© Gelpi - Fotolia.com

Wie viel Verantwortung kann ein Kind tragen?

Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen, gehört zu den wichtigsten Eigenschaften, die den Menschen dazu befähigen, sich mit sozialer Kompetenz im Alltag zu bewegen. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, dem eigenen Kind die erste Verantwortung zu übertragen, wo wird es überfordert?

Beispiele dafür, wie kompetent Kinder Verantwortung übernehmen, gibt es viele: In einigen Schulen ist es üblich, dass die frisch eingeschulten Erstklässler Paten aus den höheren Jahrgangsstufen haben, die ihnen am Anfang helfen sich zurechtzufinden. In Kinderparlamenten übernehmen Kinder soziale Verantwortung und suchen gemeinsam nach Möglichkeiten, ihre oder die Situation anderer Personengruppen zu verbessern. Und nicht wenige Kinder sind schon früh in der Lage, sich um ein Haustier zuverlässig und selbstständig zu kümmern. Der Grundstock für diese Fähigkeiten wurde früh gelegt.

 

Wie wird Verantwortung erlernt?

Wie viele andere menschliche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften entwickelt sich auch das Verantwortungsgefühl in hohem Maße aus der Nachahmung der Eltern. Verantwortungsbewusste Eltern ziehen in der Regel auch Kinder groß, die ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein besitzen.

Verantwortung wird als die Fähigkeit definiert, sich für die Folgen eigener Handlungen und auch der Handlungen anderer Personen rechtfertigen zu können. Ein Mensch mit Verantwortungsgefühl ist sich darüber im Klaren, was er tut, bzw. getan hat und ist bereit, dazu zu stehen – egal, welche Konsequenzen seine Tat hat. Verantwortungsvolles Handeln bedingt, dass man nichts tut, von dem man schon vorher definitiv weiß, dass es negative Auswirkungen hat: So handelt eine Mutter, die während der Schwangerschaft raucht, verantwortungslos, ein Vater, der sein Kind nur mit Fahrradhelm aufs Rad lässt, dagegen verantwortungsvoll.

Kinder lernen Verantwortung zu übernehmen am besten dadurch, dass sie es einfach tun. Sie übernehmen eine Aufgabe und sind dafür verantwortlich diese zu erfüllen. Tun sie es nicht, sind ihnen die Konsequenzen klar: Der Mülleimer läuft über, wenn er nicht ausgeleert wird. Der Hund pinkelt in die Wohnung, wenn er nicht rechtzeitig nach draußen zum Spaziergang kommt. Grundlage des erzieherischen Wirkens ist immer, dass die übertragene Verantwortung auch vom Kind zu leisten sein muss. Sonst ist das Scheitern vorprogrammiert, das Kind ist frustriert und sein Selbstbewusstsein leidet.

Verantwortung muss an das Alter angepasst sein

Was kann ein Kind leisten, ohne sich überfordert zu fühlen und ohne zwangsläufig zu scheitern? Diese Frage ist nur individuell zu beantworten, denn die Verantwortung, die ein Kind tragen kann, ist zum einen vom Alter, zum anderen aber auch von der persönlichen Motivation abhängig. Ein Kind, das von Natur aus sehr sparsam ist, kann die Verantwortung für das Taschengeld besser übernehmen als eines, das viele Wünsche hat und sein Geld im Handumdrehen wieder ausgibt. Ein Kind, das Hunde über alles liebt und ihr Wesen anerkennt, wird besser und verantwortungsvoller für das Tier sorgen als eines, das einen Hund oder ein anderes Haustier nur als Spielzeug oder Statussymbol ansieht.

Die erste Verantwortung können schon kleine Kinder übernehmen: Ein Dreijähriger ist durchaus in der Lage zu erfassen, dass es seine Aufgabe ist, seinen Teller zur Spüle zu tragen. Allerdings sollte Verantwortung in diesem Alter sehr großzügig und eher spielerisch gehandhabt werden. Denn einem dreijährigen Kind Konsequenzen anzudrohen, weil es vergessen hat, seinen Teller wegzubringen, ist einfach unangemessen. Mit steigendem Alter steigt auch die Verantwortung:

Ab etwa vier Jahren kann ein Kind die Verantwortung für ein Haustier übernehmen – allerdings mit Unterstützung der Eltern. Ab sieben Jahren ist ein Kind rein rechtlich für seine Taten verantwortlich, abgesehen von den Fällen, in dem nachweislich die erforderliche Einsicht fehlte. Es kann zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Im Alltagsleben kann das Kind jetzt eigenverantwortlich bestimmte Aufgaben übernehmen: Müll rausbringen, den Abendbrottisch abräumen oder ein Haustier versorgen. Wird die Verantwortung nicht wahrgenommen, machen in diesem Alter Sanktionen Sinn. Allerdings sollten diese immer etwas mit der Sache an sich zu tun haben. Einen nicht abgeräumten Abendbrottisch mit einer Woche Hausarrest zu bestrafen, ergibt für Kinder keinen Sinn. Wenn allerdings die abendliche Lieblingssendung ausfallen muss, weil das Kind den Tisch noch nicht abgeräumt hat, bis der Film anfängt, ist der kausale Zusammenhang für das Kind begreifbar.

Eigenverantwortung übernehmen

Durch die Übernahme bestimmter Aufgaben oder die Verantwortung für ein Haustier lernen Kinder nach und nach, auch für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und für ihre Fehler grade zu stehen. Dies umso mehr, wenn die Eltern liebevoll und unterstützend eingreifen, wenn das Kind eine Aufgabe nicht bewältigt oder einer Verantwortung zeitweise nicht gewachsen scheint.

Sobald Kinder in die Pubertät kommen, kann man ihnen ein bestimmtes Maß an Eigenverantwortung zumuten. So können sie selbst dafür sorgen, dass sie rechtzeitig aufstehen und mit gepacktem Ranzen pünktlich in der Schule ankommen. Weiterhin können sie selbstständig ihre Hausaufgaben machen und sich auf Prüfungen vorbereiten. Viele Eltern gehen in diesem Alter dazu über, ihrem Kind eine bestimmte Summe monatlich zur Verfügung zu stellen, mit dem es selbst seine Kleidung kaufen kann usw. Ein Kind, dem von klein auf Verantwortungsgefühl entwickeln konnte, wird diese Aufgaben auch mehr oder weniger leicht bewältigen.

Wenn dies alles nicht klappt, dann haben die Eltern meist eines falsch gemacht: Sie haben bis ins Teeniealter die Verantwortung für ihr Kind übernommen und ihm alle Aufgaben abgenommen. Sie haben ihm nicht beigebracht, wie man verantwortlich handelt und welche Konsequenzen es hat, wenn man es nicht tut. Was im Kleinkindalter ein spielerischer und müheloser Prozess gewesen wäre, gipfelt nun in vielen Enttäuschungen seitens der Eltern und in zunehmender Frustration beim Kind. Aus diesem Grund sollten Eltern besser früh damit beginnen, Ihre Kinder zur Verantwortung für sich und andere zu erziehen.