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Morgens Chef und ab mittags Papa - Anspruch auf eine Teilzeitstelle während der Elternzeit

Viele Arbeitnehmer organisieren ihr Privat- um ihr Erwerbsleben herum und opfern gerne viel Zeit für ihren Beruf, denn hier bekommen sie Anerkennung und Erfolgserlebnisse. Mit der Geburt des ersten Kindes verschieben sich diese Prioritäten häufig. Für diejenigen, die in den ersten Monaten viel Zeit mit dem neuen Kind verbringen möchten, aber dennoch auch zeitweise nicht ganz aus dem Beruf aussteigen wollen, gibt es den Anspruch auf eine Teilzeitstelle während der Elternzeit.

Der Wunsch, auch temporär nicht ganz aus dem Berufsleben auszusteigen, ist vor allem bei Vätern, für die bis zur Geburt des ersten Kindes die eigene Karriere im Mittelpunkt stand, verständlich. Je höher man im Unternehmen aufgestiegen ist, desto schneller bekommt man den Eindruck vermittelt, dass man unersetzbar für den laufenden Betrieb geworden ist. Auch die verständliche Sorge, eventuell den Kontakt zum Arbeitgeber zu verlieren, spielt eine wichtige Rolle bei den Überlegungen. Denn das würde wohl in vielen Fällen die berufliche Entwicklung im Unternehmen hemmen.

Eine Möglichkeit ist, sich zeitweise nicht komplett aus der Erwerbstätigkeit zu verabschieden (Elternzeit), sondern lediglich die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren, um die Chance zu haben, (etwas) mehr Zeit mit der Familie zu verbringen.

Dafür ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Reduzierung seiner Arbeitszeit hat und ob es für Führungskräfte Einschränkungen gibt.

 

Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG oder § 15 BEEG

 

Ein Anspruch auf Reduzierung der eigenen Arbeitszeit kann sich entweder aus § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) oder aus § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ergeben.

Nach dem TzBfG hat grundsätzlich jeder Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Verringerung seiner geschuldeten Arbeitszeit.

Dieser Gedanke wird von dem BEEG aufgegriffen und erleichtert die Voraussetzungen für Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf Elternzeit haben.

Das BEEG eröffnet sowohl die Möglichkeit, seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit zu reduzieren als auch – das mag überraschen – Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger zu leisten und dafür von seinem Arbeitgeber freigestellt zu werden.

Die Verringerung der Arbeitszeit nach dem BEEG ist unter einfacheren Bedingungen als nach dem TzBfG möglich und da die Beschäftigung bei einem anderen als dem eigenen Arbeitgeber eher selten ist, wird in diesem Artikel lediglich die Teilzeitverringerung bei dem eigenem Arbeitgeber aufgrund des BEEG näher beleuchtet.

 

Die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 5 – 7 BEEG

 

Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit verringern möchte, sollen er und der Arbeitgeber sich grundsätzlich gem. § 15 Abs. 5 S. 1 BEEG über den Antrag des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit und deren Ausgestaltung (also ihre zeitliche Lage) innerhalb von vier Wochen einigen. Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, die Verhandlungen darüber scheitern zu lassen, diese überhaupt nicht aufzunehmen oder den Antrag ohne nähere Begründung abzulehnen.

Kommt eine Einigung nicht innerhalb von vier Wochen zustande, kann der Arbeitnehmer während der Zeit, in der er Elternzeit beanspruchen könnte, eine Verringerung der Arbeitszeit unter den in § 15 Abs. 7 BEEG genannten Voraussetzungen verlangen:

 

  1. Der Arbeitgeber beschäftigt, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer bzw Arbeitnehmerinnen.
  2. Das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen besteht ohne Unterbrechung länger als sechs Monate.
  3. Die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit soll für mindestens zwei Monate auf einen Umfang zwischen 15 und 30 Wochenstunden verringert werden.
  4. Dem Anspruch stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen.
  5. Der Anspruch wurde dem Arbeitgeber sieben Wochen vor Beginn der (Teilzeit-)Tätigkeit schriftlich mitgeteilt.
     

