In unserem neuen Segment „Angry Dads“ dürfen Väter ihre Meinung zu einem Thema rund um Kinder und Familie kundtun. Dabeí können sie einmal richtig Dampf ablassen und müssen auch nicht unbedingt politisch korrekt sein. Heute regt sich ein Vater darüber auf, wie wenig Verständnis Familien mit Kindern oft entgegenschlägt.
Angry Dads – Die Generationenfrage
Der Zug ist voll. Gerammelt voll. Auf den Gängen stehen Koffer, Reisende sitzen, die Beine angezogen, auf dem Boden und immer wieder schieben sich weitere Mitfahrer samt Koffern und Rucksäcken durch die engen Gänge. Mittendrin stehen meine Frau und ich. Auf meinem Arm mein Sohn Noah (2 Jahre), dazu 3 Koffer und ein Buggy. Noah quengelt. Er ist müde und konnte im letzten Zug nicht schlafen. Eigentlich haben wir eine Reservierung, aber da die Wagenreihung geändert wurde (mal wieder) haben wir es beim Umsteigen nicht rechtzeitig in unseren Wagen geschafft. So schieben wir uns nun samt quengelndem Kind, mit Buggy und Koffern durch die Gruppe der Reisenden, von einem Großraumwagen zum nächsten. Es ist eine Tortur. Auch in den Wagen stehen die Koffer mitten im Gang, liegen Schuhe herum, oder Menschen stehen im Gang, um sich mit Mitreisenden auf anderen Plätzen zu unterhalten. Dann geschieht das Wunder. Wir finden zwei Sitzplätze. Frei. Nicht reserviert und direkt an einem Tisch. Erleichtert verstauen wir das Gepäck so gut es geht und setzen uns. Nur Noah kann sich noch nicht so recht freuen, zu sehr plagt ihn seine Müdigkeit.
Ein guter Rat?
Wenig später beugt sich ein Herr über meine Schulter und lässt mich wissen, dass es nur zwei Wagen weiter ein Kinderabteil gibt. Ich danke ihm. Er setzt sich wieder und sieht zu mir herüber. Kurz darauf erwähnt er es erneut. Es sei nur zwei Wagen weiter. Ich lächele, danke ihm und erkläre dann aber, dass wir gern hier bleiben, weil der Zug so voll ist. Im Kinderabteil gäbe es aber bestimmt genug Platz für uns, denn dort dürften ja nur Familien sitzen, ergänzt er. Stimmt, aber wer sagt mir, dass dort nicht schon zwei Familien mit Kindern alles besetzt haben?
Wir stören
Der Mann wird nun deutlicher. Er fände, dass Familien schon Rücksicht auf andere Reisende nehmen sollten, schließlich gäbe es ja auch extra Wagons in denen nicht telefoniert werden dürfte. Was würde das aber bringen, wenn man stattdessen von Kindergeräuschen umgeben sei. Nun sprechen wir also Klartext. Man fühlt sich durch das leise quengelnde Kind belästigt.
Zurückhaltung bitte
Es ist nicht das erste Mal, dass mir diese Haltung begegnet. Kinder stören. Oder: Kinder sind ja süß – aber bitte nicht hier. Ich muss mir jedes Mal auf die Zunge beißen, um nicht loszupoltern. Was ist das für eine Gesellschaft, die sich zwar Gedanken über den demografischen Wandel macht, beklagt, dass in weniger als 40 Jahren ein Drittel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein wird, sich aber in Sachen Kinderfreundlichkeit immer noch sehr schwer tut? Was ist es, dass Menschen zwar angetrunkene Kegelvereine, Dauertelefonierer und Laut-Video-Gucker in Zügen ertragen lässt, aber keine Kinder? Es ist wohl an der Zeit, die vermeintlich hohle Phrase „Kinder sind unsere Zukunft“ noch einmal deutlich in die Gesellschaft zu kommunizieren.
Kinder – ja, aber ...
Ich weiß nicht, ob der Herr, der uns in das Kinderabteil komplimentieren wollte, private Altersvorsorge betreibt, wenn aber nicht, sollte er sich vorsehen. Am liebsten würde ich meinen Sohn bitten, dass er sich den Mann genau merkt und wenn er in zwanzig oder dreißig Jahren anfängt zu arbeiten, soll er sicherstellen, dass dieser Mann von seinen Einzahlung ins Rentensystem keinen Cent bekommt. Aber Noah wird sich den Mann wohl nicht merken, denn er ist inzwischen friedlich eingeschlafen.