 Meter große Öffnung. 

 

Klar, wie blöd war ich denn, ich bin ja schließlich nie über die Mauer geklettert um die Heizungstanks zu reinigen.

 

>> Daniel, du bist ein Held << nahm ich den kleinen liebevoll auf den Arm, ging mit ihm wieder in die Wohnung, schmiss den Einkaufszettel in die Ecke, schmierte ihm ein doppeltes Schokotoast  -  die Mama hat es ja nicht gesehen - und wir verbrachten den Rest des Tages gemeinsam in seinem Zimmer mit den Bausteinen … und der kleinen roten Feuerwehr.

 

 

 

Autor: Joachim Mans

 

 

 

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