Ein Leben ohne Kinder? Unvorstellbar! Ein Urlaub ohne Kinder dagegen schon. Der kann eine schöne Abwechslung und auch recht erholsam sein, fühlt sich aber seltsam an. Ein Erfahrungsbericht.
Urlaub ohne Kinder – oder: warum ist es eigentlich so still hier?
Kinder sind etwas ganz Wunderbares. Viele Familien können sich ein Leben ohne Nachwuchs nicht mehr vorstellen. Doch der Alltag mit ihnen ist auch kräftezehrend. Und manchmal nervenaufreibend. Viel zu kurze Nächte und noch viel weniger Zeit für sich selbst und den Partner sind normal, vor allem dann, wenn Kleinkinder noch die volle Aufmerksamkeit der Eltern für sich beanspruchen.
Irgendwann kommt der Punkt, wo man sich einfach nur noch leer fühlt - müde und ausgebrannt. Kleinigkeiten, über die man sonst gelächelt oder wohlwollend hinweggesehen hat, nerven nur noch. Schnell kann sich das potenzieren. Und spätestens dann sollten Eltern über ein wenig Zeit für sich selbst nachdenken.
Abschied auf Zeit
Ich gebe zu, wir haben nicht lange überlegt, ob ein Urlaub ohne Kinder sinnvoll ist oder nicht. Nach nunmehr acht Jahren hatten wir uns eine Auszeit ohne unseren Nachwuchs redlich verdient.
Meine Eltern freuten sich riesig, die Enkel bei sich zu haben. Und auch die Kinder waren begeistert, viel Zeit mit Oma und Opa zu verbringen. Prima Voraussetzungen also und ein Gewinn für alle Seiten.
Für unseren dreijährigen Sohn Maximilian war es das erste Mal, so lange von Mama und Papa getrennt zu sein. Ob und wie er die Zeit überstehen würde war unsere einzige Sorge. Deshalb gingen wir auf Nummer sicher und verbrachten unseren Urlaub „nur“ daheim.
Der Abschied fiel überraschend problemlos aus. Kein Weinen, keine bangen Blicke – die Freude und gespannte Erwartung auf die kommenden Abenteuer bei den Großeltern überwog eindeutig und wischte auch den letzten, zweifelnden Blick vom Gesicht unseres Sohnes. Paulina, seine heiß geliebte Schwester, hatte diesem Tag ohnehin schon seit einer Woche entgegengefiebert. Noch ein letztes fröhliches Winken und dann waren sie auch schon weg.
Allein - Zeit zum …
Wir schlossen die Wohnungstür und waren plötzlich ganz allein. Und was tut man als Erstes, wenn man nach langer Zeit wieder einmal ganz allein ist? Wir schauten uns tief in die Augen, gingen aufeinander zu und jeder von uns schien das Gleiche zu denken. Als sich unsere Lippen fast berührten, hauchte mir meine Frau die magischen Worte zu: „Schatz, wir sollten jetzt erst einmal … aufräumen.“
Nun, dieser eine Satz brachte mir zweierlei Erkenntnis: Selbst nach nunmehr acht Jahren eheähnlicher Lebensgemeinschaft bin ich noch immer nicht in der Lage, die Gedanken meiner Frau auch nur annähernd zu erraten. Und zweitens, irgendwie hatte sie auch Recht. Denn wer Kinder hat, weiß, wie schnell aus einer 1A aufgeräumten Wohnung ein Indoor-Spielplatz mit eingebautem Friedhof der Kuscheltiere werden kann. Außerdem ist es einfach ein prima Gefühl, früh am Morgen nicht gleich auf Legosteine zu treten oder sich die liegengelassene Haarklammer der Tochter in den Fuß zu rammen.
Also, gesagt, getan und alles, was Spielzeug nur ähnlich sah, verschwand hinter der Kinderzimmertür. Schon nach zwei Stunden sah es so aus, als hätten wir nie Kinder gehabt. Von den Fotos an der Wand und den zahlreichen selbst gebastelten Geburtstagsgeschenken einmal abgesehen, die unser trautes Heim verschönern.
Die große Freiheit
Die ersten Tage in Freiheit waren schon merkwürdig. Ungewohnt. Da war niemand, der uns morgens unsanft wachrüttelte, zu unchristlichen Zeiten spielen wollte oder auf seine Frühstücksmilch mit Honig bestand. Eine gespenstische Ruhe. Aber irgendwie schön.
Wir ließen es ruhig angehen. Ausschlafen war angesagt. Ein ausgedehntes Frühstück und eine äußerst kurzfristige Planung des Tages. Ein schöner Mix aus ein wenig Zeit nur für uns selbst, ungesundem Essen, etwas Wein und ganz viel Zweisamkeit. Außer zu ein paar Spaziergängen mit unserem Hund verließen wir die Wohnung kaum. Ich weiß, das hört sich jetzt total langweilig an. Aber es war genau das, was wir zunächst brauchten.
Heimweh hört sich anders an …
Wir hatten im Vorfeld vereinbart, dass wir nicht anrufen. Unsere Kinder würden sich schon melden. Pustekuchen! Nichts dergleichen geschah. Am vierten Tag waren wir es dann doch, die zum Hörer griffen. Unsere Tochter war dran. Geschickt verbarg sie ihr Heimweh und fragte, ob wir Langeweile haben und warum wir jetzt schon anrufen. Hmmm ... Alles sei bestens, bestätigte sie uns. Außer, dass ihr Bruder sie wieder einmal gebissen hatte und bei manchen Spielen eindeutig stört. Das Übliche also.
