Schon sehr kleine Babys beobachten ihre Eltern genau und ahmen sie nach, soweit es ihre Entwicklung erlaubt. So lernen sie nach und nach das komplette emotionale Gefühlsspektrum des Menschen kennen. Möglich machen diesen Lernprozess die Spiegelneuronen.
Babys lernen durch Beobachten und Nachahmen – Die Spiegelneuronen machen es möglich
Menschen und auch Primaten haben eine ganz besondere Art von Nervenzellen mit erstaunlichen Fähigkeiten: Die Spiegelneuronen lösen im Gehirn beim bloßen Beobachten einer Handlung die gleichen Empfindungen aus, die entstehen würden, als wenn wir die Handlung selbst vorgenommen haben. Dies ist der Grund, warum uns die Liebesszene im Film fast zu Tränen rührt und wir mitfühlen, wenn sich unser Kind auf dem Asphalt die Knie aufschlägt.
Zufällig entdeckt – Die Spiegelneuronen
Im Jahr 1995 untersuchte ein italienischer Forscher Affengehirne und machte dabei die erstaunliche Entdeckung, dass bestimmte Hirnbereiche der Affen nicht nur dann aktiviert wurden, wenn sie eine Bewegung ausführten, sondern auch, wenn sie dieselbe oder eine ähnliche Bewegung beobachteten. Die Spiegelneuronen waren entdeckt, die nicht nur bei rein motorischen, sondern auch bei emotionalen Handlungen reagieren. Damit war die Erklärung dafür gefunden, warum wir oft intuitiv wissen, wie sich andere Menschen fühlen oder was sie brauchen. Sie sind verantwortlich dafür, dass wir uns von einem glücklichen (Kinder)Lachen anstecken lassen und dass schlechte Stimmung um uns herum uns mit herunterzieht.
Vom Sehen zum Begreifen
Die Spiegelneuronen bilden die Brücke zwischen Beobachten und Verstehen, erzeugen eine Vorstellung davon, wie sich eine andere Person fühlt. Babys imitieren sehr früh ihre Eltern. Anfangs ahmen sie die Mimik nach, später auch Gesten und Handlungen. Dieses Verhalten wird als Resonanzverhalten bezeichnet. Dadurch entsteht ein enormer Anpassungseffekt. Das Baby speichert beobachtete Handlungsweisen ab und verknüpft sie mit passenden Situationen. Vielleicht haben Sie es selbst erlebt: Ihr Sohn sieht Ihnen wochenlang bei einer handwerklichen Tätigkeit, vielleicht auch beim Kochen zu. Eines Tages geht er hin und tut genau das, was er so lange beobachtet hat, selbst, ohne weitere Erklärungen und nahezu perfekt. Genauso übernehmen Kinder auch die Grundeinstellungen und Überzeugungen der Eltern. Das Unterbewusstsein wird durch die Spiegelneuronen von den Erlebnissen und den Verhaltensweisen der Eltern programmiert und wird so zum lebenslangen Wegweiser eines Menschen. Diese Programmierung ist in manchen Bereichen nahezu irreversibel. So ist es zum Beispiel unglaublich schwierig als erwachsener Mensch das Essverhalten zu ändern oder vom trägen Faulenzer zum aktiven Sportler zu werden.
Wenn Spiegelneuronen fehlen
Autistische Kinder können nicht mit ihrer Umwelt agieren. Wissenschaftler sind sich ziemlich sicher, dass bei dieser Krankheit, die organisch bedingt ist, die wichtigen Spiegelneuronen kaum oder gar nicht aktiv sind. Je mehr sich autistische Kinder isolieren, umso geringer ist die Aktivität der Spiegelzellen. Ein ähnlicher, wenn auch nicht auf Anhieb sichtbarer Effekt tritt vermutlich ein, wenn die Spiegelneuronen nicht genug trainiert werden. Kinder, die wenig liebevolle Interaktion mit den Eltern erleben, lernen Fähigkeiten wie Empathie und Intuition nur unzureichend und können so nur schwer in intensiven emotionalen Kontakt mit anderen treten. Kinder, die zwar gut versorgt werden, die aber keine emotionale und soziale Zuwendung erhalten, sterben sogar oder zeigen zumindest schwere psychische Störungen wie zum Beispiel Hospitalismus.
Kinder als Spiegel ihrer Eltern
Sicher kennen Sie das: Sie sind morgens schon schlecht gelaunt aufgewacht. Zu allem Überfluss ist heute auch noch Ihr Kind absolut unausstehlich. Es ist mufflig und quengelig und nicht zufriedenzustellen. Ein bloßer Zufall? Wahrscheinlich nicht. Ihr Kind spiegelt Sie. Vor dem Hintergrundwissen über die Spiegelneuronen wird diese Verhaltensweise verständlicher und vielleicht nehmen Sie beim nächsten Mal die schlechte Laune Ihres Kindes nicht mehr persönlich, sondern zum Anlass, Ihr eigenes Verhalten zu überdenken und zu ändern. Sie werden erleben, dass sich fast sofort die Stimmung Ihres Kindes verbessern wird.
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