Kennen Sie das? Liebe Freunde oder Verwandte haben Ihrem Kind etwas geschenkt, das richtig Krach macht. Ein junger Vater berichtet, wie ihn das Spielzeug seines Sohnes an den Rand des Wahnsinns treibt.
Geschenk des Grauen - es blinkt und ist schön laut
Ich habe keine ernsthaften Zweifel der Vater meines Sohnes zu sein. Dafür sehen wir uns viel zu ähnlich. Auch manch eine meiner Gesten hat mein Sohn Noah bereits übernommen und erinnert mich damit täglich daran, dass ich fraglos sein Vater bin. Nur in geschmacklichen Dingen kommen wir gerade gar nicht zusammen. Ja, ich gehe soweit zu behaupten, dass mein Sohn in mancher Hinsicht einen ausgeprägt schlechten Geschmack hat. Anlass für diese Aussage ist ein neues Spielzeug, das Noah von Freunden meiner Frau geschenkt bekommen hat.
Was ist das denn?
Als ich es auspackte, hatte ich keinerlei Ahnung, worum es sich bei dem klobigen Plastik-Ding mit bunten Knöpfen und einem blauen Fortsatz handeln sollte. Es hatte keine Form, die ich irgendeinem Alltagsgegenstand zuordnen konnte. Kein Auto, kein Zug, kein Haus, kein Tier. Es war einfach nur massig und hatte drei bunte Knöpfe. Egal, dachte ich, Plastikspielzeug hat bei uns eh keinen Platz und legte es ganz tief in Noahs Spielzeugkiste. Doch da hatte ich die Rechnung ohne meinen Sohn gemacht. Es dauerte nicht lange, da hatte Noah das Plastik-Ding entdeckt. Das wird ihm bestimmt nicht gefallen, dachte ich, weil man damit ja nichts machen kann.
Sein liebstes Spielzeug
Als hätte er meine Gedanken erraten, begann mein Sohnemann begeistert auf dem Plastik-Ding herumzuhauen und machte dazu begeisterte Glucks- und Grunzlaute. Damit begann unser Martyrium. Es reichte nicht, dass plötzlich bunte Lämpchen blinkten, nein eine freundliche Frauenstimme begann auf einmal Lieder zu singen, an deren Text manch Dadaist seine wahre Freude hätte. So klingen jetzt Textzeilen wie „ Mein Schlüssel der ist kunterbunt, kunterbunt ich habe mit ihm ganz viel Spaß und das ist wundervoll“ aus Noahs Zimmer. Dicht gefolgt von einem „Wau,wau ich bin der Hund“ und als wäre das noch nicht genug erklingt im Anschluss „Nimm den Schlüssel in die Hand, fahre Auto fahre Zug mit dem Schlüssel hast du Spaß und los geht’s“. Beendet wird das Ganze dann mit „Es ist schön wieder daheim zu sein“ - wobei dieser Dialekt auch noch im bayerischen Idiom daherkommt.
Der Schlüssel zum Wahnsinn
Nun wissen wir zwar, dass es sich bei dem klobigen Ding um einen Schlüssel handeln soll, aber warum ein Schlüssel kunterbunt ist und wieso man mit einem Schlüssel ganz viel Spaß haben kann, verrät uns die freundliche Dame leider nicht. Braucht sie auch nicht, denn Noah hat ganz viel Spaß damit. Begeistert drückt er auf den bunten Knöpfen herum und erfreut uns tagtäglich mit einem Potpourri sinnbefreiter Kinderlyrik, die aus seinem Zimmer zu uns herüberklingt. Denn Noah wartet nicht erst ab, bis die eine Textzeile zu Ende ist, bevor er die Nächste aufruft. So erfreuen wir uns dann an Texten wie: „Nimm den Schlüssel in die Hand fahre Auto fahre Zug mit dem Schlüssel...Wau,wau ich bin der Hund....Es ist schön wieder...Mein Schlüssel der ist...Miau, ich bin die Katze...Es ist schön wieder daheim zu sein...Nimm den Schlüssel....Es ist schön wieder daheim zu sein...Mit dem Schlüssel....Wau,wau ich bin der Hund...“ Meine Frau und ich sitzen derweil kopfschüttelnd auf dem Sofa und stecken uns die Finger in die Ohren.
Ihm das Spielzeug wegnehmen?
Ein Blick auf die Webseite des Herstellers verrät mir: „Der spannende Musik-Schlüssel garantiert jede Menge Lernspaß. Lustige Lieder, bekannte Kindermelodien und witzige Geräusche begeistern Kinder auf Anhieb.“ Es wurde bei der Beschreibung nur vergessen anzufügen: „ … und treiben Eltern in den Wahnsinn.“ Natürlich könnten wir Noah den Schlüssel einfach wegnehmen und verstecken und mit seinen sechs Monaten würde er sich wahrscheinlich auch nicht wirklich an das schreckliche Ding erinnern, aber ist das der richtige Weg? Müssen nicht vielmehr meine Frau und ich lernen damit umzugehen, dass er nun einmal Spaß mit einem Spielzeug hat, das wir schrecklich finden?
Was bringen Verbote?
In meiner Kindheit gab es bei mir zu Hause keine Star Wars Figuren oder Raumschiffe und auch He-Man und seine Mannen waren tabu. Einige meiner Freunde hatten dieses Spielzeug natürlich und so freute ich mich, dort mit Luke Skywalker und Skeletor spielen zu können - und das mit viel Fantasie. Das die He-Man Figuren ein verzerrtes Bild menschlicher Körper darstellten und Han Solo und R2-D2 aus einer Geschichte stammten, die "Krieg der Sterne“ hieß spielte für mich keine Rolle. Vielmehr lagen die Figuren gut in der Hand und man konnte im Garten oder Park wunderbar damit spielen, ohne dass sie kaputt gingen. Diese Erkenntnis verbietet es mir heute, meinem Sohn einfach etwas wegzunehmen. Wir haben deshalb eine andere Strategie: Wir warten jetzt, bis die Batterien alle sind. Noch weiß er ja nicht, dass man die austauschen kann. Sobald der Schlüssel nicht mehr blinkt und tönt, wird er bestimmt uninteressant.
Christian Mörken, 38 Jahre, lebt als freier Autor, Redakteur und Texter mit seiner Frau Gabriela und seinem Sohn Noah Maximilian in Stuttgart.