Abschiede, Verluste, Todesfälle – sie gehören zum Leben dazu. Wir alle wissen das, trotzdem trifft es uns häufig unvorbereitet und meist bis ins Mark. Unseren Kindern geht es ebenso. Sie leben in der Gegenwart und ein Verlust vereinnahmt ihr komplettes Denken und Fühlen, zumindest für den Moment.
Abschiede und Verluste – wie Kinder damit klarkommen
Das Begreifen in den Augen eines Kindes zu sehen und seinen Schmerz mit zu erleben, ist für Eltern hart. Kinder fühlen Abschiede und Verluste in ihrer ganzen Größe und sehr intensiv. Wenn dieser Schmerz nicht geachtet und verarbeitet wird, setzt er sich als Erfahrungswert fest und kann das Seelenleben eines Menschen negativ prägen.
Auch kleine Verluste tun weh
Und damit ist noch nicht einmal unbedingt der Tod eines Angehörigen gemeint. Kinder sind tieftraurig, wenn ihr Lieblingskuscheltier verschwunden ist oder die Katze seit Tagen nicht mehr nach Hause gekommen ist. Eine Schulfreundin zieht um oder ein Schulwechsel steht an. All dies sind Abschiede und Veränderungen, die ein Kind verarbeiten muss. Schmerz gehört hier dazu und das traurig sein auch. An diesen scheinbar so geringfügigen Verlusten kann ein Kind lernen, mit Abschieden und Verlusten umzugehen – wenn die Eltern ihm dabei helfen.
Besonders wichtig ist es, die Traurigkeit des Kindes zu fühlen und zu achten. Sätze wie: „Das ist doch alles gar nicht so schlimm“ oder „Nun stell Dich doch bitte nicht so an“ helfen hier wenig. Sie führen lediglich dazu, dass ein Kind sich in sich selbst zurückzieht und das Vertrauen in die Eltern verliert. Es fühlt sich schuldig und nicht angenommen, denkt, dass seine Gefühle unangemessen sind. Dabei ist Traurigkeit so wichtig, um Verluste verkraften und verarbeiten zu können.
Immer wieder Abschied
Kinder, bei denen ein Elternteil Wochenendpendler ist, kennen das Gefühl des Abschieds genauso gut, wie Kinder mit großen Geschwistern, die nur ab und an noch zu Besuchen kommen. So groß die Freude ist, das geliebte Familienmitglied wiederzusehen, so groß ist die Traurigkeit, wenn es ans Abschied nehmen geht. Damit der Abschied nicht so schwer fällt, sollten sich die Erwachsenen möglichst undramatisch verhalten. Es ist unnötig, dem Kind zu sagen, wie traurig man selbst ist. Das hilft ihm nicht, sondern verstärkt nur seine eigene Traurigkeit und kann sogar Schuldgefühle erzeugen: Vor allem kleine Kinder denken schnell, sie sind für den Schmerz des Erwachsenen verantwortlich.
Achten Sie aber auch darauf, dass Gefühle beim Abschied gezeigt werden dürfen. Weinen ist selbstverständlich erlaubt, Umarmungen und alle sonstigen Formen der Gefühlsbezeugungen natürlich ebenso. Wenn ein Kind auch die Traurigkeit der anderen spüren kann, hilft ihm das, die eigenen Gefühle richtig einzuordnen. Nach der Zeit der Trauer – die bei kleinen Kindern meistens recht kurz ist – ist das Erlebte verarbeitet, das Kind hat den Abschied und den damit verbundenen Verlust losgelassen und blickt wieder nach vorn.
Trennung und Scheidung – Abschied von Vertrautem
Wenn sich die Eltern scheiden lassen, hat ein Kind mit besonders vielen Gefühlen zu kämpfen. Da ist zum einen der eigene Schmerz, dann die Trauer der Eltern und schließlich auch die Frage, ob es selbst irgendwie verantwortlich sein könnte für das, was geschieht. Die gewohnte und sichere Welt bricht zusammen, das weitere Leben ist eine unbekannte Größe und nicht absehbar.
Bleiben Sie unbedingt mit Ihrem Kind im Gespräch und erklären Sie ihm so kindgerecht wie möglich, warum die Trennung stattgefunden hat und wie es weitergehen wird. Bei aller Traurigkeit brauchen Kinder so viel Klarheit wie möglich und die Gewissheit, dass der Schmerz von den Eltern gesehen und geachtet wird. Die Offenheit in einer solchen Situation bestärkt ein Kind auch darin, dass es seinem Gefühl trauen kann, dass sein Gespür richtig war. Ebenso hilfreich ist es, möglichst viele Rituale und Gewohnheiten auch nach der Trennung beizubehalten. Das Kind spürt dadurch, dass sich zwar Vieles verändert, dass aber auch Einiges von Bestand ist.
Sterben und Tod heißt Abschied für immer
Kinder leben in der Gegenwart und haben nur wenig Gefühl für Zukunft und Vergangenheit. Es ist für sie schwer zu verstehen, dass ein geliebter Mensch stirbt und niemals mehr zurückkommen wird. Das natürliche Gefühl ist Trauer, die sich nicht nur in Tränen und Unverständnis, sondern auch in Wut, Angst, Schuldgefühlen, körperlichen Schmerzen und geistigen Symptomen äußern kann. Der Schmerz ist so groß, dass die Handlungsfähigkeit verloren geht. Das geht uns als Erwachsenen ebenso wie unserem Kind.
Die Reaktionen eines Kindes auf den Tod hängt in hohem Maß auch von seinem Alter und dem Entwicklungsstand ab. Stellt sich ein jüngeres Kind vielleicht noch vor, dass Oma im Himmel auf einer Wolke sitzt und tröstet sich damit, so kann der Tod für einen Teenager in der Pubertät ein zutiefst dunkles und verstörendes Erlebnis sein. Wie bei allen Verlusten und Abschieden gilt auch hier: Bleiben Sie im Gespräch, achten und respektieren Sie die Traurigkeit, die Ihr Kind fühlt und verstecken Sie den eigenen Schmerz nicht.
Was Kindern bei Verlusten hilft
Bei allen Formen des Verlustes können Sie Ihrem Kind Hilfestellung bieten:
- Reden Sie über das Geschehen und beantworten Sie ehrlich alle Fragen des Kindes.
- Verschaffen Sie dem Kind ein Gefühl von Nähe und Geborgenheit durch viel körperliche Nähe und ein fürsorgliches und achtsames Verhalten.
- Zeigen Sie Ihrem Kind Ihre eigene Traurigkeit.
- Lassen Sie es an Abschiedsritualen (wie zum Beispiel einer Beerdigung oder der Verabschiedung am Zug) teilnehmen, wenn es das will.
- Lassen Sie auch später noch Gefühle von Wut, Sehnsucht oder Schmerz zu – nicht nur bei Ihrem Kind, sondern auch bei sich selbst.
Mit Verlusten und Abschieden umzugehen fällt schwer. Wir müssen Vertrautes loslassen und uns dem Leben wieder zuwenden. Kinder können das oft besser als wir Erwachsenen. Also sollten wir voneinander lernen: Ihr Kind von Ihnen und Sie von Ihrem Kind.