 

Keine dringenden betrieblichen Gründe die der Verkürzung entgegestehen

 

Die meisten Tatbestandsmerkmale sind klar umrissen und bedürfen (fast) keiner Auslegung. Problematisch ist indes Ziffer 4. Die Frage also, ob dringende betriebliche Gründe vorliegen, die eine Verkürzung der Arbeitszeit untragbar machen oder nicht. Dies wird von beiden Seiten (Arbeitnehmer und Arbeitsgeber) naturgemäß unterschiedlich beurteilt. Für den einen kann die Arbeit entweder durch einen anderen Arbeitnehmer erledigt werden oder warten und der andere möchte, dass bestimmte Aufgaben schnellstmöglich durch einen speziellen Mitarbeiter ausgeführt werden.

Der häufigste Streitpunkt zwischen den Parteien ist daher die Frage, ob der Arbeitszeitverringerung dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, was von der Arbeitgeberseite fast schematisch eingewendet wird. Dies ist auch nachvollziehbar, denn wer verzichtet schon gerne auf einen guten Arbeitnehmer, insbesondere wenn er Führungsaufgaben hat?

 

Höchstrichterliche Rechtsprechung

 

Dass auch Führungskräften ein Anspruch auf Arbeitszeitverringerung zusteht, hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 15.12.2009 (9 AZR 72/07) festgestellt.

Die in Vollzeit beschäftigte Leiterin des Controllings eines Unternehmens wollte während ihrer Elternzeit die wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden reduzieren. Der Arbeitgeber verweigerte dies mit dem Argument, die Führungsaufgaben der Mitarbeiterin würden eine vollzeitige Anwesenheit von Montag bis Freitag verlangen, da es teilweise zu kurzfristig anzuberaumenden und nicht langfristig planbaren Besprechungen käme.

 Diese pauschale Darstellung ließ das Bundesarbeitsgericht nicht ausreichen und wies darauf hin, dass dies für fast jedes Beschäftigungsverhältnis gelte. Darüber hinaus müsse der Arbeitgeber „erhebliche Anstrengungen“ unternehmen, um den Teilzeitwunsch seiner Mitarbeiter möglich zu machen. Nur in Ausnahmefällen könne der Arbeitgeber eine Arbeitszeitverringerung wirksam ablehnen.

 

Wie sage ich es meinem Chef?

 

Aufgrund dieser für den Arbeitgeber hohen Hürden sollte der Arbeitnehmer bei der geplanten Arbeitzeitverkürzung dem Arbeitgeber gegenüber jedoch nicht gleich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung drohen, denn dies könnte das Vertrauensverhältnis nur unnötig und auf Dauer belasten.

Sinnvoller ist es in einem offenen Gespräch den legitimen und nachvollziehbaren Wunsch nach einer Teilhabe am Aufwachsen des eigenen Kindes darzulegen. Dieser in Deutschland noch selten offen geäußerte Wunsch ist bei unseren nördlichen Nachbarn völlig selbstverständlich und gesellschaftlich anerkannt. Zwar ist dies bei uns noch nicht der Fall, aber ein Umdenken hat auch bei uns eingesetzt.

Vielleicht rennt man ja auch „offene Türen“ ein, denn immer mehr Unternehmen verstehen eine (zeitweise) Arbeitszeitverringerung auch als Chance für den einzelnen Arbeitnehmer, von diesen neuen Erfahrungen zu profitieren. Und dies nützt wiederum dem Unternehmen.

 

Benjamin Wienand ist Rechtsanwalt und seit März 2009 bei der Sozietät FONTAINE GÖTZE, einer renommierten Wirtschaftskanzlei, angestellt. Dort bearbeitet er Fälle aus dem Arbeits-, Vertriebs- und Gesellschaftsrecht. Anfang 2009 absolvierte er erfolgreich die Fachanwaltslehrgänge für Arbeits- sowie Handels- und Gesellschaftsrecht.

Mehr Informationen finden Sie unter www.fontaine-goetze.de.