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„Chip für Kinder“ – das wäre doch praktisch. Eine Glosse

Wo treibt sich der Nachwuchs wieder herum? Und mit wem tut er das? Brennende Fragen, die sich Eltern immer wieder stellen. Überall auf der Welt. Jeden Tag. Die meisten bleiben immer wieder ohne Antwort. Überall auf der Welt. Jeden Tag. Da wäre ein Chip doch die ideale Lösung. Schmerzfrei eingepflanzt wüssten wir immer, wo unsere lieben Kleinen sind. Und könnten uns entspannt zurücklehnen.

Die Kinder von Bullerbü - eine der zeitlosen Kreationen der großen Astrid Lindgren – haben einen langen Weg, wenn die Schule aus ist. Doch statt gleich nach Hause zu gehen, trödeln sie gern. Sie kommen vom Weg ab, spielen in Wassergräben, kaufen sich zwischendurch ein paar Bonbons und haben es mit einer Menge interessanter und aufregender Menschen zu tun, die sie auf ihren Abenteuern kennenlernen. Wie schön das doch ist! Ihre Eltern machen sich keine Sorgen, wenn die Kinder von Bullerbü etwas länger unterwegs sind. Wieso auch? Was soll denn schon passieren? Das ist so idyllisch. Ich will das auch haben. Hab ich aber nicht.

Ku'damm statt Bullerbü

Die Kinder vom Ku'damm (und vielen anderen Straßen in ganz Deutschland) haben auch oft einen langen Weg, wenn die Schule aus ist. Wenn sie trödeln, ist es aber vorbei mit der Idylle. Sie begegnen dann vielleicht Drogendealern, Kinderschändern, Rasern in schnellen Autos, die sich vor der Fahrt ein wenig Übermut angetrunken haben. Fünf Minuten zu spät aus der Schule oder dem Musikunterricht reichen, um Panik zu erzeugen, Freunde vom Nachwuchs anzurufen und sich an die Polizei zu wenden. Bestimmt ist etwas passiert, ganz bestimmt ist etwas passiert! Ich will nach Bullerbü. Und zwar sofort!

Kontrolle für den ruhigen Schlaf

Ich will gar nicht so ganz genau wissen, was der Nachwuchs unterwegs so macht. Das geht mich im Grunde ja nichts an. Aber besser schlafen könnte ich schon, wenn ich wüsste, dass er sich sicher nicht in Gefahr befindet. Und so ein kleiner Chip, den man gar nicht bemerkt, hat doch noch niemandem geschadet, oder? Tut nicht weh, wiegt fast nichts, und ich weiß immer, dass alles in Ordnung ist. Dafür müssen Kinder doch Verständnis haben, schließlich geht es auch um ihr Wohl. Dankbarkeit wäre daher das einzig angemessene Gefühl, das Eltern entgegenschlagen sollte, wenn sie über Maßnahmen wie diese nachdenken.

Das Handy als Kinderfinder

Mit Science-Fiction oder Zukunftsvisionen hat das Ganze übrigens nichts zu tun, denn es gibt ja längst Möglichkeiten, den Aufenthaltsort des Kindes auszumachen. Das einfachste Mittel ist das Handy der geliebten Kleinen. Man lässt sich ganz einfach registrieren und kann mit einem kurzen Anruf herausfinden, wo das Kind jetzt gerade wieder steckt. Teuer ist die Sache auch nicht, also eigentlich perfekt. Nur einen kleinen Haken hat das System: Gut möglich, dass der Anruf ergibt, dass der Shorty brav in der Schule sitzt und ehrfürchtig den Ausführungen des Mathe-Lehrers lauscht. Aber eben auch gut möglich, dass es lediglich der Schulranzen oder Rucksack ist, der schweigsam im Klassenraum steht, während Sohnemann oder Töchterchen sich ganz woanders rumtreiben. Also eher suboptimal, dieser Ansatz.

Freiheit durch Fußfesseln!

Solche Anbieter gibt es auch. Sie bieten leidgeprüften Eltern Fuß- oder Handgelenkfesseln für ihre Kinder an. Die Ortung funktioniert ausgezeichnet, solange das Kind das Teil nicht entfernt. Doch auch dagegen haben unterschiedliche Anbieter bereits Lösungen im Gepäck. Sie versprechen Sicherheitsmechanismen, an denen kein „Unbefugter“ herumspielen kann. Die „Unbefugten“, das sind natürlich die Kinder. Meine Freiheit bei der Nutzung dieser Wunderwaffe hält sich jedoch in Grenzen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Reichweite ist so klein, dass ich im Prinzip auch einfach hinter meinem Kind herlaufen kann. Also ziemlich anstrengend, diese Variante.

Hilfe vom Zuverlässigkeits-Institut

Gibt es nicht, denken Sie? Gibt es aber eben doch, sage ich! Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit hat sich einmal so richtig Gedanken gemacht. Und eine mehr als pfiffige Idee entwickelt. Der Garant für Zuverlässigkeit hat ein Dings entwickelt, das in jede Spielkonsole passt. Mag sein, dass der Nachwuchs den Ranzen schon mal in der Schule lässt, weil er ja so wichtig nun auch wieder nicht ist. Aber die Spielkonsole? Niemals! Also ein verdammt guter Ansatz. Und als unterstützende Maßnahme bringt das Dings auch für die Kinder selbst Vorteile. So versetzt es sie in die Lage, durch den Einsatz von Geo-Informationen an Geländespielen teilzunehmen. Ohne das Dings wäre das nicht möglich, also können alle beruhigt sein. Ich weiß immer, wo mein Kleiner gerade steckt. Und er freut sich über mehr Möglichkeiten mit seiner Spielkonsole.

Sicherheit für die ganze Familie

Wieso eigentlich nur für meinen Sohn? Das dachte ich mir, als ich mir überlegt habe, wie die größtmögliche Sicherheit aussehen könnte. Wir haben jetzt alle eine Spielkonsole und an jeder ist ein Dings vom Institut für Zuverlässigkeit angeschlossen. Meine Frau, meine Eltern, die Eltern meiner Frau, unser Sohn, selbst der Hund sollte ein Dings bekommen, er weigerte sich aber, an der Spielkonsole zu spielen. So ist er der technischen Innovation entgangen. Dafür wissen aber in unserer Familie jetzt immer alle, wo die anderen sich gerade aufhalten. Das ist übrigens zu 90 Prozent der Fälle das Wohnzimmer. Um die Spielkonsole zu nutzen.

 

 

Anmerkung:
Dies ist eine Glosse („pointierter, oft satirischer Meinungsbeitrag“) – nur für den Fall, dass dies nicht alle begriffen haben.
Wir sind der Meinung, das Kinder ihre Freiheiten haben sollten. Wobei wir aber auch die Sorgen der Eltern kennen und nachvollziehen können ...