Das Kuscheltier. Es ist Teil der Kindheit und oft wichtiger als das Abendessen oder das Kinder-Fernsehprogramm. Erforscht wurde es bisher allerdings kaum, vielmehr wird es als Selbstverständlichkeit hingenommen. Michael Schnabel hat sich mit dem Kuscheltier einmal etwas genauer beschäftigt. Der Pädagoge vom staatlichen Institut für Frühpädagogik gibt Auskunft über die Bedeutung der stillen Freunde.
Die Beziehung von Kindern zum Kuscheltier
Wie wichtig das Kuscheltier ist, wird erst deutlich, wenn es einmal nicht greifbar ist. Wurde der Begleiter des Kindes etwa vergessen, als es in den Urlaub ging oder beim Wochenendbesuch bei Freunden, kann sich das fatal auswirken. Die Reaktionen auf das Fehlen des Kuscheltiers zeigen deutlich, dass es eine sehr enge Beziehung zwischen Kind und Stofftier gibt. Michael Schnabel hat diese Beziehung unter die Lupe genommen.
Das Kuscheltier als Mutterersatz
Die Ablösung von der Mutter beginnt bei jedem Kind schon lange, bevor die Hormone durch die Pubertät durcheinander gewirbelt werden. Schon Säuglinge müssen früh im Leben mit ihrer ersten Krise zurechtkommen, wenn die Beziehung zur Mutter keine Dyade (also „Zweiheit“) mehr ist. Das Kuscheltier hilft nicht nur, die neue Beziehung zur Mutter erträglicher zu machen. Es ist darüber hinaus in den meisten Fällen das erste Wesen, zu dem das Kind von sich aus eigenständig eine neue Beziehung herstellt. Dabei spielt die Tatsache, dass diese faktisch nur einseitig ist, keine Rolle. Wichtig ist das Empfinden einer gemeinsamen Verbundenheit.
Helfer in allen Lebenslagen
Irgendwann verliert das Kuscheltier an Wert und Wichtigkeit. Doch bis es soweit ist, vergeht eine Menge Zeit. Zeit, in der es eine wichtige Funktion übernimmt. Der Pädagoge Schnabel nennt das Kuscheltier ein „Übergangsobjekt“, das in vielen Lebenssituationen eine wichtige Hilfe für das Kind ist. Das Schlafen im eigenen Bett, nachdem vorher immer bei den Eltern gekuschelt wurde, ist ebenso einschneidend wie der erste Gang in den Kindergarten. In solchen Momenten brauchen Kinder einen Verbündeten, jemanden, der all das Erlebte teilt und Kraft gibt. Dieser Helfer ist das Kuscheltier. Und es kann noch viel mehr. Feuerwehren haben, wenn es zu Einsätzen geht, fast immer Kuscheltiere dabei, in Krankenhäusern gehören sie ebenso selbstverständlich zum festen Repertoire des Personals. Der Grund: selbst ein fremdes Kuscheltier kann in extremen Momenten Trost spenden und helfen, einen Schock besser zu verarbeiten. Es wirkt einfach beruhigend. Doch es kann auch Opfer überschäumender Gefühle von Kindern werden.
Voll auf die Nuss!
Es ist nicht immer alles eitel Sonnenschein im Leben eines Kindes. Da gibt es Vieles zu verarbeiten und auszuhalten. Auf dem Weg durch das Leben gilt es, Lernprozesse erfolgreich zu gestalten, sich an Regeln zu halten und damit klarzukommen, dass nicht immer alles so läuft, wie ein Kind sich das wünscht. Auch wenn erste freundschaftliche Beziehungen zu anderen Kindern gebildet werden, sind diese naheliegender Weise an bestimmte Regeln gebunden. Das hat das zwischenmenschliche Leben nun einmal so an sich. Und es führt unweigerlich zuweilen zu Aggressionen und Wut. An Freunden oder der Familie können diese Gefühle jedoch nicht in vollem Umfang abreagiert werden. Deshalb kommt oft das Kuscheltier ins Spiel. Auf das stumme Wesen aus Stoff kann unkontrolliert eingeschlagen werden, es nimmt auch keinen bleibenden Schaden, wenn es einmal gegen die Wand gefeuert wird oder etwas mit einer Plastikschaufel auf die Nuss bekommt. Häufig reagieren Eltern auf solche Gefühlsausbrüche verunsichert oder befürchten, dass mit ihrem Kind „etwas nicht stimme“. Doch wenn man sich das Erwachsenenleben ansieht, gibt es eindeutige Parallelen. Erwachsene lassen negative Gefühle auch am ehesten dort heraus, wo sie sich sicher und vertraut fühlen. Wir neigen dazu, eher unsere Partner mit „unschönen“ Gefühlen zu konfrontieren als uns unbekannte Menschen. Es ist ein Zeichen der Verbundenheit. Zwischen Kindern und ihren Kuscheltieren ist es letztlich auch nicht anders.
Favorisierte Kuscheltiere
Der Pädagoge Michael Schnabel hat auch Erkenntnisse zu den Lieblings-Kuscheltieren zu bieten. Das sind in den meisten Fällen Teddybären. Zum einen liegt das daran, dass sie ein weiches Fell haben. Zum anderen werden Kinder von den Proportionen angesprochen. Kuscheltiere mit einem großen Kopf und großen Augen tragen zu einer gewissen Identifikation bei. Eine ähnlich starke Wirkung haben Teddybären übrigens auch auf Erwachsene. Mütterliche oder väterliche Gefühle spielen hier eine wichtige Rolle. Nebenbei bemerkt: Befragungen, die im Internet durchgeführt wurden, haben zu dem Ergebnis geführt, dass zwischen 70 und 80 Prozent der erwachsenen Frauen noch im Besitz eines Kuscheltieres sind. Die Männer geben sich zwar etwas rauer, trotzdem gaben eindrucksvolle 45 Prozent an, ein Kuscheltier ihr Eigen zu nennen.
Treue ist nicht so wichtig
Monogamie im übertragenen Sinne ist beim Kuscheltier nicht so entscheidend. Viele Kinder haben das ganze Zimmer voll mit Stofftieren und schlafen neben einer Vielzahl von Weggefährten ein. Trotzdem gibt es meist ein Kuscheltier, das besonders beliebt ist. Das muss aber nicht unbedingt sein, manchmal ist die Funktion wichtiger als das Kuscheltier selbst, es ist also austauschbar. Natürlich gibt es auch Kinder, die keine enge Beziehung zu Kuscheltieren aufbauen. Sie sind zwar in der Minderheit, doch Grund zur Sorge gibt es deswegen nicht. Das Bedürfnis nach Kuscheln haben Menschen immer, ob sie klein oder groß sind. Und solange dieses Bedürfnis befriedigt wird, ist alles in Ordnung. Mit Kuscheltier. Aber auch ohne den Freund aus Stoff.