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Die wichtigen Streitpunkte in einer Beziehung – worum lohnt es sich, zu streiten?

Der SPIEGEL hat in einer seiner Ausgaben 2012 die Frage gestellt, die wohl schon seit Menschengedenken in den Köpfen herumspukt. Der Titel lautete „Ewige Liebe – was Paare unzertrennlich macht“. Hohe Scheidungsraten und kurze Halbwertszeiten von Beziehungen sprechen dagegen, dass es ein Geheimnis gibt, das nun endlich gelüftet wurde. Aber das Thema „Streitkultur“ spielt ganz sicher eine wichtige Rolle.

Der Wille mag vorhanden gewesen sein bei den SPIEGEL-Redakteuren. Das Ergebnis kann jedoch als ernüchternd bezeichnet werden. Statt die Frage zu beantworten, was Paare tatsächlich unzertrennlich macht, kam der Artikel zum Schluss, dass Teilchenphysiker die Wirklichkeit besser abbilden können, als das in Sachen Liebe möglich wäre. Fragen wie die nach der Urknalltheorie, kleinster Teilchen oder danach, wie genau im Einzelnen das Universum aufgebaut ist, sind also demnach einfach zu beantworten als die der wahren Liebe, die niemals endet. Aber vielleicht muss man auch gar nicht so groß an die Sache herangehen, sondern das Glück im Kleinen suchen. So dass es ein großes Ganzes ergibt.

 

Streiten: Muss das sein?

Lange Zeit hielt sich hartnäckig die Überzeugung, dass in Beziehungen gestritten werden müsse. Zu viel Harmonie zerstöre das Liebesleben oder sei ein Zeichen für Desinteresse am Partner. Wer nicht streiten will, steht oft schnell in der Ecke der „Weicheier“, was im Übrigen für Männer und Frauen gleichermaßen gilt.

 

  • Also ist das Rezept, am besten in regelmäßigen Abständen richtig Zoff zu haben, den Haussegen immer mal wieder schief hängen lassen und sich ordentlich anzuschreien?
  • Oder kann Streit auch leise sein? Ist es dann überhaupt streiten oder nicht doch eher ein Diskutieren?
  • Gehört zu einem handfesten Streit dazu, den Partner an seinen wunden Punkten zu treffen oder ist das Gegenteil der Fall?
  • Wie lange darf ein Streit dauern?
  • Und: worüber darf, kann, sollte man sich eigentlich streiten?

 

Wohin Streit führen kann

Streiten kann ganz sicher eine wohltuende und klärende Wirkung haben. Und manchmal ist es auch gar nicht möglich, auf eine deutlich vorgetragene Auseinandersetzung zu verzichten. Insbesondere wenn zur Fähigkeit des Streitens die der Versöhnung kommt, sind unterschiedliche Ansichten also durchaus förderlich für die Beziehung. Bei den Themen, um die es geht, sollte man sich aber sehr wohl Gedanken machen. Ein Paar, das schon sehr lange zusammen ist, erlebte eine Situation, die an einem gewissen Punkt kurz davor stand, zu eskalieren. Aus einer Meinungsverschiedenheit wurde ein Streit, aus dem Streit ein Grundsatzgespräch, das zunehmend lauter und heftiger wurde. Irgendwann ging es nicht mehr um Argumente oder darum, den Partner zu überzeugen. Es war nur noch ein Machtkampf und das gegenseitige Gefühl, sich mit Geringschätzung zu befeuern. So etwas kann passieren, wenn man streitet. Und es ist das sichere Anzeichen dafür, dass man über die Form der Auseinandersetzung nachdenken sollte. Im hier beschriebenen Streit war es der Mann, der sich entschied, die Eskalation nicht weiter voranzutreiben. Er stellte zunächst sich, dann seiner Partnerin die Frage, ob es das wirklich wert sei. Die beiden kamen gemeinsam zum Schluss, dass dieser Streit es nicht im geringsten Wert sei, solche verletzenden Formen anzunehmen. Besonders erwähnenswert ist das Erlebte des Paares, wenn man den Anlass des Streits kennt. Sie waren sich nicht einig darüber, ob sie pro oder kontra zu Guttenberg sind, als die Plagiatsvorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Aus einem also für eine Beziehung eigentlich völlig harmlosen Thema wurde plötzlich etwas, das (fast) die Beziehung bedroht hätte. Bei anderen Themen ist es jedoch nicht möglich, den Streit so einfach zu beenden, weil sie grundlegender Natur sind.

 

Notwendige Streitkultur

Die Frage, ob zu Guttenberg böse oder harmlos ist, sollte zwar kein Streitthema sein, das die Beziehung auf den Kopf stellt. Andere Fragen müssen aber ausdiskutiert werden, notfalls auch mit Tränen. So ist beispielsweise das Thema Geld eines, über das ausgiebig gesprochen werden muss. Gerade wenn man zusammenlebt, ist es wichtig, mit dem Partner darüber zu sprechen, wie mit den Finanzen umgegangen wird. Wenn er dazu neigt, das Geld mit vollen Händen auszugeben und sie eisern für schlechte Zeiten oder auf größere Anschaffungen spart, ist ein Konflikt sowieso vorprogrammiert. Die größte Liebe wird vor harte Prüfungen gestellt, wenn der Umgang mit Geld so unterschiedlich ist, dass kaum Kompromisse möglich sind. Lösungen lassen sich in vielen Fällen aber trotzdem finden. Wichtige Voraussetzung dafür ist aber das Gespräch darüber. Und das kann -je nach den persönlichen Einstellungen- auch im Streit enden. Das ist aber immer noch besser, als irgendwann festzustellen, dass es gemeinsam nicht funktioniert. Womöglich, weil man gerade diesem Streit aus dem Weg gegangen ist.

 

Ewige Liebe ohne ewigen Streit?

Es gibt Paare, die streiten sich fast nie. Andere haben sich täglich in der Wolle, verlassen sich gegenseitig, finden wieder zusammen und haben Versöhnungssex. Vielleicht streiten sie sich sogar nur wegen diesem. Faktisch kann man nicht sagen, dass Streit in einem vorgeschriebenen Umfang die einzig wahre Methode ist, um die Beziehung am Leben zu erhalten. Und Paare, die sich selten streiten, sind weder „Weicheier“ noch „Beziehungskiller“. Vielleicht sind sie sich einfach einiger in ihrer gemeinsamen Lebensführung. Die ewige Liebe ist für beide Varianten möglich. Oder in beiden Varianten so unvorstellbar wie der Urknall.