Früher. Gern wird die Erinnerung an vergangene Zeiten aufgefrischt, wenn die Gegenwart nicht so ist, wie man sie sich wünscht. Das gilt auch für Lehrer, die sich zunehmend überfordert fühlen und über schwierige und anstrengende Schüler klagen. Sind die Lehrer von heute verweichlicht und zu anspruchsvoll? Oder stimmt es wirklich, dass die Schüler von heute den Lehrern die Sache schwerer machen als früher?
Das Leiden der Lehrer – Schüler sind anstrengend
Vergleicht man die Lehrer von heute mit denen vor 10 Jahren, ergibt sich ein düsteres Bild. So findet fast jede zweite Lehrkraft den Umgang mit Schülern heute deutlich schwieriger als noch vor 10 Jahren. Doch das liegt nicht alleine an den Schülern, sondern auch an der fehlenden eigenen Qualifikation. So sehen es zumindest die Lehrer.
Frust nach dem Studium
Wer auf Lehramt studiert, hat in der Regel hohe Ziele und ist mit einem gewissen Maß an Idealismus ausgestattet. Er fühlt sich berufen, die Schüler auf ihrem Weg zu begleiten und eine Hilfe und Stütze zu sein. Die Wirklichkeit stellt sich dann jedoch meist ganz anders dar. Viele Lehrer fühlen sich alleine gelassen mit den tatsächlichen Problemen, die im Schulalltag lauern. Ist die Zeit des Studiums dann vorbei, werden sie mit einer Realität konfrontiert, die mehr Fragen als Antworten bietet und Erwartungen an Lehrkräfte stellt, mit denen sie so nicht gerechnet haben. Und auf die sie aus ihrer Sicht nicht vorbereitet wurden. Die Folge: Frust.
Lehrer und der Eltern-Job
Eine aktuelle Allensbach-Studie wollte sich ein Bild vom Lehrer von heute machen. Die Studie trägt den Namen „Lehre(r) in Zeiten der Bildungspanik und zur Situation an den Schulen in Deutschland“. Allein der Titel der Studie wirkt ein wenig reißerisch, das Wort Bildungspanik vermittelt nicht unbedingt einen pragmatischen Eindruck. Die Ergebnisse der Befragung sind dennoch interessant und lassen einen Blick auf die aktuellen Probleme zu. Und die liegen zum Teil in der Rollenverteilung zwischen Eltern und Lehrern. Jeder dritte Lehrer ist der Meinung, dass er den falschen Job macht bzw. dass er Aufgaben übernimmt, die nicht zu seinem Tätigkeitsfeld gehören sollten, sondern zu dem der Eltern. Zwar ist den meisten Lehrkörpern klar, dass sie bis zu einem gewissen Punkt auch erzieherische Aufgaben wahrnehmen müssen, das gehört durchaus zum pädagogischen Auftrag. Doch in der Intensität geht es vielen zu weit.
Leere Köpfe und fehlender Respekt
Fehlende Disziplin und Respektlosigkeit, das sind die Mängel, über die sich Lehrer am häufigsten beklagen. Besonders betroffen sind davon Haupt- und Realschulen. Hier sehen immerhin 62 Prozent der Lehrer starke Defizite. Hinzu kommen aus Lehrersicht Schwächen bei der Konzentrationsfähigkeit der Schüler. Zusammen genommen führt das zu weiteren Problemen. In Zeiten von Plagiaten an höchster Stelle scheuen Schüler nicht davor zurück, im Internet Inhalte zu suchen und für ihre eigenen Arbeiten zu kopieren. Der Lehrer von heute ist also nebenbei oft noch Detektiv, der dem Diebstahl von Inhalten auf die Spur kommen muss. Zudem lassen sich Schüler kaum noch sagen, was sie zu tun oder zu lassen haben, der Umgangston ist rauer geworden. Das spüren auch die Lehrer, die zunehmend hilflos davor stehen. Jeder zweite Lehrer an Haupt- und Realschulen spricht von „allgemeinen Erziehungsdefiziten“ bei seinen Schülern.
Die Kluft der sozialen Schichten
Es lässt tief blicken, wenn Pädagogen an Schulen in sozialen Brennpunkten eine „Erschwernis-Zulage“ fordern. Jeder Dritte ist der Meinung, dass der Unterricht an Schulen kaum leistbar ist, die ein starkes Gefälle sozialer Schichten zeigen. Die „Heile Welt“ des Lebens am Stadtrand unterscheidet sich nun einmal deutlich vom grauen Alltag in Stadtteilen, die hässlich sind und den Menschen kaum Lebensqualität bieten.
Lösungsansätze
Das Problem ist schon länger bekannt, geändert hat sich jedoch nichts daran. Die Klassengröße ist für die meisten Lehrer eines der größten Übel, das es zu beseitigen gilt. Rund 75 Prozent der Befragten gaben an, dass die Situation deutlich besser wäre, wenn die Schulklassen kleiner wären. Darüber hinaus sehen sie Lehrermangel als einen der Gründe für die Schwierigkeiten. Knapp die Hälfte der Lehrkräfte klagt darüber und liegt durchaus richtig. Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Philologenverband bringt die Problematik auf den Punkt: „Über eine Millionen Unterrichtsstunden werden jede Woche nach unseren Berechnungen nicht lehrplangemäß gehalten oder fallen aus.“
Zufriedenheit statt Frust
Es sei dahingestellt, woran die Beziehung zwischen Schülern und Lehrern kränkelt. Und ganz sicher kann man es nicht auf einen Punkt reduzieren. Die Tatsache, dass die Klassen zu groß und die Zahl der Lehrer zu klein ist, spielt sicherlich eine Rolle bei der Lage an den Schulen. Außerdem sind Jugendliche von heute anders als vor 10 Jahren. Oft sind es Kommunikationsprobleme zwischen Lehrern und Schülern, die zu Gräben zwischen ihnen führen. Es wäre jedoch falsch, ein allzu trauriges Fazit zu ziehen, denn es ist längst nicht so, dass Frust das einzige Gefühl ist, das Lehrer empfinden, wenn sie morgens das Haus verlassen. Die Allensbach-Studie hat noch ein weiteres Ergebnis hervorgebracht, das eine positive Richtung aufzeigt. Trotz aller Unzufriedenheit und auch wenn Frust ein Gefühl ist, das Lehrkräfte kennen, gaben in der Befragung doch 70 Prozent an, Freude an ihrem Beruf zu haben. Und 52 Prozent sagten, sie würden ihre Tätigkeit als Lehrer attraktiv finden. Diese Zahlen sprechen definitiv gegen den frustrierten Lehrer, der sich seinem Leid hingibt und alles Schlechte in der Welt beklagt.