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Überbehütet, verwöhnt, unselbständig: Die Generation Y

Selbst bei Wikipedia gibt es einen Eintrag dafür: Sogenannte „Helikopter-Eltern“ zeichnen sich durch eine übertriebene Fürsorge aus. Doch es gibt nichts, was man nicht noch toppen könnte. Und so haben wir es inzwischen mit der „Generation Weichei“ zu tun. Das sind Kinder, die im Grunde nicht viel selbständiger sind als der kleine Zwerg, der ratlos auf dem Töpfchen sitzt.

Da sitzt er vor mir, dieser junge Bengel. Die Frisur ist diskussionswürdig, das Hemd muss wohl modern sein, die Schuhe erinnern an einen Strandspaziergang. Aber gut, was soll's, ich will den jungen Mann schließlich nicht als Model einstellen, sondern als Programmierer. Gerade will ich das Gespräch mit ihm beginnen, als es an der Tür klopft. Ohne eine Antwort abzuwarten, betritt eine Frau Mitte 40 das Büro. Sie ist „bewaffnet“ mit einem Laptop in der einen und einer Tüte in der anderen Hand. Es stellt sich heraus, dass es sich um die Mutter des Bewerbers handelt, der vor mir sitzt und lächelt. Nun legt Mama los:

„Guten Tag, Reedemann mein Name, ich komme nur kurz vorbei, weil mein Sohn seinen Laptop vergessen hat. Zu essen hat er vorhin auch nichts mitgenommen, aber ich kann Ihnen sagen, dass er zuverlässig ist, ein hohes Maß an Konzentrationsfähigkeit hat und fachlich das vielleicht höchste Niveau zu bieten hat, das Sie sich vorstellen können. Im Ausland war er schon, da hat er wertvolle Erfahrungen gemacht, aber jetzt ist er hier, in Deutschland, und Sie können ganz auf ihn setzen.“

Ich sehe noch, wie die Mutter ihrem Nachwuchs einen Kuss aufdrückt, dann ist sie verschwunden.

„Was war das denn?“ frage ich meinen Bewerber.

„Meine Mutter“, sagt der nur knapp, „die ist ok.“

Mag sein, denke ich mir. Und habe mich bereits innerlich gegen den Bewerber entschieden. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass das eine kluge Entscheidung war.
 

Vererbte Erfahrungen

Normalerweise kann man Erfahrungen nicht vererben. Man muss sie machen. Doch die neue Generation von Helikopter-Eltern hält von dieser Weisheit nicht viel. Sie ist für den Nachwuchs da, kümmert sich um ihn, noch bevor er „geschlüpft“ ist. Da werden Bach und Mozart schon während der Schwangerschaft gehört, man weiß ja nie, wofür es später mal gut sein kann. Da werden Tages-, Wochen- und Monatspläne aufgestellt, von denen kein Deut abgewichen wird. Die schon so oft zitierte heiße Herdplatte wird nicht durch das pure Erleben (und diesen verdammt heftigen Schmerz) wahrgenommen, sondern in blumigen Worten erklärt, von allen Seiten theoretisch beleuchtet und letztlich als nicht gut, nicht passend tituliert. Kinder von Helikopter-Eltern können in der Regel nicht kochen. Weil sie auch mit Mitte oder Ende zwanzig noch nie einen Herd bedient haben. Schließlich werden Herdplatten mit den Jahren nicht ungefährlicher.

 

Die perfekte Investition

Die Generation Y basiert auf Eltern, die eher als Manager durchgehen. Sie organisieren das Leben ihrer Kinder minutiös, dabei dürfen Kultur und Bildung nicht zu kurz kommen, mittelmäßige Noten sind ein No-Go. Und wenn es sie doch einmal gibt, muss eben mal ein Elterngespräch geführt werden. Früher, in der grauen Vorzeit der „blauen Briefe“ waren es die Lehrkörper, die mit Eltern ernste Gespräche führten, was dann nicht selten mit disziplinarischen Maßnahmen einherging. Heute sitzen Lehrer und Lehrerinnen auf dem Prüfstuhl und müssen sich unangenehme Fragen gefallen lassen. Denn fehlende oder mangelnde Leistung kann ihren Grund nicht beim Kind oder den Eltern haben, dafür sind die viel zu perfekt organisiert. Bleibt also nur die Lehrkraft, und wenn man schon dabei ist, soll doch der Schulleiter auch gleich dabei sein. Damit er mal sieht, wie es sein Personal so mit der Arbeit hält.

 

Und das Ergebnis?

Was kommt dabei heraus, wenn Kinder von Beginn an verplant, verwöhnt, verhätschelt werden? Verplante, verwöhnte und verhätschelte Kinder, das ist doch ganz klar. Für viele Arbeitgeber ist die Generation Y nicht weniger als das schlichte Grauen. Sie erleben junge Menschen der – wie es hinter vorgehaltener Hand heißt - „Generation Weichei“ in erster Linie blutleer und ohne Dynamik. Statt Anforderungen zu entsprechen oder zumindest den Versuch zu unternehmen, fordern sie selbst, statt sich über Erreichtes zu freuen, bemängeln sie alles, was fehlt oder nicht passt. Oft wirken sie, als befänden sie sich in einer völlig anderen Welt, einer Welt, die nur darauf ausgerichtet ist, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen.


Das wirkliche Leben lernen Kinder von Helikopter-Eltern nicht kennen. Eigene Erfahrungen machen sie erst spät, zuweilen zu spät. Wenn sie Glück haben, sind sie später trotzdem erfolgreich. Wenn sie Pech haben, lassen sie sich mit 25 noch die Schuhe zubinden. All das können sich ihre Eltern auf die Fahne schreiben. Und das ist definitiv kein Kompliment.