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Wie Kinder teilen lernen

Kinder sind von Natur aus egoistisch, um überleben zu können. Diese Eigenschaft hilft ihnen in den ersten Lebensjahren all das zu erhalten, was sie brauchen: Nahrung, Zuwendung, Wärme und eine trockene Windel. Allerdings müssen Kinder irgendwann auch lernen zurückzustecken und zu teilen – dies sind wichtige Grundregeln der Sozialisation.

Studien haben ergeben, dass Kinder erst im Grundschulalter das Prinzip des Teilens wirklich verstehen und umsetzen können. Allerdings müssen Geschwister die Notwendigkeit des Teilens schon erheblich früher lernen, sie teilen dann nicht aus einem Bedürfnis oder einem Gerechtigkeitssinn heraus, sondern aus Gewohnheit und weil die Eltern dies als Regel aufgestellt haben.


Die Entwicklung des kindlichen Gerechtigkeitssinns

Während Kleinkinder noch größtenteils selbstsüchtig handeln, entwickeln ältere Kinder einen mehr oder weniger ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Auch hier kommt es vor allem auf das elterliche Vorbild an. Erleben Sie bei den Eltern, dass alles gerecht aufgeteilt wird, übernehmen sie nach und nach diese Verhaltensweisen. Freiwilliges Teilen gehört zur Sozialisation dazu und ist eine der Eigenschaften, die den Menschen maßgeblich vom Tier unterscheidet.

Nach einer Studie von schweizer Wissenschaftlern gehört die Fähigkeit zum Teilen allerdings zum menschlichen Erbgut. Die Eigenschaft ist von Geburt an angelegt und wird im Laufe der Zeit zunehmend entwickelt. Die Forschungsergebnisse, die nach Tests mit 127 Mädchen und 102 Jungen ausgewertet wurden, ergaben, dass die Bereitschaft zum Teilen mit dem Alter zunimmt und unabhängig davon ist, ob sich die Kinder bereits kennen oder nicht. Erstaunlicherweise stellte sich ebenfalls heraus, dass Einzelkinder eher zum Teilen bereit sind als Geschwisterkinder.


Teilen will gelernt sein

Auch wenn Teilen eine teilweise angeborene Fähigkeit zu sein scheint, muss es doch als Teil des sozialen Verhaltens gelernt und geübt werden. Kinder lernen dies in hohem Maße in der Gruppe - also vor allem im Kindergarten. Dort hat ein Kind zwangsläufig nicht alle Spielsachen für sich, sondern muss sich arrangieren, absprechen, Kompromisse finden. Die Qualität der erzieherischen Methoden, mit denen den Kindern dort das Teilen beigebracht wird, hat einen großen Einfluss auf diese Eigenschaft.

Eltern können ebenfalls mit dem Kind das Teilen üben - und das so früh wie möglich. Dabei ist es immer wichtig, dass das Teilen freiwillig erfolgt und nicht zum Zwang wird. Das Kind muss aus seinem eigenen Verständnis und Bedürfnis heraus etwas von seinem Spielzeug oder seinem Essen abgeben. Auf Spielplätzen sieht man oft Eltern, die im Streitfall dem einen Kind das umkämpfte Objekt wegnehmen und es dem anderen geben. Das ist denkbar falsch. Greifen Sie hier so spät wie möglich ein und lassen Sie den Kindern erst einmal die Möglichkeit sich zu einigen. Scheint dies nicht möglich zu sein, versuchen Sie zu vermitteln und den Kindern zu helfen, eine Lösung zu finden. Zum Beispiel könnte das eine Kind noch eine Weile das Spielzeug behalten dürfen und es dem anderen dann freiwillig übergeben. Alternativ spielen sie vielleicht zusammen damit oder es wird einfach beiseite geräumt und kein Kind spielt damit. Kinder sind hier oft kreativ, wenn sie nur genug Zeit haben und Eltern auch einmal laute Streitereien aushalten können. Allerdings sollten Sie eingreifen, wenn die Diskussion zu unsachlich und handgreiflich wird.


Teilen als positive Erfahrung

Wenn Kinder lernen, dass das Teilen Vorteile bringt, wird automatisch ihre Bereitschaft dazu steigen. Ein guter Einstieg besteht darin, etwas zu verteilen, wovon genug da ist. Das können zum Beispiel auch Kekse oder Gummibärchen sein. Ihr Kind wird die Erfahrung machen, dass es positive Resonanz erhält, wenn es etwas abgibt und dass es auch etwas zurückbekommt, wenn ein anderes Kind etwas aufzuteilen hat. Nach den ersten Erfahrungen dieser Art wird Teilen zu etwas Positivem.

Allerdings ist dabei darauf zu achten, dass Teilen und Abgeben nicht zum Mittel wird, um sich Freundschaften zu „erkaufen“. Kinder sind feinfühlig und merken schnell, wenn ein Kind dies versucht. Achten Sie mit darauf, dass ihr Kind in dieser Hinsicht nicht ausgenutzt wird.


Manches kann nicht geteilt werden

So löblich und wichtig die Fähigkeit zum Teilen ist, so gibt es doch auch Dinge, die einfach nicht verliehen oder geteilt werden wollen. Das Lieblingsschmusetier, das schon von Geburt an Bettgenosse ist, gehört auf jeden Fall dazu und auch andere Dinge sind dem Kind manchmal so wichtig, dass es sie einfach nicht hergeben mag. Auch das muss akzeptiert werden und gilt in beide Richtungen. Denn nur dann, wenn Sie akzeptieren, dass Ihr Kind bestimmte Dinge nicht teilen mag, wird es im Gegenzug auch verstehen und akzeptieren, dass manche Besitztümer der Eltern tabu sind. Dazu gehören zum Beispiel der Computer, Mamas Handtasche oder Papas Brieftasche.