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Gute Nacht, kleiner Mensch, schlaf ein – Gedanken eines Vaters zur Bettgehzeit

Haben Sie Ihr Kind schon einmal ganz genau beobachtet, wenn es am Einschlafen ist? Bestimmt. Andreas Clevert beschreibt einfühlsam die Erschöpfung seines Kindes, dessen Kampf gegen den Schlaf (weil man ja etwas verpassen könnte), die langsame Entspannung – und seine eigenen Gedanken dabei.

Es war mir schon immer rätselhaft, wie es zu dieser Aussage kommen konnte, der Schlaf sei der kleine Bruder des Todes. Umgekehrt gerne. Die Verbrämung des Todes mit der vielleicht hilfreichen Metapher des ewigen Schlafes. Das Hinwegsehen über die Endlichkeit des Lebens.

 

Aber das Unabänderliche in dem kleinen Wesen vor mir zu sehen, welches mit regelmäßigen Atemzügen und friedlich geschlossenen Augen seiner Nachtwelt nachgeht, ist mir ein fremder, ja ein befremdlicher Gedanke. Dazu brauche ich nicht die Erkenntnisse der Hirnforschung, das Verschalten der Nervenzellen zu nächtlicher Stunde. Man sieht es doch, dass dieser kleine Körper vor Leben nur so strotzt. Er braucht jetzt nur eine Pause beim schrittweisen Entdecken dieser für ihn neuen, vibrierenden Welt.

Und natürlich, ganz oft weiß er noch nicht, wie er den Zugang zu dieser Pause findet. Das pralle Leben überreizt, die Erschöpfung offensichtlich, doch zu offensichtlich, um in die Ruhe der Nacht hinüberzugleiten. Auch wir Erwachsenen wissen doch: Wer auf dem Karrussell des Lebens ganz schnell seine Runden dreht, findet vor lauter Beschleunigung in seinem Kopf auch nicht gleich den -  direkten - Weg zur Parkbank, um die dringend benötigte Auszeit zu nehmen. By the way, trotz des eingängigen, bewundernswert apodiktischem Titel 'Jedes Kind kann schlafen lernen', sind die dort beschriebenen Methoden völliger Humbug. Das haben andere aber schon längst und besser aufnotiert, als ich es je tun könnte.

Die kleinen Hände umklammern fest den Finger, dann werden die Bewegungen ruhiger

Ich liege gerne bei dem kleinen Menschen, und es ist mir schnuppe, ob ich ihn damit in den Augen anderer vielleicht zu viel verwöhne. Das Lesen mit dem Bilderbuch, das letzte Milchfläschen, ein sanftes Abdimmen des Lichtes oder jetzt, in diesen Frühsommertagen das Fahlwerden des Tages, ein Ausbleichen der gerade noch frischen Farben des Schlafanzuges, ein Verwischen in die Grautöne der Nacht. Die kleinen Hände umklammern einen Finger von mir, kneten anfänglich noch meine Fingerknöchel durch. Einschub: Ein jeder ist da anders, wie mir mein Schwager leidvoll von seinen durchgewalkten Ohren zu berichten hatte. Doch werden die Bewegungen ruhiger. Und als letztes die Lider. Die Augen wollen sehen, so lange als möglich. Es ist weniger ein Wehren gegenüber den Anfängen der Nacht als diese unermüdliche Neugierde, die diesen kleinen Menschen neben mir zu einem Lerner des Lebens macht, wohingegen alle meine eigenen Lernfortschritte beschämend überschaubar sind. Und dann fallen auch die Lider. Ein letzter, müder Kraftakt, und der Schlaf hat ihn gefangen.

 

Gedanken zur Bettgehzeit
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Und bevor mich die Gefühlsduselei für diesen über Alles geliebten Menschen neben mir völlig übermannt, fängt er leise an zu schnarchen. Ich schmunzele und denke mir beim Aufstehen: Das mit dem Sägewerk, junger Freund, das musst Du dann mit jemandem anderen ausmachen, wenn Du groß bist.

 

zum Autor:
Andreas Clevert, Jahrgang 1970, ursprünglich aus Esslingen stammend, lebt mit seiner spanischen Frau und seinen drei Jungs/Söhnen  (*2008, *2010 und *2013) in Bonn. Mehr von seinen Erlebnissen lesen Sie unter www.vaterdasein.wordpress.com