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Die Rolle des Vaters: Wichtiger als bislang angenommen

Über die Wichtigkeit der Mutter für Kinder gibt es wohl so viele Forschungen, dass man damit einen Fußweg zum Mount Everest pflastern könnte. Doch wie sieht es bei Vätern aus, wie wichtig sind sie für die kindliche Entwicklung?

Wichtig sind sie ja schon, die Väter. Irgendwie. Aber so wichtig, dass es ohne sie nicht geht? Oder gar wichtiger als Mütter? Nein, das kann nicht sein. So ist der allgemeine Tenor. Doch der Wissenschaftler Ronald Rohner wollte sich mit diesen Einsichten nicht so recht abfinden. Schon im Jahr 1975 begann er, sich mit der Thematik zu befassen und kam zu erstaunlichen Schlüssen.


101 Kulturen

Insgesamt 101 Kulturen hat Rohner im Jahr 1975 im Rahmen seiner Studie untersucht. Schritt für Schritt baute er das „Center for the Study of Interpersonal Acceptance and Rejection" an der University of Connecticut in den USA auf und arbeitete fortan an den Fragen, die ihn am meisten beschäftigten. Die Untersuchung der 101 Kulturen ergab, dass Kinder mehr Wärme und Akzeptanz von anderen Menschen erfuhren, wenn sie gemeinsam mit dem Vater in einem Haushalt lebten. Dadurch rückte die Rolle des Vater in der Wissenschaft schnell in einen neuen Fokus, die Frage nach der Bedeutung des Vaters wurde immer interessanter.


Rohners Krönung

Ronald Rohner hat im Jahr 2012 seine berufliche Karriere beendet - aber nicht ohne vorher eine eindrucksvolle Zusammenfassung der vergangenen Dekaden anzufertigen.  Eine der wichtigen Erkenntnisse Rohners ist der besondere Einfluss des Vaters auf das Selbstvertrauen von Kindern. Zwar neigen Kinder generell dazu, aggressiv oder emotional instabil zu werden, wenn sie nicht genügend Liebe und Zuwendung bekommen, und zwar unabhängig davon, ob das emotionale Defizit von der Mutter oder dem Vater ausgeht. Was Rohner herausfand, war allerdings dennoch erstaunlich, denn er kam anhand seiner Untersuchungen zum Schluss, dass Ablehnung durch den Vater oft eine größere Bedeutung für das Kind hat.
Das hat durchaus mit der Rollenverteilung von Männern und Frauen zu tun, die in den 1970er Jahren selbstverständlich noch deutlicher durch männliche Dominanz geprägt war. Doch auch heute noch spielt der Vater als Ernährer oder natürliche Autorität eine spezielle Rolle. Kinder scheinen – so Rohners Vermutung – ein sehr feines Gespür dafür zu haben, wer innerhalb der Familie mehr und wer weniger zu sagen hat. Diese Hierarchie wirkt sich auf die emotionale Bindung aus, positiv wie negativ.


Der wichtige Papa

Einige Studien von Ronald Rohner ergaben noch etwas anderes, das interessant ist. Selbst wenn die Hierarchie innerhalb einer Familie flach ist und insgesamt eher als  gleichberechtigt bezeichnet werden kann, hat der Vater in bestimmten Bereichen doch mehr Einfluss auf den Nachwuchs als die Mutter. So stellte Rohner fest, dass Kinder emotionale Probleme bekommen, wenn der Vater sich ihnen gegenüber gefühlskalt oder ablehnend verhält, und zwar auch dann, wenn die Mutter das Kind über alles liebt und dies auch zeigt.
Diese enorme Wichtigkeit hat natürlich auch Verantwortung des Vaters zur Folge. Wenn er diese wahrnimmt und sich dem Kind entsprechend zuwendet, hat es aber gute Chancen, sich positiv zu entwickeln. Rohner erklärtdie unterschiedliche Bedeutung von Vater und Mutter auch mit verschiedenen Umgehensweisen mit dem Kind. Väter verhalten sich anders, spielen anders, oft körperbetonter und wilder, sie fördern stärker Mut und Risiko, aber auch Wettbewerbsbereitschaft und Durchhaltevermögen.


Nicht auf den Macho kommt es an

Liest man die letzten Zeilen, könnte man zum Schluss kommen, dass Väter heute Machos sein müssen, die ihre Kinder durch Vorleben dazu bringen, hart und kämpferisch durchs Leben zu gehen. Doch dem ist nicht so. Anders herum wird ein Schuh draus: Väter, die eher nicht-typisch männliche Dinge mit ihren Kindern unternehmen und ihnen gleichzeitig Höflichkeit und Respekt vermitteln, tragen eher dazu bei, dass ihre Kinder später mit Durchsetzungsfähigkeit und emotionaler Stärke ausgestattet sein werden. Weil Stärke eben auch bedeutet, schwach sein zu dürfen. Das wird im Falle der Mutter gemeinhin sowieso angenommen. Väter sind aber auf einem guten Weg.