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Warten will gelernt sein – Kinder und Geduld

Kinder sind lange Zeit die Nummer eins im Leben ihrer Eltern - dürfen sich auch so verhalten. Sie unterbrechen uns Eltern beim Telefonat, im Gespräch und möchten ihre Wünsche umgehend artikulieren und befriedigt wissen. Für Babys und Kleinkinder ist das in Ordnung, doch wie sieht es aus, wenn die Kinder älter werden?

Die Achtsamkeit dem Kind und seinen Bedürfnissen gegenüber gehört in Deutschland zum guten (Erziehungs-)Ton. In anderen Kulturkreisen sind Eltern längst nicht so geduldig. Da lernen Kinder früh, dass sie auch einmal warten müssen. Sie gehören häufiger sogar mehr zur Gemeinschaft als bei uns, haben aber nicht die Sonderstellung, die deutschen Kindern oft zugestanden wird.

 

Kann ein Baby geduldig sein?

Babys können nicht warten, denn sie leben vollständig im Hier und Jetzt. Wenn sie ein Bedürfnis haben, dann äußern sie das lautstark. Ein Kind unter sechs Monaten warten zu lassen – auf eine trockene Windel, Nahrung oder Zuwendung – hat auf keinen Fall einen erzieherischen Effekt, sondern bewirkt eher das Gegenteil. Das Baby erfährt, dass die Welt nicht zwangsläufig freundlich ist und Eltern nicht immer zuverlässig da sind. Was ein Säugling in den ersten sechs bis neun Lebensmonaten braucht, sind dagegen Eltern, die prompt erscheinen, wenn es weint und sich kümmern. So bildet sich das später so wichtige Urvertrauen ins Leben, in andere Menschen und in den eigenen Wert.

Auf dem Weg zur Geduld

Mit etwa einem Jahr bewegt sich das Baby mit seiner Wahrnehmung in der Zeit. Es lernt, dass die Eltern auch dann noch existieren, wenn sie gerade nicht da sind und dass es durch bestimmte Verhaltensweisen deren Erscheinen auslösen kann. Wenn ein Baby das gelernt hat, dann kann es auch die ersten Züge von Geduld zeigen. Andererseits ist jetzt auch der Moment, in dem die Weichen gestellt werden. Denn nun bekommt das Kind ganz genau mit, ob es seine Eltern drangsalieren und immer und ständig heranzitieren kann oder nicht. In diesem Zeitraum ist Feingefühl angesagt: Denn auch im zweiten Lebensjahr weint ein Kind in den meisten Fällen, weil es einen echten Grund hat. Das erzieherische Warten lassen ist auch jetzt noch nicht wirklich sinnvoll – Sie können sich nur einfach etwas mehr Zeit lassen und noch entspannter reagieren.

Wunsch oder Bedürfnis – der kleine Unterschied

Während etwa bis zur Mitte des zweiten Lebensjahres hauptsächlich Bedürfnisse der Grund für Weinen und Quengeln sind, kommen nach und nach Wünsche dazu. Das Kind entwickelt sein Selbst und damit eigene Vorstellungen davon, wie sein Leben abzulaufen hat. Die „Haben-Wollen“-Phase, die sich daraus entwickelt, ist ideal, um mit dem Training zum Warten und zur Geduld zu beginnen. Denn diese Wünsche sind nicht existentiell und können deshalb auch einmal auf später verschoben werden. Wichtig ist dabei die klare Kommunikation von Anfang an: „Für heute ist es zu spät, um auf den Spielplatz zu gehen, aber morgen, gleich nach dem Frühstück, gehen wir hin.“ Anfangs wird so eine Ansage großen Protest auslösen, nach und nach lernt das Kind dadurch aber den Fluss der Zeit kennen. Mit steigendem Alter fällt es ihm so immer leichter, auch einmal zu warten.

So lernen Kinder warten

Geduld ist eine Frage des Alters und der Erziehung. Mit dem Lernen können Sie bereits früh anfangen, auch wenn Ihr Kind rein altersmäßig noch gar nicht warten kann:

  • Mit etwa sechs Monaten bekommt ein Baby ein erstes Gefühl für das Verrinnen der Zeit und es stellt fest, dass Dinge nacheinander passieren. Dieses Gefühl verfestigen Sie als Eltern durch Rituale und gleiche Abläufe im Alltag.
  • Mit etwa einem Jahr können Kinder vertraute zeitliche Abläufe schon gut nachverfolgen. Erklären Sie Ihrem Kind in einfachen Worten die einzelnen Schritte, zum Beispiel beim Baden, Abendessen oder Schlafengehen.
  • Vergangenheit und Zukunft beginnen Kinder ab etwa 18 Monaten zu erfassen. Ab jetzt helfen konkrete Zeitangaben, allerdings solche, die Ihr Kind auch begreifen kann. Verständlich sind Angaben wie noch einmal schlafen oder nach dem Mittagessen. Tückisch ist das Wörtchen „gleich“. Für ein zweijähriges Kind ist etwas, das gleich stattfindet, maximal zwei Minuten entfernt.
  • Im Kindergartenalter kann Ihr Kind nun schon richtig geduldig sein. Es begreift zunehmend die Zeit und lernt die Zeitbegriffe zu verstehen. Sie können jetzt auch Bedürfnisse aufschieben, brauchen allerdings oft noch Ablenkung in der Wartezeit.

Für die Entscheidung, wie lang Ihr Kind schon warten kann, dient häufig das Lebensalter als Anhaltspunkt. Abhängig vom Lebensjahr dürfen Sie Ihr Kind ein, zwei, drei oder mehr Minuten auf etwas warten lassen. Diese Faustregel gilt aber nur bedingt. Achten Sie auf Ihr Kind und seine Fähigkeiten.

Worum die Welt sich dreht

Kinder sind der Mittelpunkt ihrer eigenen Welt. Anfangs liegt das daran, dass sie sich der Umwelt kaum bewusst sind. Später haben die Eltern einen entscheidenden Einfluss darauf, wie gut Ihr Kind sich in eine Gemeinschaft einfinden und dort auch einmal die eigenen Bedürfnisse zurückstellen kann. Im Restaurant, wenn sich Erwachsene unterhalten oder auch beim heimischen Mittagessen können Kinder, die sich ständig in den Vordergrund drängen, anstrengend und nervig sein. Wie sich Ihr Kind in der Gemeinschaft verhält, steuern Sie von Anfang an. Ein wichtiger Faktor ist die zuverlässige Bedürfniserfüllung in der ersten Zeit. Denn ein Kind, das weiß, dass es umsorgt und beschützt wird, hat es gar nicht nötig, ständig um Aufmerksamkeit und Zuneigung zu betteln, indem es sich in den Vordergrund drängt. Die Kinder, die sich in der Gruppe am auffälligsten verhalten, sind oft genau die, die ständig warten müssen oder die Aufmerksamkeit der Eltern nur durch Unfug und lautstarke Aktionen erregen können.