© fotomek - Fotolia.com

Work-Life-Balance: Leuchtende Theorie, graue Praxis

Grau ist alle Theorie. Umso spannender ist der Blick hinter die Kulissen, wenn man einmal danach fragt, was deutschen Familien wichtig ist. Und ob es sich mit der gefühlten und gelebten Wirklichkeit deckt. Eine neue Studie hat zum Ergebnis, dass bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zwischen Wunsch und Wirklichkeit ein breiter Graben besteht.

Im Wahljahr gibt es Themen, um die sich die Parteien regelrecht reißen. Eines davon ist Familienpolitik. Das ist kaum verwunderlich, schließlich geht dieser Themenkomplex viele Menschen an. Hinzu kommen all jene, die später eine Familie planen. Doch die Frage muss erlaubt sein, ob die Politik die wahren Bedürfnisse ihrer potenziellen Wähler und Wählerinnen überhaupt kennt. Eine aktuelle Forsa-Studie hat ergeben, dass Zufriedenheit eher selten anzutreffen ist.

 

Wünsch' Dir was – und verzichte drauf

Die Rollenverteilung in der Familie ist schon immer eine spannende Frage. Nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Beruf und Alltag. In zahlreichen Details sind sich viele Familien einig darüber, wie es sein sollte. Aber auch darüber, dass sie in der Wirklichkeit weit von diesen Idealen entfernt sind. Einige Beispiele machen das deutlich:

 

  • Laut Forsa-Studie gaben 40 Prozent der Befragten an, dass sie es gut finden, wenn der Mann in Vollzeit und die Frau in Teilzeit arbeitet. Zumindest theoretisch. Denn tatsächlich sieht es meistens anders aus. Dass der Mann Vollzeit arbeitet, die Frau dagegen nur in Teilzeit, trifft auf 57 Prozent der Befragten zu. Häufig arbeiten beide in Vollzeit, ohne dass dies die Wunschvorstellung wäre. 
  • Fortschrittlich zeigten sich die Interviewten beim klassischen Modell des Alleinverdieners Mann. Nur sechs Prozent konnten sich damit anfreunden. Mit 14 Prozent der Befragten wird das Alleinverdienermodell allerdings mehr als doppelt häufig gelebt als für den Idealfall beschrieben.
  • Der größte Unterschied ist festzustellen, wenn man sich die Frage der Arbeitsteilung ansieht. 38 Prozent der befragten Familien äußerten den Wunsch, dass beide nur 30 Stunden arbeiten gehen und sich den Rest des Alltags teilen sollten. Auch hier zeichnet die Wirklichkeit ein deutlich trüberes Bild. Lediglich sechs Prozent der befragten Paare hat dieses Ideal tatsächlich umgesetzt.

Vergleicht man die Antworten mit den Realitäten, könnte man sich verwundert die Augen reiben und womöglich zum Schluss kommen, dass den meisten Familien die Umsetzung der eigenen Vorstellungen offenbar schwer fällt. Doch das wäre nicht fair und zu kurz gegriffen, denn die Abweichungen von Theorie und Praxis haben ganz praktische Gründe. Es scheitert wie so vieles andere im Leben auch in aller Regel am Geld. Denn wenn die gewünschten Lebensmodelle tatsächlich umgesetzt werden würden, bliebe in den meisten Fällen zu wenig für das Familien-Portemonnaie übrig. Da viele Frauen weniger verdienen als ihre Männer macht dies die Sache nicht einfacher.

 

Alles für die Kinder – und für die Betreuung

Auch wenn die Lust auf Karriere und die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, bei den Deutschen ausgeprägt ist, 42 Prozent der befragten Frauen gaben an, nach der Geburt des Kindes am liebsten drei oder mehr Jahre zuhause zu bleiben. Nur 24 Prozent reicht ein Jahr berufliche Auszeit nach der Geburt.

Eine große Bedeutung hat die Kinderbetreuung. Nur ein Viertel der Eltern glaubt, dass es ausreichend Betreuungsplätze in Kitas gibt. Allerdings wissen diese Eltern auch, dass ab August ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz besteht. Auf die Bundesregierung könnte unter Umständen noch einiges zukommen, denn die Familien geben sich hier kämpferisch. Immerhin gaben 48 Prozent an, den Kita-Platz zur Not auch einzuklagen, wenn es um die Durchsetzung der Betreuung geht.

 

Ein Topf voller Zuschüsse – ein Kopf voller Verwirrung

Zuschüsse und steuerliche Vorteile für Familien gibt es in Deutschland in großer Zahl. Doch genau das ist auch ein Knackpunkt dabei, denn die meisten Familien blicken bei dem Dschungel von Forderungen, Leistungen und Steuervergünstigen nicht durch. Wie weit die Politik in Berlin und die Familien im Land auseinander liegen, zeigt ein einfaches Beispiel:

Erst kürzlich hatten sich Experten des Familienministeriums gegen das Ehegattensplitting ausgesprochen. Es wirke sich weder auf die Geburtenrate aus noch sei es ein wirksames Mittel. Das sehen die Familien jedoch ganz anders. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten (81 Prozent) ist für die gemeinsame steuerliche Veranlagung von Ehepaaren.

Schlecht im Kurs vieler Familien steht nach wie vor das Betreuungsgeld. Immerhin 49 Prozent gaben an, es sei besser, dieses noch recht neue Modell wieder abzuschaffen.

 

Traum und Wirklichkeit auf dem Kontoauszug

Es ist ganz offensichtlich, dass der Verwirklichung der idealen Vorstellungen vornehmlich finanzielle Gründe im Weg stehen. Die Tatsache, dass es bei der Aufteilung vom Beruf so gravierende Unterschiede zwischen Wunschvorstellung und Wirklichkeit gibt, macht das deutlich. Aber auch der unbedingte Wunsch, einen Betreuungsplatz zu bekommen, zeigt, dass sich vieles um das Geld verdienen dreht, was mehr als verständlich ist. Ein letzter Aspekt der Forsa-Studie belegt eindrucksvoll, wo der Schuh drückt. Nach Einsparmöglichkeiten in der Familienpolitik befragt, gaben 53 Prozent an, dass Kindergeld eigentlich nicht nötig sei – zumindest dann nicht, wenn das Familieneinkommen über 100.000 Euro im Jahr liege.