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Handyeltern oder Helikoptereltern – was denn nun?

Ein Beitrag zur Mäßigung
Von allen Seiten wird gerade über Eltern geschimpft. Über die Helikoptereltern, die um ihren Nachwuchs herumschwirren und ihm jeden Freiraum nehmen, sich also zu viel um ihre Kinder kümmern. Aber auch über Handyeltern, die sich mehr auf das Display des Smartphones konzentrieren als auf ihre Kinder. Unser Autor fragt sich: geht’s noch mit der ganzen Empörung???

Wie üblich sind zu Beginn des Schul- oder Kindergartenjahres die Gazetten voller familiärer Themen. Das läuft jetzt halt jahreszeitlich gut. Wen wundert’s. Zudem sind in diesen Themen fast alle Experten. Wir haben ja fast alle Anschauungsunterricht zuhause. Es gibt deutlich mehr Expertenmeinungen zu Elternverhalten als – sagen wir mal – zu Einsteins Relativitätstheorie, das kann man den Kommentarspalten der online-Leitmedien entnehmen. Obwohl ich mal vermute, dass die Zahl der wirklichen Kenner in beiden Materien nicht so weit auseinander geht. Aber lassen wir das.

Ähnlich wie beim Sommerloch gibt es dann auch immer ein oder zwei thematische Highlights. Der Dauerbrenner sind die ‚Helikoptereltern‘. Also diejenigen Mütter und Väter, die sich der geschätzten Meinung der Schreiberlinge zu viel um ihren Nachwuchs kümmern. Erstaunlicherweise wird dieses Etikett für die heutige Elterngeneration heuer ergänzt um das – eigentlich gegenteilige – Modell: den bösen Handyeltern. Also, die Eltern, die nur mit ihrem Smartphone reden und der eigenen Brut keine Aufmerksamkeit mehr schenken, sich also zu wenig um den Nachwuchs kümmern.

 

Sich gleichzeitig zu viel und zu wenig um seine Kinder kümmern? Geht’s noch?

Da muss man doch als Vater mal innehalten. Wir machen zu viel für die Kinder und gleichzeitig zu wenig. Wie schön. Wenn sich die Kritik aus so gegenteiligen Argumenten zusammensetzt, dann, so finde ich, machen es die heutigen Eltern schon recht.

Ja, wir fahren heute die Kinder mit dem Auto zur Schule. Weil wir ein Auto haben, und das gefahrenunabhängig für den Einzelnen ganz praktisch ist. Kommen Sie mir bitte jetzt nicht mit dem Kollektivargument, dass es für alle zusammen nicht mehr praktisch ist. Wäre der Mensch ein kollektiv rationales Wesen, wären die Züge voll und der Begriff ‚Stau‘ eine anekdotische Begriffserklärung in einem historischen Lexikon. Ja, und die Generation früher hat die Kinder mehr alleine zur Schule laufen lassen, weil sie a) kein Auto hatten und b) mit dem Traktor sowieso gleich das Feld bestellen mussten. Auf den Schwachsinn zu kommen, die Kinder in die Schule zu karren, kam damals niemand. Die Diskussion der Vergangenheit war wohl eher, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Kinder in die Schule zu schicken, oder ob die bei der Feldarbeit nicht nützlicher wären. Da sind wir doch alle einer Meinung: Schön, dass unsere Gesellschaft über derlei Diskussionen schon hinweg ist. Und vielleicht ist die Diskussion von morgen nicht mehr die, ob die Handyapp den Schulweg überwacht, sondern die Drohne. Wenn sie nicht gerade Pakete austrägt. Aber lassen wir auch den Morgen Morgen sein.

 

Der Blick aufs Handy hat auch seine Gründe – und Vorteile dazu

Ja, wir schauen heutzutage gleichzeitig aufs Handy und aufs Kind. Das führt natürlich dazu, dass wir Eltern manchmal den Kindern sagen, dass wir gerade schnell noch was fertig tippen müssen, bevor wir bei ihnen sind. Aber hey, es führt auch dazu, dass wir bei den Kindern sind, wenn:

  1. sie in einem Schneckentempo ihre Klamotten an den Haken im Kindergarten aufhängen. Und wir entspannt dabei stehen können, weil nichts Wichtiges schief geht in diesem Moment. Handy sei Dank.
  2. sie quengeln und noch eine halbe Stunde länger auf dem Spielplatz bleiben wollen. Und wir per Whatsapp unter Eltern den eigentlich anstehenden Einkauf schon abgestimmt haben. Handy sei Dank.
  3. etc., etc.

Eigentlich ist es mit dem Smartphone wie mit allen technischen Erfindungen seit der Steinschleuder. Bei falschem Gebrauch kann das ins Auge gehen. Also Stein ins Auge bei dem Herrn Neanderthaler und Straßenlaterne gegen den Kopf beim Homo Sapiens. Wenn man halt die Technik nicht beherrscht oder im falschen Moment anwendet. Oder klug benutzt kann unser Vorfahre in der Steinzeit darauf verweisen, dass das heutige Abendessen (Säbelzahntiger, Mammut oder dergleichen) gesichert ist, dank Steinschleuder. Gleiches kann der kinderhütende, moderne Vater von sich behaupten, wenn er die Einkaufsliste für das Abendessen schnell noch per Whatsapp mit der Mutter zuhause abgestimmt hat (Aldi, Lidl oder dergleichen), dank Handy.

Lesen Sie also die Gazetten, schmunzeln Sie über die empörten Meinungen. Aber ganz wichtig, denken Sie selbst und nutzen Sie die Ihnen gegebenen Möglichkeiten einfach klug. Dann machen Sie schon alles richtig.

 

zum Autor:
Andreas Clevert, Jahrgang 1970, ursprünglich aus Esslingen stammend, lebt mit seiner spanischen Frau und seinen drei Jungs/Söhnen  (*2008, *2010 und *2013) in Bonn. Mehr von seinen Erlebnissen lesen Sie unter www.vaterdasein.wordpress.com