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Ja, mein Schatz oder wer ist hier der Chef?

Wie ist es, wenn einen Tag lang das Kind bestimmen darf, was passiert und wie? Unser Kolumnist Mate Tabula hat das am fünften Geburtstag seiner Tochter durchgezogen.

Meine große Tochter hatte neulich ihren fünften Geburtstag. Und in aller Bescheidenheit, ich habe musterpapamäßig alles dafür getan, dass er grandios wird. Die Tage davor habe ich ihr mehrmals gesagt, dass Sie da der Chef sein darf und nicht wie sonst die Mama oder der Papa. Und als der Tag dann kam, erfüllte ich ihr jeden einzelnen Wunsch und sagte „Ja, mein Schatz“ zu was auch immer sie wollte. 

„Papa, ich will ins Schwimmbad.“ 
„Ja, mein Schatz.“ 
Papa, ich will dort Pommes essen.“ 
„Klar, mein Schatz.“ 
„Papa, ich will das Auto dorthin fahren.“ 
„Ähm, gut, mein Schatz, aber bitte schnall dich vorher an und fahr vorsichtig. Hier hast du einen Fünfer für die Pommes.“ 

 

Wer ist hier der Chef? 

Meine Frau machte mein Verhalten wahnsinnig. Erst recht, weil die Chefsache nicht mit ihr abgesprochen war. Wie meist wollte sie der Chef sein und hatte einen genauen zeitlichen Plan im Kopf, wie der Tag abzulaufen hatte und ich hatte ihn durch mein bedingungsloses „Ja, mein Schatz“ gegenüber der Großen komplett torpediert. Dementsprechend war sie stinksauer. 

„Wenn du sie immer weiter die Wasserrutsche rutschen lässt, schaffen wir es nie rechtzeitig nach Hause, um die Kinder ins Bett zu legen, damit sie nachher ausgeruht sind, damit wir später nochmal raus können, um ein Eis essen zu gehen“, sagte meine Frau zu mir, woraufhin ich sagte: „Ja, mein Schatz, das verstehe ich. Und wenn du Geburtstag hast, machen wir das genauso, wie du es dir vorstellst.“ 

In ihrem Blick sah ich, dass sie mir für diese Antwort in den Bauch boxen wollte. Weil der gut gepolstert ist, gewährte ich ihr den Wunsch. Aber nur einmal, schließlich war es bis zu ihrem Geburtstag noch eine Weile hin. 

 

Die Füllung ist das Beste

Nichtsdestotrotz schafften wir es rechtzeitig nach Hause, um die Kinder schlafen zu legen, damit sie nachher ausgeruht sind. Als sie jedoch wach wurden, fing es an zu hageln und wir konnten das Eisessengehen vergessen. 

„Willst du Petrus jetzt auch in den Bauch boxen?“, fragte ich meine Frau, aber die hatte sich schon längst wieder beruhigt. So konnte die Große weiter Chef sein und munter weiter bestimmen. 

Ich musste ihre neue Sitzbank für den Garten aufbauen, sie durfte Schokomüsli auf der Couch essen und die kleine Schwester durfte natürlich mitessen, weil du kannst nicht der Großen etwas erlauben und der Kleinen nicht, das versteht die Kleine einfach nicht, da gibt es dann Riesengeschrei und das wollte ich an diesem Tag als Superdaddy unbedingt vermeiden.

Deshalb erlaubte ich der Großen auch ausdrücklich, dass sie die halbe Geburtstagstorte ganz nach Belieben für sich beanspruchen kann. Die Kleine bekam die andere Hälfte. Beide verputzten die ganze Füllung und ließen den harten Boden für uns Eltern übrig. Ich hätte es nicht anders gemacht. Meine Töchter wissen halt, was gut schmeckt und was nicht.

 

Besonders nett an besonderen Tagen

Am Abend meinte die Große glücklich: „Papa, das ist der beste Geburtstag, den ich je hatte. Warum warst du eigentlich heute so nett zu mir?“
„Bin ich denn sonst nicht nett zu dir?“ fragte ich verdutzt und sie sagte: „Doch schon, aber manchmal schimpfst du auch. Heute aber nicht. Warum?“ 
„Na, damit du den heutigen Tag auch als was Besonderes siehst. Schau, wenn ich jeden Tag so nett zu dir wäre wie heute und du alles, was du dir in den Kopf setzt, machen dürftest, würdest du dich schnell daran gewöhnen und dann wäre das ja irgendwann nichts besonderes mehr, oder?“ 
Hm, meinte sie, vielleicht, aber schön fände sie es trotzdem.  

Dann wollte sie noch eine Runde Gameboy spielen, doch ich sagte das erste Mal „Nein, mein Schatz.“ Es war nämlich schon nach Mitternacht und ihr Geburtstag damit offiziell vorbei. Ab sofort war Daddy wieder der Chef im Haus. Ganz chefmäßig spielte ich noch eine Runde Supermarioland und bereitete mich mental auf den Geburtstag meiner Frau vor. Der stand als Nächstes an.

 

Mate Tabula ist Autor, Texter und Geschichtenerzähler aus Germering bei München. Er hat ein Frau, zwei Töchter und eine Schilddrüsenunterfunktion. Mehr über ihn und sein Leben erfahrt ihr hier