Kurz vor der Geburt eines Kindes gehen Männern viele Gedanken durch den Kopf. Unser Autor hat sich im Kreißsaal gefragt, wie er wohl als Vater sein wird, und hat sich dabei daran erinnert, wie er selbst erzogen worden ist.
Wie war mein Vater und wie werde ich als Vater sein?
Ich erinnere es noch genau. Es war die Nacht vom 21.08.2010. Ich lag auf einer Matratze, die Kopfhörer meines Ipods steckten in meinen Ohren und ich lauschte Henning Mankels letztem Wallander Fall. Soweit nichts Besonderes. Nur lag die Matratze auf dem Boden des Kreißsaals in einem Stuttgarter Krankenhaus. In dem Bett neben meiner Matratze lag meine Frau. Halb schlafend, halb wach. So verbrachten wir die letzten Stunden als kinderloses Paar in froher Erwartung der Geburt unseres Sohnes.
Zuerst war alles ganz leicht
In den Wochen und Monaten zuvor hatten wir uns oft vorgestellt, wie es wohl werden würde, das Leben als Familie. Wie wären wir als Eltern? Würden wir die Herausforderungen mit einem Baby meistern? Würden wir bemerken, wenn etwas schieflaufen würde? Wir waren sehr angespannt. In den ersten Tagen, nachdem wir erfahren hatten, dass meine Frau schwanger war, war alles aufregend. Wir zogen durch Babybekleidungsgeschäfte, suchten Spielzeug aus und blätterten uns durch etliche Kataloge. Jetzt, wo die Geburt unmittelbar bevorstand, wurde mir bewusst, dass mich eine Frage besonders beschäftigte.
Werde ich ein guter Vater?
Die Frage, die mich umtrieb, war die, wie ich wohl als Vater sein würde? In meinen Augen hatte ich ein schweres Erbe anzutreten, denn mit der Erziehung meiner Eltern war ich im Grunde recht zufrieden. Sie hatten sich Zeit für mich und meine Schwester genommen, waren sehr liebevoll, an uns interessiert, ließen uns Freiheiten und versuchten uns, in ihrem finanziellen Rahmen, vieles zu ermöglichen.
Mein Vater hatte viel Zeit für mich
Besonders mein Vater verwandte viel Zeit, mich für Dinge zu begeistern. So verbrachte er seine Feierabende mit mir beim Lego- oder Fischertechnikspielen, machte jedes Wochenende Ausflüge zu Burgen in Wälder oder Museen oder brachte mich ins Puppentheater. Am Abend las er mir vor, bis ich einschlief und im Urlaub stapften wir alljährlich durch die Bergwelten Österreichs oder Italiens. Es machte ihm Spaß, mir Dinge zu erklären und mich für Technik oder Geschichte zu begeistern.
Ein liebevoller Vater
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, dann ist mein Vater durchaus ein Vorbild für mich. Nicht so sehr in beruflicher oder charakterlicher Hinsicht, aber in seiner Rolle als Vater. Auch ich möchte meinem Sohn Interessen mit auf den Weg geben, oder ihn in seinen Interessen unterstützen. Ich möchte ihn gern für Bücher und das Lesen begeistern, ihm die Natur nahebringen, seine Fantasie wecken, aber vor allem möchte ich ein liebevoller Vater sein.
Ich bin anders als mein Vater
Wahrscheinlich werde ich nicht genauso sein wie mein Vater. Ich bin ein anderer Mensch und gehe vieles anders an als er. Aber ich kann mir vornehmen, ein aktiver Vater zu sein - einer, der mehr ist als Ernährer und „Gute-Nacht-Sager“, einer der nicht immer seine Arbeit vorschiebt, oder abgespannt im Sessel sitzt, wenn mein Sohn am Abend mit mir spielen möchte. Ich möchte nicht den Fehler machen, mir nur dann Zeit für meinen Sohn zu nehmen, wenn alles andere erledigt ist. Das ist es nämlich nie. Ich nehme mir feste Zeiten, die nur meinem Sohn gehören. Wir fahren dann mit dem Rad zu einer großen Wiese oder auf den Spielplatz, spielen Ball oder erforschen den Wald. Wir gehen schwimmen oder bauen seine Eisenbahn auf.
Ich hoffe meine Sache gut zu machen
Ich weiß nicht, was mein Sohn eines Tages über seine Erziehung sagen wird, aber ich hoffe innerlich, dass er zu einem ähnlichen Urteil über seinen Vater kommt, wie ich. Es wäre für mich das Schönste, wenn er einfach zu dem Schluss käme: Papa hat zwar nicht alles richtig gemacht, aber unterm Strich war er ein guter Vater.