Nicht nur nach der Geburt eines Kindes kann ein Paar in die Krise geraten. Oft führen der stressige Alltag oder Probleme im Beruf zu einer Entfernung vom einstmals so geliebten Partner, die man alleine nicht mehr überbrücken kann. Dann kann ein Besuch bei einem Paartherapeuten helfen.
Paarberatung – Was bringt sie bei Beziehungskrisen?
Viele Menschen sträuben sich, sich Hilfe von außen zu holen. Gerade wenn es um private Dinge geht, herrscht oft die Meinung vor, das müsse man doch mit sich selbst ausmachen. Doch es spricht nichts dagegen, sich Hilfe zu holen – auch oder gerade in einer Beziehungskrise nicht. Allein für die Kinder lohnt es sich, jede greifbare Möglichkeit zu nutzen, um eine Beziehung wieder ins Lot zu bringen.
Wenn Reden nicht mehr möglich ist
Beziehungen geraten allzu leicht in eine Sackgasse. Dabei fängt es meist ganz „harmlos“ an. Verletzungen werden nicht ausgesprochen, weil man sich selbst als übertrieben empfindlich empfindet oder Angst vor Zurückweisung und Verachtung hat. Die Gespräche drehen sich nur noch um den Alltag und die Kinder, es bleibt kein Raum mehr, sich einander mitzuteilen, über Wünsche, Ängste und Gefühle zu reden. Dies alles kann den Beginn einer Krise einleiten. Fatal ist, dass die Entfernung voneinander meist schleichend stattfindet. Irgendwann bemerkt man dann, dass zum Partner eine Entfernung besteht, die weder gewollt ist, noch sich so einfach wieder abstellen lässt.
Die ersten Anzeichen für eine Beziehungskrise lassen sich für die Partner meist schwer in Worte fassen:
- Rückzug aus der Familie: Ein oder auch beide Partner nehmen ihre familiären Aufgaben nicht mehr zuverlässig und nur unwillig wahr, Absprachen werden nicht eingehalten. Dies trifft leider auch allzu oft die Kinder. Es gibt Streit, wer für das Abholen vom Sportverein zuständig ist und wer die Kinder in den Kindergarten bringt. Auch das Interesse an gemeinsamen Unternehmungen mit der Familie lässt stark nach. Jeder macht seins.
- Respektlosigkeit dem Partner gegenüber: Man redet abfällig über den Partner, vor Freunden und auch vor den Kindern. Die Wünsche und Befindlichkeiten werden nicht mehr ernst genommen, der Partner wird belächelt und blamiert.
- Emotionale Erpressung: Liebe und Anerkennung wird zur inflationär gehandelten Beziehungswährung. Der Partner macht deutlich, dass man sich seine Anerkennung verdienen muss. Dies kann sich in eindeutiger Erpressung äußern: „Wenn Du nicht endlich aufhörst, mir zu sagen, was ich zu tun habe, wird das nicht mehr lange mit uns gutgehen.“, kann sich aber auch in Vorwürfen und in der Erzeugung von Schuldgefühlen äußern.
- Kein sexuelles Interesse: Wenn Achtung und Respekt fehlen, dann lässt auch das sexuelle Interesse nach. Sex als Pflichtprogramm oder gar keine Liebesakte sind Zeichen dafür, dass auf emotionaler Basis Defizite vorhanden sind. Die Lust verschwindet, da die inneren Gemeinsamkeiten nicht mehr vorhanden sind.
In jedem Fall sind diese Verhaltensweisen Hinweise darauf, dass in der Beziehung etwas nicht stimmt. Hier sind offene Gespräch zwischen den Partnern unbedingt angezeigt, soll die Beziehung wieder auf stabile Füße gestellt werden.
Der Paartherapeut kann helfen
Wenn Kommunikation nicht mehr möglich ist, weil jeder Versuch eines Gespräches in endlose Streitereien und Schuldzuweisungen ausartet, brauchen Sie Hilfe. Ein Paartherapeut kann hier eine Alternative sein. Ein geschulter Psychologe moderiert das Gespräch zwischen Ihnen und Ihrer Partnerin, bringt die Dinge auf den Punkt und greift ein, wenn die Auseinandersetzung die sachliche Ebene verlässt.
Am Anfang einer Paartherapie steht die Analyse der Lebensgeschichte der einzelnen Partner, sowohl vor als auch während der Beziehung. Dies hilft dem Therapeuten, Zusammenhänge und Verhaltensweisen der Beteiligten zu verstehen. Im Anschluss daran wird mit unterschiedlichen Methoden daran gearbeitet, dass die Partner wieder einen Zugang zueinander und Verständnis füreinander entwickeln. Insbesondere geht es dabei um folgende Punkte:
- Welche Wünsche hat jeder einzelne an die Beziehung und für sich selbst?
- Welche Wünsche hat der Partner an mich?
- Ängste und Enttäuschungen innerhalb der Beziehung, aber auch in Alltag und Beruf müssen ausgesprochen werden.
- Wie sagt man, dass man sich ärgert oder wütend ist, ohne den anderen zu verletzen?
- Welche Erwartungen kann mein Partner erfüllen und welche nicht?
- Welche Missverständnisse und Vorurteile hindern die Partner daran, sich einander zu öffnen?
- Wollen beide Partner die Beziehung wirklich weiterführen oder ist eine Trennung der richtige Weg?
Die Methodik variiert je nach Paarberatung. Möglich sind moderierte Gespräche, bei denen der Therapeut mit gezielten Fragen zu konstruktiven Gesprächen beiträgt, aber auch Rollenspiele, Mal- und Gestalttherapien. Dies kann Sinn machen, wenn die Sprachlosigkeit in der Beziehung so groß geworden ist, dass man erst über einen nonverbalen Zugang zueinander finden muss.
Und wenn der Partner nicht will?
Eine Paartherapie kann nur dann erfolgreich sein, wenn beide Partner Interesse daran haben, die Beziehung zu reaktivieren. Weigert sich ein Partner, an der Therapie teilzunehmen, kann das viele Gründe haben. Meist steckt die Angst vor Schuldzuweisungen dahinter. Will Ihre Partnerin an der Therapie nicht teilnehmen, sollten Sie vorerst allein zum Therapeuten gehen und erste Gespräche führen. Damit signalisieren Sie, dass Sie es ernst meinen. Ihrer Partnerin können Sie den Vorschlag machen, sich die Sache einfach einmal anzusehen und allein oder mit Ihnen zusammen einen unverbindlichen Besuch beim Paartherapeuten zu machen. Dann kann über etwaige Ängste gesprochen werden.
Wo findet man qualifizierte Paartherapeuten?
Um eine Paartherapie zu beginnen, kann man sich an verschiedene Anlaufstellen wenden:
- Gemeinnützige und kirchliche Organisationen (Caritas, Diakonie, SOS-Beratungsstellen, Pro Familia)
- Öffentliche Beratungsstellen Ihres Wohnortes
- Psychotherapeuten, die auf Paarberatungen spezialisiert sind
Haben Sie den Mut und wagen Sie den Schritt zur Paarberatung, um Ihre Beziehung zu retten – und das nicht nur der Kinder wegen. Was einen in den ersten Jahren, als die Liebe noch lebendig war, verbunden hat, ist oft noch vorhanden und muss lediglich wieder neu belebt werden.
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