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Jungen erziehen – eine Aufgabe für ganze Männer

Sind Jungen und Mädchen gleich? Sicher nicht. Die charakterlichen Unterschiede lassen sich nicht leugnen, auch wenn man es versucht. Aber wo liegen die Unterschiede bei der Erziehung von Jungen? Und welche Rolle spielt der Vater dabei? Worauf muss man als Vater achten und welche Fehler kann man machen? In jedem Fall ist Erziehung nur etwas für „ganze Kerle“.

Der australische Psychologe und Familientherapeut Steve Biddulph beschreibt in seinem Buch „Jungen! Wie sie glücklich heranwachsen“ drei Lebensphasen. Die sind durchaus nachvollziehbar und hilfreich. Zu einer guten Erziehung von Jungen gehört jedoch mehr, als sie zu kennen.

 

Die drei Lebensphasen

Dem Modell von Steve Biddulph zufolge durchlaufen Jungen folgende drei Phasen:

  1. Phase: Der Junge orientiert sich vornehmlich an der Mutter. In den ersten sechs Lebensjahren spielt sie die wichtigste Rolle für ihn. Der Vater ist laut Biddulph in dieser Phase für Jungen nicht ganz so wichtig.
  2. Phase: Vom siebten bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ist der Junge auf der Suche nach dem Gefühl für Eigenständigkeit. In dieser Zeit wird der Vater als Bezugsperson immer wichtiger.
  3. Phase: Sowohl Mutter als auch Vater treten für den Jungen in den Hintergrund. Bis ins Erwachsenenalter hinein treten Vorbilder wie männliche Bekannte oder Freunde und prominente Persönlichkeiten in den Vordergrund.

Der Alltag entscheidet

Die drei Lebensphasen, die Steve Biddulph skizziert, mögen in sich stimmig sein. Doch für die Erziehung von Jungs durch den Vater im Alltag gilt es, ganz andere Herausforderungen zu meistern. Die erste davon ist die Präsenz des Vaters. Man mag es als Vater noch so gut meinen und noch so liebevoll zu seinem Sohn sein, die Voraussetzung für gelungene Erziehung ist die Anwesenheit des Vaters. Was so selbstverständlich klingt, ist vielfach kaum möglich, weil auch heute noch viele Väter einen Großteil ihrer Zeit in den Beruf investieren (müssen). Das ist nicht zu unterschätzen, denn Jungen werden nicht nur zuhause, sondern auch im Umfeld wenig von Männern geprägt. Im Kindergarten gibt es deutlich mehr Erzieherinnen als Erzieher, in der Schule ergibt sich oft ein ähnliches Bild. Zunächst einmal geht es also darum, einen „väterlichen Fahrplan“ aufzustellen, der dem Sohn genügend Raum bietet.

Wann ist man ein Mann?

Der Vater ist für Jungs eine wichtige Orientierungshilfe, auch um sich ein Bild von männlichen und weiblichen Eigenschaften zu machen. Kinder lernen früh, die Unterschiede zwischen Vater und Mutter zu erkennen. Auch deswegen ist es wichtig, neben dem Beruf im privaten Alltag präsent zu sein. Jungen, die von alleinerziehenden Müttern großgezogen werden oder deren Väter kaum zuhause auftauchen, denken meist automatisch, dass Kochen, Waschen und Putzen in den Tätigkeitsbereich der Mutter fällt. Gleiches gilt für Gefühlsregungen. Wenn ein Junge erlebt, dass seine Mutter auch schon mal weint, beim Vater jedoch nie Tränen fließen, nimmt er leicht an, dass Weinen „verboten“ ist. Väter, die ganz selbstverständlich im Haushalt mitarbeiten und sich nicht immer und in jeder Situation als Souverän darstellen, demonstrieren, dass Aufgabenverteilung und Emotionalität nicht zwischen Mann und Frau getrennt werden, sondern Teil der Gemeinsamkeit sind.

Bewegung, Bewegung!

Jungen sind Raufbolde. Jungen können nicht reden, sondern tragen Konflikte körperlich aus. Jungen sind immer unruhig und kommen nie zur Ruhe. Das sind häufig die Charaktereigenschaften, die Jungen nachgesagt werden. Das ist in dieser absoluten Sichtweise natürlich kompletter Unsinn, dennoch: im Kern ist durchaus etwas dran, zumindest wenn man es nicht so abwertend betrachtet. Bewegungswunder sind Jungen tatsächlich vielfach, sie laufen gern, klettern, machen Sport. Der Vater ist dafür der perfekte Partner. Auch hier gilt (wie schon bei der Aufgabenverteilung von Mann und Frau oder der Emotionalität), dass es nicht das typische „Väter-Spielen“ sein muss, das der Sohn braucht. Das Klettern auf einen Baum, das Fußballspielen im Park oder das Raufen sind wichtige Dinge für den Jungen. Aber auch das Malen, Basteln oder Zusammenbauen von Einzelteilen zählt dazu. Nebenbei bemerkt: Wenn der männliche Nachwuchs gern mit Puppen spielt, macht er auch das gern mit dem Vater zusammen.

Zweisamkeit

Den Sohn durch den Alltag zu begleiten und ihm das Gefühl zu vermitteln, für ihn da zu sein, ist wichtig. Es geht um die schönen Momente, aber auch um die traurigen, es geht darum, Spaß zu haben, aber auch um Ernsthaftigkeit. Doch das Leben ist mehr als nur Alltag, es muss auch immer wieder etwas Besonderes sein, besonders die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Daher ist es ratsam, bestimmte Dinge ganz alleine mit dem Sohn zu machen. Hier geht es nicht darum, die Mutter auszugrenzen oder einen „Klüngel“ aufzubauen, sondern das Verhältnis von Vater und Sohn durch gemeinsame Zeit zu intensivieren. Diese Zweisamkeit kann zum Beispiel folgendermaßen aussehen:

  • Vater und Sohn unternehmen regelmäßig gemeinsame Ausflüge. Das können Tagesausflüge sein, aber auch Kurz-Trips, beispielsweise zum Zelten oder Wandern.
  • Kochen kann richtig Spaß machen! Auch - und gerade - wenn Vater und Sohn dafür verantwortlich sind. Die Tatsache, dass dabei oft (natürlich nicht immer) auch einiges daneben gehen kann, stört nicht, im Gegenteil, es macht die Sache sogar besonders spannend.
  • Ein Projekt, das Vater und Sohn gemeinsam auf die Beine stellen. Das kann eine handwerkliche Veränderung des Hauses sein oder auch ein Film, den Vater und Sohn gemeinsam erstellen.

Jungen brauchen Väter – vielleicht mehr noch als Mädchen – um ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Dabei nimmt der Vater im Laufe ihrer Jugend die Rolle als Vorbild, als Sparringspartner und im Teenager-Alter auch als derjenige ein, von dem man sich abgrenzen möchte. Daher ist es wichtig, dass Männer ihre Vaterrolle annehmen und aktiv ausfüllen.