Der berühmt-berüchtigte Klaps auf den Hintern, der noch nie jemandem geschadet haben soll, schien ein Relikt vergangener Zeiten zu sein. Moderne Eltern schlagen ihre Kinder nicht, so sollte man meinen. Doch eine repräsentative Umfrage hat ein völlig anderes Bild ergeben. Beinahe die Hälfte aller Eltern nutzen bei der Erziehung ihrer Kinder auch körperliche Mittel, um zum Erfolg zu kommen. Bequemlichkeit oder Hilflosigkeit?
Alles halb so schlimm? Fast jedes zweite Kind wird geschlagen
Das Ergebnis der Studie von FORSA im Auftrag der Zeitschrift „Eltern“ könnte schlimmer sein. Könnte man meinen. Zwar gaben 40 Prozent der befragten Eltern an, nicht ohne körperliche Züchtigung auszukommen. Dabei handele es sich aber lediglich um den vergleichsweise „harmlosen“ Klaps auf den Po. Doch erstens ist schon das schlimm genug und ein Ausdruck von Ratlosigkeit oder Unvermögen in Sachen Erziehung. Und zweitens sind die anderen Methoden, die als Hilfe zur Erziehung angesehen werden, zwar subtiler, aber sicher nicht weniger bedenklich.
Der Klaps auf den Hintern: Der Osten hält sich zurück
Wenn man bedenkt, dass die Menschen in den neuen Bundesländern Jahrzehnte lang in einem autoritären System gelebt haben, würde das den Verdacht nahelegen, dass in diesen Gebieten Deutschlands mehr Kinder geschlagen werden als im von Freiheit verwöhnten Westen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall, zumindest was den Klaps auf den Po angeht. In den alten Bundesländern gaben 42 Prozent der Befragten an, sich der fragwürdigen Methode zu bedienen. Im Osten des Landes waren es mit 32 Prozent 10 Prozent weniger. Die Studie ging weiter und wollte wissen, wie viele der heutigen Eltern in ihrer Kindheit selbst geschlagen wurden. Auch hier ein klares Bild: Im Osten wurde weniger mit dem Mittel körperlicher Gewalt erzogen. Dafür war eine andere Praxis im Osten ausgeprägter. Die Eltern in den neuen Bundesländern ohrfeigen ihre Kinder häufiger. 14 Prozent gaben das an, während im Westen nur 9 Prozent auf dieses Mittel zurückgriffen.
Jungen bekommen häufiger Schläge
Die Umfrage ergab ein naheliegendes Bild. Je jünger die Kinder sind, desto eher wird der Klaps auf den Po angewendet. Werden sie älter, rückt das Mittel der Ohrfeige weiter in den Fokus der Eltern. Insgesamt müssen Jungen häufiger mit einem Klaps rechnen als Mädchen. Erschreckend bleiben die Zahlen dennoch. Immerhin gaben 39 Prozent der Eltern von Mädchen zu, den Schlag auf das Hinterteil einzusetzen, bei den Jungen war es sogar 45 Prozent. Der Weg zum richtigen Verhauen ist dennoch ein wenig weiter, als zu befürchten wäre. Hier gaben drei Prozent der Eltern von Mädchen an, dem Nachwuchs hin und wieder „den Hintern zu versohlen“, bei den Jungen waren es sechs Prozent.
Viele Kinder, viele Schläge?
Die Gründe von Schlägen sind unterschiedlich, eine wesentliche Rolle spielt aber der Faktor der Überforderung. Dabei spielt auch die Anzahl der Kinder in Familien mit hinein. Je mehr Kinder die befragten Eltern hatten, desto schneller wurde die Hemmschwelle zum Schlagen überschritten. Rund 47 Prozent der Familien mit drei oder mehr Kindern gaben an, schon einmal handgreiflich zu werden. Einzelkinder haben es dagegen ein wenig besser.
Richtig gut geht es den Eltern nicht, wenn Sie körperliche Gewalt anwenden, selbst wenn es nur dezente Schläge sind. Rund 74 Prozent haben nach ihrer Tat ein schlechtes Gewissen, wobei die Frauen sich reuiger zeigen als die Männer. Die Auftraggeber der FORSA-Studie werten diese Entwicklung positiv, schließlich waren es im Jahr 2006 nur 71 Prozent, die ein peinlich berührtes Gewissen zeigten. Darin wird ein Trend zur rückläufigen Gewalt in der Erziehung gesehen.
Schläge mit dem Stock sind out
Bestimmte Formen der Erziehung (wobei dieser Begriff hierauf schon nicht mehr als zutreffend bezeichnet werden kann) sind für die Eltern dieses Jahrtausends allerdings tabu. Das Schlagen mit dem Stock gehört eindeutig dazu. Eindeutige 100 Prozent der befragten Eltern gaben an, dieses Mittel niemals anzuwenden.
Gründe fürs Bestrafen
Die Gründe, die Eltern nennen, wenn sie ihre Kinder bestrafen, sind bemerkenswert. Besonders die Tatsache, dass 40 Prozent der Eltern zu viel Aggressivität bei ihren Kindern unterstellen und daraufhin Strafen praktizieren, spricht Bände. Unverschämtes Verhalten wird von 51 Prozent angegeben, Ungehorsam nennen 40 Prozent als Grund für das Betrafen. Etwas mehr als ein Viertel der Eltern rechtfertigte sich mit dem Schutz von Geschwistern, die angegangen werden. Und 16 Prozent argumentierten über die eigene Selbstlosigkeit, indem sie Strafen einsetzen, wenn der Nachwuchs „sich selbst in Gefahr“ bringt.
Keine Schläge, große Wirkung
Auch ohne Schläge kann es übel zugehen. Der „Stille Stuhl“ wird als Druckmittel genutzt, um Kindern Fehlverhalten aufzuzeigen, der wahrhaftige Faustschlag auf den Tisch wird ebenfalls eingesetzt. Über die Wirkung des „Stillen Stuhls“ wird spätestens seit der Super-Nanny im Privatfernsehen diskutiert, der Schlag auf den Tisch muss keine Traumata hervorrufen, kann aber -je nach Sensibilität des Kindes- trotzdem unangenehme Auswirkungen haben.
Eines der verstörenden Mittel in der Erziehung wird von immerhin 26 Prozent der befragten Eltern angewendet. Um dem Kind falsches Verhalten deutlich zu machen, greifen diese Eltern darauf zurück, ihre Kinder vollständig zu ignorieren und nicht mehr mit ihnen zu sprechen. Man muss nicht studiert haben, um zu wissen, dass diese Methode erstens schmerzhaft für das Kind und zweitens pädagogisch hochgradig nutzlos ist. Bleibt zu hoffen, dass sich auch hier die angedeutete Rückläufigkeit weiter fortsetzen wird.