Körpergefühl ist das Gefühl für die eigenen Grenzen, das Wissen: Wo höre ich auf, wo fängt meine Umwelt an. Kinder entwickeln dieses Gefühl in der Regel im Laufe ihrer Kindheit: Durch die Berührungen der Eltern, durch Bewegung und durch das Ausprobieren der eigenen körperlichen Fähigkeiten.
Lust an der Bewegung – Kindern Körpergefühl vermitteln
Säuglinge, die nicht berührt werden, sterben, denn gerade der innige Hautkontakt in den ersten Lebensmonaten vermittelt dem Baby, dass es geliebt, gehalten und geschützt ist. In dieser Zeit entwickelt sich durch viele zärtliche Berührungen auch das Gefühl für den eigenen Körper. Das ist wichtig, um das Potential, dass das Zusammenspiel aus Muskeln, Skelett und Gehirn bietet, optimal nutzen zu können. Noch viel wichtiger ist die Fähigkeit, sich selbst zu spüren, denn nur so ist es möglich, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln und zu erkennen, was man selbst braucht und will.
Babys brauchen Liebe und Berührungen
Neugeborene kommunizieren zum großen Teil über die Haut mit ihren Eltern. Deshalb ist der Körperkontakt – am besten Haut an Haut – so wichtig. Stillen und Tragen, Streicheln und regelmäßige Babymassagen sorgen dafür, dass Ihr Kind seine Körpergrenzen kennenlernt und ein Gefühl für sich selbst und damit auch für seine Umwelt entwickelt. Ein Kind muss sich in seinem Körper wohlfühlen, nur dann entwickelt es auch ein gesundes Selbstbewusstsein. Der Grundstock dafür wird in der Babyzeit und in der Kindheit gelegt. Die Haut, aber auch die anderen Sinnesorgane eines Babys brauchen Nahrung. Dazu gehören Wärme, Nahrung, menschliche Nähe und Zuwendung genauso wie die Möglichkeit zur freien Bewegung. Aus den Erfahrungen, die es hierbei macht, entwickelt sich das sogenannte „Körper-Selbst“, also die Wahrnehmung des eigenen Körpers als abgetrennte Einheit, als erste Stufe des Bewusstseins.
Mein Körper ist gut und richtig
Zur Wahrnehmung des eigenen Körpers gehört auch seine Erforschung. Dabei sind Kinder tabulos. Sie untersuchen ihre Hände und Füße genauso unbefangen wie ihre Geschlechtsorgane und entwickeln zum ganzen Körper eine positive oder auch eine negative Einstellung. Wie sich das Körpergefühl entwickelt, hängt maßgeblich von der Reaktion der Eltern ab. Werden einzelne Körperteile tabuisiert oder die Beschäftigung damit als unangemessen angesehen, dann übernimmt das Kind diese Wahrnehmung und empfindet sich selbst als nicht richtig.
Positiv wirkt es sich aus, wenn sich Eltern zusammen mit Ihrem Kind mit dessen Körper beschäftigen. Das kann Wiegen und Schaukeln sein, wildes Herumbalgen, Massagen oder andere Formen der Berührung. Immer geht es darum zu vermitteln: Dein Körper ist gut, er hat die Fähigkeit, Dich zu tragen, zu bewegen und Dir Eindrücke der Außenwelt zu vermitteln.
Was die Körperwahrnehmung stärkt
Nicht nur Babys, auch Schulkinder profitieren noch von der Beschäftigung mit dem eigenen Körper. Dazu gehört unbedingt ausreichende und unreglementierte Bewegung wie rennen, toben, klettern oder sich balgen. Die Körperwahrnehmung lässt sich außerdem durch bestimmte Bewegungsangebote gezielt fördern und verbessern:
- Kampfsportarten wie Aikido, Karate, Judo oder Taekwondo - Körpergefühl, aber auch Konzentration und Aufmerksamkeit werden gefördert. Dadurch wirkt sich Kampfsport auch positiv auf Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADHS) aus.
- Tanzen stärkt das Körpergefühl und die Körperbeherrschung und sorgt dabei gleichzeitig für ein gestärktes Selbstbewusstsein. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Angeboten für alle Altersklassen wie kreativer Kindertanz, Tanztheater, Balletttanz oder Ausdruckstanz.
- Reiten - der Umgang mit einem so großen Tier wie einem Pferd erfordert Einfühlsamkeit und Fingerspitzengefühl. Pferde beherrscht man über Körpersignale. Deshalb bekommt ein Kind ein Pferd auch nur dann unter Kontrolle, wenn es seine eigene Wahrnehmung entwickelt und mit dem eigenen Körper bewusst umgeht.
Sportarten wie Leichtathletik oder Mannschaftssportarten können sich ebenfalls positiv auf Körper- und Selbstbewusstsein auswirken. Allerdings sollten Eltern bei allen Sportarten darauf achten, dass der positive Effekt für den Körper und die Wahrnehmung des Kindes nicht von übermäßigem Leistungsdenken überlagert wird.
Körperbewusstsein lernen
Einigen Kindern fehlt ein eigenes Körpergefühl. Die Gründe dafür liegen meist in der frühen Kindheit. Oft sind Frühgeburten betroffen, die lange Zeit im Brutkasten verbracht haben, aber auch Kinder, die mit wenig Körperkontakt aufgewachsen oder allgemein vernachlässigt worden sind, zeigen in diesem Bereich Störungen. Eine fehlende Eigenwahrnehmung wirkt sich auf alle Bereiche des Lebens aus. Nicht nur der Bezug zum eigenen Körper ist gestört, dadurch, dass das Kind seine eigenen Grenzen nicht kennt, hat es auch Probleme damit, die Grenzen anderer anzuerkennen. Verhaltensauffälligkeiten und ein gestörtes Sozialverhalten können die Folge sein. Die Kinder können sich schwer abgrenzen und sind damit auch sexuellen und gewalttätigen Übergriffen durch andere leichter ausgesetzt.
Neben dem Umgang mit dem Kind können die Ursachen für ein gestörtes Körpergefühl auch in einer Krankheit liegen. Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizitstörung oder autistische Kinder sind häufig betroffen.
In vielen Fällen kann durch eine regelmäßige Ergotherapie eine entscheidende Verbesserung des Körpergefühls erzielt werden. In regelmäßigen Sitzungen werden dort verschiedene Therapien eingesetzt, die dem Kind helfen, Bewegungsabläufe und Sinneswahrnehmungen zu verbessern. Welche Therapieform gewählt wird, entscheidet der Ergotherapeut nach einer gründlichen Anamnese.
Körpernähe und Zuwendung ist für die meisten Eltern eine Selbstverständlichkeit und das ist auch gut so. Unterstützen Sie Ihr Kind durch viel Körperkontakt, sich gut zu entwickeln und sich selbst als eigenständige und wertvolle Person wahrzunehmen.
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