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Gleichberechtigung beginnt mit Wertschätzung – ganz unabhängig von Rollenbildern

Frauen haben lange für die Emanzipation gekämpft. Zufrieden sind sie noch lange nicht. In letzter Zeit scheint es so, als würden sich die traditionellen Rollenbilder vom geldverdienenden Mann und der Frau, die Haushalt und Küche schmeißt, wieder fester etablieren. Ist die Emanzipation auf dem Rückschritt?

Per Definitionem ist die Emanzipation die Befreiung aus einer Abhängigkeit, Unterdrückung und Benachteiligung hin zu einem Zustand der Selbstbestimmung. Sieht man sich unsere Gesellschaft heute an, scheint dieser Schritt gelungen. Frauen stehen heute alle Möglichkeiten offen, zumindest theoretisch. Sachzwänge und Notwendigkeiten führen allerdings häufig nach wie vor dazu, dass altbewährte Rollenbilder gelebt werden.

 

Die Emanzipation ist doch längst überholt!

Dieser Meinung ist zumindest die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder und plädiert stattdessen für das Betreuungsgeld – auch als Herdprämie bekannt. Und vielleicht hat sie damit Recht. Denn längst nicht mehr definiert sich die Stärke und Eigenständigkeit einer Frau nur darüber, wie unabhängig sie finanziell und auch emotional vom „starken“ Geschlecht ist. Gleichberechtigung wird heute längst anders definiert als von vor 25 Jahren. Es geht hier weniger um Rollenverteilung als um gegenseitige Wertschätzung. Jeder Part in der Familie erfüllt seine Aufgaben – ob die nun gerade männer- oder frauenspezifisch aufgeteilt sind oder nicht, ist eigentlich für die meisten Frauen und Männer mittlerweile gleichgültig.

 

Was ist mehr wert?

Auch wenn die Emanzipation vollzogen ist und Frauen nur noch in selbstgewählte Abhängigkeiten verstrickt sind, hat sich das Gesellschaftsbild noch nicht komplett an die modernen Verhältnisse angeglichen. Zu tief verankert ist die jahrhundertealte Vorstellung von der Höherwertigkeit des Mannes und seiner Aufgaben. Ein Vater, der hart arbeitet, um seine Familie zu ernähren wird deshalb häufig immer noch höher eingeschätzt als seine Frau, die den Haushalt und die Kinder organisiert und sich nebenher noch mit ehrenamtlicher Arbeit in die Gesellschaft einbringt. Diese Gewichtung hat allerdings nicht ausschließlich etwas mit Emanzipation und Gesellschaftsbild zu tun, sondern ist auch ein Nebenprodukt des Kapitalismus: Nur wer Leistung in Form von harter Währung bringt, erfüllt die Vorgaben und ist ein wirklich vollwertiges Mitglied der Gesellschaft.

 

Was Wertschätzung mit Gleichberechtigung zu tun hat

Echte Gleichberechtigung haben nicht nur die Frauen lange Zeit vermisst. Auch Männer haben nicht wirklich die gleichen Rechte wie die Frau. Zwar waren sie lange Zeit rein kräftemäßig und wirtschaftlich deutlich im Vorteil, dafür war ihnen das Recht verwehrt, sich schwach und verletzlich zu zeigen. Die Grenzen verschwimmen heute zum Glück immer mehr. Männer dürfen schwach sein, Frauen Stärke zeigen. Verächtliche Kommentare oder verwunderte Blicke – zum Beispiel angesichts eines hingebungsvollen Hausmanns – kommen immer wieder vor, rücken aber zunehmend aus dem Fokus und werden nach und nach gänzlich verschwinden. Veränderung braucht Zeit, das gilt für die Emanzipation genauso wie für viele andere gesellschaftliche Entwicklungen und Umstrukturierungen.

 

Auf die eigene Emanzipation kommt es an!

Das Maß der Gleichberechtigung legt heute jeder letztendlich an sich selbst an. Die gesellschaftlichen Möglichkeiten sind gegeben, Benachteiligungen sind zwar noch vorhanden, aber marginal und überwindbar. Männer und Frauen stehen sich allerdings immer noch gerne selbst im Weg: Der Mann, der Angst vor den Kommentaren seiner Freunde und Kollegen hat, wenn er sich für ein Jahr als Hausmann entscheidet; die Frau, die sich vor dem Nimbus der Rabenmutter fürchtet, wenn sie nach sechs Monaten wieder arbeiten geht und Haushalt und die Kinderbetreuung dem Mann überlässt.

Die Gleichberechtigung gehört heute mehr denn je zum eigenverantwortlichen Handeln und wird in dem Maße voranschreiten, wie Menschen den Mut aufbringen, Althergebrachtes hinter sich zu lassen und neue Wege zu gehen. Indem wir unseren Kindern genau diesen Mut vorleben und eingefahrene Bahnen verlassen, sorgen wir dafür, dass eine neue Generation heranwächst, die sich um Themen wie Emanzipation, Gleichberechtigung und Wertschätzung kaum noch Gedanken machen muss.