Im Leben eines jeden Menschen gibt es bestimmte Meilensteine – das erste Krabbeln, die ersten Schritte, Schulbeginn und Abschluss. Die Kinder, die diese Meilensteine erreichen, sind stolz – und ganz genauso geht es den Eltern, die die einzelnen Schritte zum großen Ziel begleitet haben. Ein Vater beschreibt, wie sein kleiner Sohn Rad fahren lernte – und der Papa mindestens so stolz war wie er selbst.
Wenn ein Kind einen neuen Schritt macht – die Geschichte eines Erfolgserlebnisses
Heute hat es geklappt. Viele Wochen nun schon haben wir den Weg zum Kindergarten gemeinsam zurückgelegt. Vier bist Du geworden zu Jahresbeginn. Und nun schon seit einem dreiviertel Jahr im Kindergarten der ‚Großen‘, wie Du ihn nennst. Manchmal sind wir dorthin gelaufen, manchmal gerannt. Manchmal fröhlich, manchmal widerwillig. Manchmal auf dem Kindersitz von Papas Fahrrad. Und manchmal mit dem Auto. Vor allem bei Regen und Schnee.
Aber immer wieder wolltest Du den Weg auch mit dem eigenen Rad machen. Stützräder fanden wir schon immer blöd. Doch der Umstieg vom Laufrad zu den ‚Pedalen‘ war schon gewaltig. Deswegen war ich Dir Stütze. Zu Beginn musste ich Dich wirklich halten. Zu wackelig war Dir die Angelegenheit mit dem Lenker, den Füßen auf den Pedalen, alles in Bewegung. Wer soll sich da schon auf Anhieb zurechtfinden?
Den Berg hochschieben. Auf jeden Fall mit Papa. Über die Schottersteine ruckeln. Auf jeden Fall mit Papa. Abbremsen vor der Bordsteinkante. Auf jeden Fall mit Papa.
Mit Geduld und kleinen Schritten zum großen Ziel
Und doch wurdest Du von Mal zu Mal selbstständiger. Die Füße fanden ihren Tritt. Der Lenker schlug nicht mehr aus, sondern wurde nur sanft in die gewünschte Richtung bewegt. Und irgendwann merkest Du auch, dass ein bisschen Geschwindigkeit Stabilität gibt.
Aus dem Festhalten Deines Körpers auf dem Wackelrad wurde ein leichtes Führen mit meiner Hand an Deiner Schulter. Dann ein Finger an Deiner Jacke, der Dir sagte: „Hey, ich bin da, wenn Du mich brauchst.“ Schließlich spurtete ich nur noch neben her, um im Falle eines Falles eingreifen zu können.
Heute hat es geklappt. Ich bin mit dem Rad hinter Dir hergefahren. Du hast die Spur gehalten und das Tempo. Du hast abgebremst an der Fußgängerampel. Noch etwas unorthodox: Mal runter von den Pedalen mit den Füßen. Aber hey, so haben wir doch alle mit dem Bremsen angefangen.
Ich bin mächtig stolz auf Dich. Du hast einen neuen Schritt in Dein eigenes Leben getan. Wieder einmal. Mensch, lass uns viele Male gemeinsam radeln gehen!
zum Autor:
Andreas Clevert, Jahrgang 1970, ursprünglich aus Esslingen stammend, lebt mit seiner spanischen Frau und seinen drei Jungs/Söhnen (*2008, *2010 und *2013) in Bonn. Mehr von seinen Erlebnissen lesen Sie unter www.vaterdasein.wordpress.com