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Gleichberechtigung heißt gleiche Rechte – für beide Seiten. Warum Frauen mit der neuen Männerrolle nicht klarkommen

Seit über hundert Jahren kämpfen Frauen organisiert für ihre Gleichberechtigung. Seit über vierzig Jahren ist der Begriff der Emanzipation aus unserem Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken. Frauen verlangen gleiche Rechte, gleiche Chancen und berufliche Möglichkeiten - und das zu Recht. Aber gilt das auch umgekehrt? Als Hausmann und Vater erlebe ich, wie schwer sich Frauen tun, die „neuen Männer“ zu akzeptieren.

„Traust du dir das zu?“, fragte mich eine Freundin, als ich ihr eröffnete, dass meine Frau zukünftig Vollzeit arbeiten würde und ich mit unserem Sohn (20 Monate) zu Hause bleiben würde. „Und deine Frau ist damit auch einverstanden?“, lautete eine andere Frage. Ich gebe zu, anfänglich ein wenig verwirrt gewesen zu sein, erhoffte ich mir doch anerkennendes Schulterklopfen von den befreundeten Müttern. Sie waren schließlich den ganzen Tag mit der Versorgung der Kinder, den Fahrten zum Ballett- oder Musikunterricht befasst und durften zusätzlich noch den Haushalt schmeißen. Gut - der Göttergatte würde am Wochenende die Getränkekisten holen und am Sonntag auch mal den Geschirrspüler ein - oder ausräumen und am Montag die Mülltonne an die Straße stellen. Doch die Hauptlast für die Familienorganisation liegt in der Regel immer noch auf weiblichen Schultern. Ich würde mich nun der Aufgabe stellen und die Rolle des Hausmanns und Vaters übernehmen und damit alle klassischen Aufgaben der Hausfrau und Mutter. War ich damit nicht das Musterbild des emanzipierten Mannes? 


Ablehnung statt Anerkennung

Doch statt Anerkennung und Wohlwollen, stieß ich auf Zweifel, Skepsis bis hin zu offener Ablehnung. Ich kann kaum beschreiben wie verwundert ich darüber war. Aufgewachsen in einem linksliberalen Elternhaus, war es für mich selbstverständlich, dass Menschen ihr Leben selbstbestimmt und frei gestalten sollten und zwar unabhängig von ihrem Geschlecht. Traditionelles Rollenbild? Das wurde mir nicht vermittelt. Umso erstaunter war ich also, dass ich nun mit fast vierzig Jahren auf längst überwunden geglaubte Vorbehalte stieß. Aber weit irritierter war ich darüber, dass diese nicht von Männern kamen, sondern von Frauen.


Die ewig gleichen Fragen

Bereits wenige Tage, nachdem meine Frau angefangen hatte, zu arbeiten, ging ich am Nachmittag mit unserem Sohn auf den Spielplatz. Dort stieß ich auf eine Reihe von Müttern aus unserer Krippe. Sobald ich mich zu ihnen setzte begannen die Fragen, wie es meiner Frau bei der Arbeit ginge, ob sie ihren Sohn nicht vermissen würde und wie ich denn mit der neuen Rolle klar käme. Meine Antwort, dass soweit alles bestens laufen würde, wurde mit ungläubigem Nicken quittiert. Glaubte ich hier noch, dass dies ein einmaliger Vorgang war, so täuschte ich mich. Gleich, wo ich hinkam, dauerte es nicht lange bis die Fragen nach dem Berufsleben meiner Frau und meiner Rolle als Hausmann und Vater auftauchten. Was war es, das unsere Entscheidung, als Mann zu Hause zu bleiben, für diese Frauen so schwer machte?


Diskriminiert?

Besonders unangenehm fühlte ich mich beim Kinderturnen. Wenn die Leiterin des Kurses eine neue Übung erklärte, schloss sie jeweils mit dem Satz: „So und nun nehmen die Mamis euch an der Hand und machen es euch vor.“ Anfangs murmelte ich nur: „und Papis“ und machte mit. Doch nachdem ich den Kurs wochenlang besuchte und es jedes Mal nur „Mamis“ hieß, platze mir der Kragen. Ich konfrontierte die Trainerin mit ihrer – in meinen Augen – diskriminierenden Art. Das fehlende Verständnis und die Abwiegelei auf die ich stieß, unterschied sich in nichts von den Kommentaren sexistischer Chefs, die ihre Mitarbeiterinnen anwiesen, sich nicht so anzustellen, wenn diese sich belästigt oder diskriminiert fühlten.


Sexismus umgekehrt?

Hatte ich Anfangs noch das Gefühl, dass unsere Wohnortsituation auf dem Lande vielleicht für die fehlende Offenheit verantwortlich sei, wurde ich bald eines besseren belehrt. Ein Gespräch mit einer renommierten Erziehungs- und Familienautorin, zeigte mir, dass Hausmänner mit Kindern allerorten auf diese Vorbehalte stießen. In ihrem Heimatort hatte eine Krabbelgruppe das einzig männliche Mitglied gerade rausgeworfen. Man begründete diesen Schritt damit, dass man befangen sei über Frauenthemen zu sprechen, wenn ein Mann anwesend wäre. Das war unzweifelhaft diskriminierend.


Angst um die eigene Rolle?  

Was treibt Frauen bzw. Mütter zu diesem Verhalten gegenüber Vätern, die zu Hause bleiben? Ist es die Angst, dass Männer in traditionelle Frauenrollen einbrechen könnten, so wie einst Frauen in traditionelle Männerberufe einbrachen? Ist es die Erkenntnis, dass vielleicht auch Väter Aufgaben gut bewältigen würden, die traditionell nur Frauen zugedacht sind? Mir ist in der Zeit meines Daseins als Hausmann und Vater klar geworden: Die Emanzipationsbemühung scheitern mitnichten nur an Männern, die sich standhaft weigern, das traditionelle Rollenbild aufzugeben. Sie scheitern auch an Frauen, die sich davon nicht lösen können. Wer Männern, die in traditionelle Frauenrollen schlüpfen, feindselig begegnet, schadet einem Wandel im Land ebenso wie der sexistische Kollege in der Werkstatt, der seiner Kollegin nichts zutraut.  Hier müssen sich auch die Frauen überlegen, was sie denn eigentlich wollen.
 

Christian Mörken, 38 Jahre, lebt als freier Autor, Redakteur und Texter mit seiner Frau Gabriela und seinem Sohn Noah Maximilian in Pfronten.