Paulina schlug vor, wir mögen ihn doch etwas eher abholen, während sie noch bleiben könne. Sie würde ihren Bruder zwar lieben, aber das könnte sie auch, wenn 100 Kilometer zwischen ihnen liegen würden. Wir lehnten dankend ab, was den Verlauf des Gespräches erheblich beschleunigte.
Es wäre jetzt überhaupt ganz ungünstig zu telefonieren, bekamen wir als nächstes zu hören. Schließlich wolle man gerade auf den Reiterhof. Wir könnten doch morgen noch einmal anrufen. Oder kommende Woche wäre auch ok. Es sei denn, wir überlegen uns die Sache mit ihrem Bruder noch einmal. Dann auch gern eher. „Oma hat ihr Handy immer dabei“ ließ sie uns noch wissen, bevor wir nur noch einen langen Piepton hörten.
Unseren Kindern ging es also gut, wie wir uns, ein paar Augenblicke später, aus großelterlichem Munde noch einmal bestätigen ließen. Aber das wussten wir eigentlich schon vorher.
Zeitreise
Und wir? Wir genossen unsere verbleibende Zeit. Kurzausflüge ohne Kinder hatten wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht. Oder einfach mal durch die Stadt bummeln. Allein die Bewegungsfreiheit. Keiner will nicht mehr laufen, fällt ins Wasser oder muss aufs Klo. Von den Rechnungen im Restaurant ganz zu schweigen. Einfach mal in ein Café setzen und Leute beobachten. Ohne dass dir ein Eis auf der Hose landet. Genuss pur. Oder abends irgendwo in einer Bar versacken, ohne auf die Uhr schauen zu müssen, weil der Babysitter gleich abgelöst werden muss. Es war wie eine Zeitreise in die Vergangenheit, als wir uns kennenlernten. Und diese Reise tat uns unendlich gut.
Erwischt!
Doch gegen Ende der zweiten Woche war es dann soweit. Ich erwischte meine Frau in flagranti. Versonnen saß sie vor dem Fernseher und schaute sich - jetzt halten Sie sich fest - das Sandmännchen an. „Schau` mal“, flüsterte sie mir zu, „jetzt sitzen die Beiden bestimmt auch vorm Fernseher.“ Es war nicht nur ihre Stimme, in der plötzlich eine tiefe Sehnsucht mitschwang. Es waren vor allem die Augen, die zu sagen schienen: „Jetzt könnten sie so langsam wiederkommen.“ Und diesmal irrte ich mich nicht.
Mir ging es ähnlich. Ruhe ist schön. Aber zu viel Ruhe ist auf Dauer auch nichts.
Wir hatten unsere Zeit gehabt. Die Akkus waren wieder aufgeladen und die Ungeduld nach unseren beiden Rackern wuchs nun von Stunde zu Stunde. Und als wir sie nach weiteren drei Tagen wieder im Arm hielten, war die Wiedersehensfreude nicht nur riesengroß, sondern sie kamen uns schon wieder ein Stück größer und erwachsener vor. Aber dieses Gefühl kennen sicher die meisten Eltern.
So klappt´s am besten
Wer es noch nicht kennt und gerade überlegt, ob ein Urlaub ohne Kinder das Richtige ist, dem sei geraten: Probieren Sie es einfach einmal aus. Werfen Sie alle Ängste oder Zweifel über Bord und nehmen Sie sich die Zeit. Für sich selbst und den Partner.
Wenn Sie die folgenden, ganz simplen Dinge beachten, steht einem entspannten Urlaub allein fast nichts im Wege:
- Natürlich sollten Ihre Kinder die Zeit mit Personen verbringen, bei denen sie gerne sind und denen sie vertrauen. Die Wahl der richtigen Bezugsperson ist wohl die wichtigste Voraussetzung.
- Ihre Kinder sollten früh genug erfahren, dass die Eltern einen Urlaub ohne sie planen. Den Nachwuchs erst eine Stunde vor Fahrtantritt darüber zu informieren, dass sie die nächsten Tage oder Wochen getrennt sein werden, ist also keine Option.
- Auch empfiehlt es sich, so früh wie nur möglich damit anzufangen, die Kinder für ein paar Tage in liebevolle Obhut zu geben. Es gibt zwar keine Altersempfehlungen, aber je jünger die Kinder sind, desto rascher gewöhnen sie sich an die vorübergehende Abwesenheit der Eltern.
- Und noch etwas gilt es zu beachten: Erwarten sie keine Freudentänze oder Jubelgeschrei, wenn Sie aus Ihrem wohlverdienten Urlaub zurückkehren. Denn viele Kinder brauchen oft eine Weile, um sich den Eltern wieder anzunähern. Geben Sie Ihrem Nachwuchs Zeit und versuchen Sie keinesfalls, die Zuneigung zu erzwingen, wenn Ihr Sprössling zunächst abweisend, bockig oder gar wütend ist.
Kleine Helden
Eltern sind die kleinen Helden des Alltags, auf deren Schultern täglich eine enorme Verantwortung lastet. Haben Sie also kein schlechtes Gewissen, wenn Sie sich von Zeit zu Zeit eine Auszeit vom Elternleben gönnen. Es muss ja nicht der Jahresurlaub sein, den Sie ohne Kinder verbringen. Ein paar Tage reichen oft schon, um die Akkus wieder aufzuladen und mit neuer Energie in den Alltag starten.
Für Eltern ist es einfach wichtig, sich auch als Paar nicht zu vergessen. Das klappt am ehesten ohne den Nachwuchs. Und die besten Eltern für unsere Kinder sind ohnehin jene, die auch mit sich selbst zufrieden sind. Oder?
Der Autor:
Daniel Polzer arbeitet als freiberuflicher Texter und Werbetexter.
Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in Leipzig.