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Schulangst

Jeden Morgen das Gleiche: Lilly geht mit bleichem Gesicht und zitternden Knien zum Bus, nachdem ihre Mutter sie fast mit Gewalt aus dem Haus geschoben hat. Angst vor jedem Schultag trifft zwischen 600.000 und 1,2 Millionen Kinder, die Tendenz ist steigend. Warum haben Kinder Schulangst und wie können Eltern helfen?

Experten sprechen teilweise schon von einer Art Epidemie. Immer mehr Schüler und Schülerinnen zeigen echte Anzeichen von Panik, wenn sie sich auf den Schulweg machen oder weigern sich ganz und gar, in die Schule zu gehen. Einher geht diese neue Angst mit echten körperlichen Beschwerden: Übelkeit bis zum Erbrechen, Kopfschmerzen und Schwindelgefühle sind häufige Symptome, in Extremfällen kommt es sogar zu Ohnmachtsanfällen und Herzrhythmusstörungen.


Wie Schulangst entsteht

Der Begriff Angst steht für alle Situationen, die wir aus unserem Gefühl heraus glauben, nicht meistern zu können. Es geht nicht um eine konkrete Situation – wir fühlen uns schwach und unfähig und sorgen uns um das, was auf uns zukommen könnte. Schulangst entsteht meist aus negativen Erfahrungen, die ein Kind in der Schule gemacht hat. Dies können Hänseleien von Mitschülern, unangenehme Erlebnisse mit Lehrern oder Erlebnisse des Versagens bei mündlichen oder schriftlichen Arbeiten sein. Die Kinder fühlen sich überfordert, machtlos und nicht in der Lage, an der Situation etwas zu ändern. Die Angst wird zum ständigen Begleiter im Schulalltag. Je mehr sich dieses Gefühl der Angst verfestigt, umso größer wird die Panik. Schließlich rechnen die Kinder mit dem Schlimmsten – und das kann alles möglich sein und aus jeder Richtung über sie hereinbrechen.

Eine der häufigsten Gründe für Schulangst ist der Leistungsdruck, der zunehmend von Lehrern und Eltern ausgeübt wird. Wir wollen alle das Beste für unsere Kinder, wollen, dass sie mit guten Noten für das Leben gerüstet sind und gute Chancen haben, später mal einen Job zu bekommen. Der Druck wird größer und viele Kinder reagieren darauf mit Schulangst und anschließender Leistungsverweigerung.


Sozialer Druck

Nicht nur überhöhte Anforderungen, sondern auch problematische soziale Situationen können Schulangst auslösen. Dazu gehören hänselnde Mitschüler, strenge und ungerechte Lehrer. Vor allem für Kinder aus finanziell schwächeren Familien kann Gruppendruck Angst auslösen. Sie können die Anforderungen ihrer Clique nach schicken Markenklamotten, dem neuesten Handy oder dem aktuellen Gameboy-Modell nicht erfüllen.

Vor allem sensiblere Kinder reagieren ängstlich auf Gewalt. An vielen Schulen gehört sie zum Alltag und gerade schwächere, wenig selbstbewusste Kinder werden häufig zum Opfer. Oft ist Erpressung im Spiel und die Androhung von Sanktionen, falls das Opfer etwas weitererzählt oder sich Hilfe bei seinen Eltern oder den Lehrern holen will. Als Folge davon versuchen die Kinder auszuweichen und mit allen Mitteln den Schulbesuch zu umgehen.


So können Eltern helfen

Der wichtigste Punkt überhaupt ist, dass Eltern die Ängste Ihres Kindes ernst nehmen. Aussprüche wie „Stell dich doch nicht so an!“, „Du brauchst doch keine Angst haben.“ oder „Das bildest du dir alles nur ein.“ stellen schwere Vertrauensbrüche dar und helfen dem Kind keinen Schritt weiter. Ganz im Gegenteil: Es fühlt sich allein gelassen und wird noch verzweifelter und ratloser, die Schulangst verstärkt sich noch. Dem Kind wird suggeriert, dass es sich alles nur einbildet und beginnt, die Ängste zu verdrängen anstatt sich ihnen zu stellen und sie zu überwinden.

Versuchen Sie herauszufinden, was genau Ihrem Kind so große Angst macht, dass es nicht mehr in die Schule gehen will. Geht es um konkrete Situationen und Personen oder kann Ihr Kind den Grund für seine Angst gar nicht mehr benennen? Im ersten Fall können Eltern und Kind zusammen Bewältigungsstrategien entwickeln, manchmal ist es auch hilfreich, wenn die Eltern das Gespräch mit dem Lehrer suchen, um die angstmachende Situation zu lösen. Wenn unbestimmte Ängste das Kind plagen, dann sind andere Lösungswege gefragt:

Versuchen Sie, Ihrem Kind die Anspannung zu nehmen. In einem ersten Schritt sollten Sie sich selbst kritisch überprüfen: Sind Ihre Anforderungen an das Kind was Schulnoten und Leistungen angeht, eventuell überzogen? Vergleichen Sie Ihr Kind häufig mit seinen (in der Schule besseren) Geschwistern oder anderen Schülern? Geben Sie ihm das Gefühl, dass Sie es mehr lieben, wenn es gute Noten schreibt? Wenn Sie Ihr Kind unbewusst unter starken Druck setzen, kann dies Auslöser für die Schulangst ihres Kindes sein.


Rücken stärken statt verhätscheln

Auch wenn Sie die Ängste Ihres Kindes durchaus ernst nehmen sollen, vermeiden Sie eine zu frühe Einmischung und vermeiden Sie vor allem, Ihr Kind übermäßig zu beschützen und zu verhätscheln. Es ist wichtig, dass Ihr Kind Ihnen vertraut und sich bei Problemen an Sie wendet und es muss sich sicher sein, dass Sie zu ihm stehen und ihm gegebenenfalls den Rücken stärken. Wenn Eltern immer sofort los rennen, sobald Ihr Kind ein kleines Problem hat, vermitteln Eltern folgendes: Die Welt (Schule) ist gefährlich, daheim bei Papa (oder Mama) ist es am sichersten.

Lassen Sie Ihr Kind seine Probleme erst einmal selbst lösen und greifen Sie nur dann ein, wenn Ihre Hilfe unbedingt notwendig wird. Zusammen mit der Stärkung des kindlichen Selbstbewusstseins durch Ihre Liebe und Akzeptanz stellt das Kind schnell fest, wie stark es ist und wie gut es eigentlich zurecht kommt. Schulangst tritt so gar nicht erst auf.