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Leben mit dem Kleinkind: Unberechenbar und schön

Das Leben mit Kleinkind ist nicht nur die wunderschöne erste Zeit, die man mit dem Nachwuchs verbringt. Sie ist auch eine Belastung für das Nervenkostüm. Denn kleine Kinder sind Anarchisten, ohne sich intellektuell dafür entschieden zu haben. Sie sind einfach so. Das ist für Eltern zuweilen eine echte Herausforderung. 

Das Leben mit dem Kleinkind ist wunderschön! Einerseits.
Andererseits sind Kleinkinder unberechenbar, nicht einmal sie selbst wissen häufig, was sie als nächstes tun. Das macht den Umgang mit ihnen schwer. Patentrezepte gibt es nicht, aber einige Verhaltensregeln, die den Alltag erleichtern können. Die vorrangige Aufgabe liegt jedoch bei den Erwachsenen, nicht bei den kleinen Rackern.

 

Das langsamste Kind der Welt – überall!

Das steht sie, die junge Mutter. Sie ist fertig, will zur Arbeit, doch Janina, ihre kleine Tochter, ist noch lange nicht soweit. Sie hat zwar ihre Hose in der Hand, das hat allerdings nichts zu sagen, denn vor zehn Minuten war das auch schon der Fall. Der Mutter, eigentlich mit einer engelsgleichen Geduld ausgestattet, platzt der Kragen: „Janina, es reicht! Mach Dich jetzt endlich fertig, ich komme sowieso schon zu spät. Du bist wirklich das langsamste Kind auf der ganzen Welt.“

Das mag die Mutter so empfinden, aber es ist denkbar (und sogar wahrscheinlich), dass zeitgleich weltweit tausende, vielleicht zehntausende andere Mütter einen ähnlichen Dialog mit ihrem Nachwuchs geführt haben. Mit zehntausenden langsamsten Kinder der Welt.

Die Lösung: Es gibt nur einen Weg, dieser Phase der Langsamkeit bei Kindern zu begegnen. Man muss sich mehr Zeit nehmen.

Das kurze Telefonat

Kleine Kinder brauchen Aufmerksamkeit. Erst recht dann, wenn sie sie eigentlich nicht bekommen können.

Unsere junge Mutter hat soeben den Telefonhörer abgehoben, eine gute Freundin ist an der Leitung. Da beide Frauen Mütter sind, machen sie sich keine Hoffnung auf ein ausgiebiges Telefonat. Aber ein paar Minuten müssten doch drin sein, oder?

Nein, eher nicht. Denn als das Gespräch beginnt, erwacht gleichzeitig ein großes Mitteilungsbedürfnis der beiden Kinder, die sich in der Nähe aufhalten. Eines der Kinder verkündet, dass es leider aus Versehen ihren Saft über den Tisch hat laufen lassen. Das zweite muss unbedingt und urplötzlich ein Lied singen, und zwar voller Inbrunst.

Irgendwie klingt das doch sehr nach absichtlicher Provokation, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren. Tatsächlich aber handeln die beiden Kinder aus Instinkt. Es handelt sich um den angeborenen Versuch, Fürsorge und Treue zu erfahren und nicht in Vergessenheit zu geraten. Mit Provokation oder einem absichtlichen Störfeuer hat das nichts zu tun.

Die Lösung: Lieber warten, bis das Kind im Bett ist (zumindest wenn es „nur“ um einen netten Plausch geht). Dann kann in Ruhe telefoniert werden.

Ich will, ich will, ich will, ich will nicht!

Kommen wir zu ein paar Klassikern.
Da wäre natürlich zunächst einmal der Tobsuchtsanfall im Supermarkt zu nennen. Den kennt wahrscheinlich jeder. Der Nachwuchs will unbedingt das Eis, die Schokolade, das süße Getränk. Um sein Ansinnen zu unterstreichen wirft sich das Kind auf den Boden, trommelt, schreit und weint. Es ist herzzerreißend, besonders für Außenstehende.

Auch gern genommen: Duschen. Oder das Abendbrot aufessen. Zwei durchaus zuweilen heftige Herausforderungen, bei denen oft das Gefühl entsteht, hier sollen Machtkämpfe ausgetragen werden. Und die – das ist doch klar – muss auf jeden Fall der Erwachsene gewinnen.
Aber ist es wirklich so einfach? Nein, ist es nicht, denn was viele Eltern als Machtkampf empfinden, ist meist nur der Ausdruck früh auftretender Autonomieempfindungen bei Kindern. Schon die Kindheitsforscherin Alice Miller befand, dass Kinder beim Aufbau von Autonomie unterstützt werden sollten, damit „die ersten Schritte zur Ich-Findung gelingen.“

Mögliche Lösung(en): Der Auftritt im Supermarkt ist also wichtig zur Identitätsfindung? Nur zu, dann soll das Kind sich doch zwischen den Regalen auf dem Boden austoben. Als Eltern kann und sollte man für die verzwickte Lage des/der Kleinen auch ein gewisses Verständnis kommunizieren. Nur das Durchsetzen des Willens wäre hier das falsche Signal.

Und zur Körperhygiene und dem Abendbrot lässt sich festhalten, dass es durchaus auch anders herum sein kann, dass der Machtkampf nämlich von den Erwachsenen ausgeht. Kinder entwickeln recht schnell ein Gespür für Sauberkeit und auch für den Hunger, den sie haben.

Unbedingt aufessen oder zu bestimmten Zeiten duschen oder baden müssen, das kennen wir doch häufig noch aus der eigenen Kindheit. Gefallen hat uns das zu Recht in aller Regel nicht.